Süddeutsche Zeitung

Finanzindustrie:Commerzbank gibt Rätsel auf

An der Börse spekulieren Analysten über eine Kapitalerhöhung der Commerzbank. Doch es gibt einen wichtigen Grund, der diesen Schritt eher unwahrscheinlich scheinen lässt.

Helga Einecke

Spekulationen um eine Kapitalerhöhung der Commerzbank sind das Topthema an der Börse. Kommt sie bald, überraschend oder gar nicht? Geschürt werden die Gerüchte von Investmentbanken, die an einer solchen Transaktion mitverdienen können. Commerzbank-Chef Martin Blessing hatte vor einer Woche in Frankfurt ganz allgemein von einem günstigen Klima am Kapitalmarkt gesprochen, bei einer Präsentation vor kurzem in London aber abgewunken.

Viele Analysten können sich nicht vorstellen, dass die Bank bei einem Kurs ihrer Aktie von sechs Euro an einen solchen Schritt denkt. Blessing ist von der Hauptversammlung autorisiert, Aktien im Nennwert von 590 Millionen Euro auszugeben. Die würden ihm derzeit nicht einmal drei Milliarden Euro einbringen. Er muss dem Staat 16,4 Milliarden Euro zurückzahlen, um wieder Herr über eine komplett private Bank zu werden. "Ich erwarte kurzfristig keine Kapitalerhöhung", sagte Philipp Häßler, Analyst von Equinet. Zwar könne die Commerzbank Zinsen sparen, die sie auf die stillen Einlagen des Staates zahlen müsse. Aber sie könne sich mit einer Kapitalerhöhung auch noch ein halbes Jahr Zeit lassen. Ein gutes zweites Halbjahr würde auch die Investoren eher überzeugen.

Auch Olaf Kayser, Analyst der LBBW, hält eine baldige Kapitalerhöhung für wenig wahrscheinlich. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein", begründete er seine Einschätzung. Tatsächlich hatte Blessing bisher stets gesagt, er wolle "spätestens 2012" die stille Einlage zurückzahlen. Neben einer Kapitalerhöhung kann er Geld über den Verkauf von Teilen der Bank, das Einbehalten von Gewinnen und Umschichtung von Kapital eintreiben. Das Umschichten könnte wegen der neuen Regeln für das Eigenkapital (Basel III) eher kostspieliger werden.

Die Commerzbank hat 2009 einen Verlust von 4,5 Milliarden Euro gemacht, ist im ersten Halbjahr 2010 aber in die Gewinnzone zurückgekehrt. Auch im dritten Quartal soll sie im schwarzen Bereich geblieben sein, weil die Konjunktur besser lief und die Kredite als weniger riskant eingestuft werden mussten. Am 11. November will die Commerzbank dazu die Zahlen vorlegen. Einen Termin über eine vorgeschaltete Sitzung des Aufsichtsrats wollte sie nicht bestätigen.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2010
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