Finanzierung in Krisenzeiten:Klemmt es oder klemmt es nicht?

Banken am Pranger: Manche reden schon von Krise, wenn der Zins steigt - andere, wenn sie überhaupt keine Darlehen mehr bekommen.

G. Bohsem, S. Bigalke u. E. Dostert

Das Wort hat gute Chancen, zum Unwort des Jahres 2009 gekürt zu werden: die Kreditklemme. Logisch wäre es, im vergangenen Jahr kürten die Deutschen den Begriff "notleidende Banken" zum besten Unwort. Für das Wort Kreditklemme gibt es keine klare, in Kennziffern gefasste Definition. Um so leichter redet sich darüber, ob Deutschland nun schon in einer Kreditklemme steckt oder doch nicht. Die Meinungen gehen weit auseinander.

Finanzierung in Krisenzeiten: Unternehmen in der Bredouille: Viele Betriebe beklagen sich, weil Banken nur zögernd Kredite bewilligen.

Unternehmen in der Bredouille: Viele Betriebe beklagen sich, weil Banken nur zögernd Kredite bewilligen.

(Foto: Foto: dpa)

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg warnte am Montag vor "leichtfertigem Gerede". Steg: "Es gibt keine flächendeckende, von den Banken ausgehende und zu verantwortende Kreditverknappung." Allerdings gebe es Probleme bei der Kreditvergabe. "Wir haben in Deutschland keine allgemeine Kreditklemme", wettert Manfred Weber, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken, in Berlin.

Das sehen viele Lobbyisten anders. "Die Unternehmen spüren, dass die Banken die Stellschrauben bei der Kreditvergabe angezogen haben", sagt Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des ZVEI. Dem Verband gehören 1600 Firmen der Elektroindustrie an. Die Konditionen haben sich verschlechtert, die Banken verlangen mehr Sicherheiten, Kreditlinien würden gekürzt. "Es kommt auf die individuelle Situation des Unternehmers an. Der eine empfindet es als Kreditklemme, wenn die Zinsen steigen, der andere erst, wenn er gar kein Geld mehr kriegt", erläutert der Volkswirt.

Verschlechterte Gefühlslage

Tendenziell hat sich die Gefühlslage in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert, wie Umfragen des ZVEI zeigen. Im März gaben fünf Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie eine Kreditklemme verspüren, Mitte Juni waren es schon 57 Prozent. "Noch größer sind die Probleme bei Kreditversicherungen", sagt Gontermann. 66 Prozent der Firmen äußerten, der Zugang zu Kreditversicherungen habe sich erschwert. Wer keine Deckung bekommt, muss das Risiko, dass die Ware, die er geliefert hat, nicht bezahlt wird, selbst tragen. Die Kreditkrise treffe die Konzerne heftiger als kleine und mittlere Firmen, die sich stärker über Sparkassen und Volksbanken finanzieren. Die großen Unternehmen arbeiten stärker mit ausländischen Banken, Großbanken und Landesbanken zusammen. "Die Zentralinstitute der Sparkassen sind stärker von der Finanzkrise betroffen, das zeigt sich auch bei der Kreditvergabe", so Gontermann.

"Ja, es gibt eine Kreditklemme", beteuert Fritz Wickenhäuser, Hotelier in München und Präsident des Bundes der Selbstständigen in Bayern (BDS Bayern). Schon in einer Umfrage im Januar sprachen 70 Prozent der befragten BDS-Mitglieder davon. "Und das ist mir auch in vielen Gesprächen in den vergangenen Monaten immer wieder bestätigt worden", sagt Wickenhäuser. Der BDS zählt 20.000 Mitglieder mit im Schnitt 15 Beschäftigten. Wie schwer es ist, an Geld zu kommen, hat Wickenhäuser selbst erfahren. Er hat sich in den vergangenen Monaten um Geld für die Erweiterung eines Hotels bemüht. "Die Bonitätsanforderungen sind deutlich gestiegen und die Banken verlangen mehr Sicherheiten", berichtet der Hotelier. Handelseinig wurde er mit einer privaten Bank.

Von einer pauschalen Bankenschelte hält der Münchner nichts. "Aber die ganzen Rettungsschirme helfen nichts, wenn die Regularien die Banken zu größere Strenge beim Verleih von Geld verpflichte", sagt Wickenhäuser und meint damit vor allem die unter dem Begriff Basel II zusammengefasste Pflicht der Banken, ihre Geschäft mit ausreichend Eigenkapital zu unterlegen. "Basel II wirkt prozyklisch. Gerade in der Krise ist es für die Firmen besonders schwer, Kredite aufzunehmen", sagt Wickenhäuser: "Da muss etwas geändert werden." Die Kritik des Unternehmers gilt vor allem Paragraph 18 des Kreditwesengesetzes (KWG). Da heißt es: Ein Kreditinstitut darf einen Kredit, der insgesamt mehr als 750.000 Euro oder zehn Prozent des haftenden Eigenkapitals des Instituts überschreitet, nur gewähren, wenn es sich vom Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen lässt. "Die Banken können in vielen Fällen gar nicht anders, als einen Kredit zu verweigern", sagt Wickenhäuser.

Banken in der Schusslinie

Das sieht Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA mit 3000 Mitgliedern, anders. Auch für die Hersteller von Maschinen und Anlagen haben sich in den vergangenen Monaten die Konditionen für Kredite verschlechtert. "Lange Laufzeiten und große Volumina sind fast gar nicht mehr zu bekommen", sagt Hesse. Je länger er redet, um so deutlicher wird der Mann. "Ich finde es nicht in Ordnung, dass die Banken das Geld bei der Europäischen Zentralbank abrufen, um es dann irgendwo mit hoher Rendite anzulegen", sagt Hesse: "Die Banken sind da, um Unternehmen und Gesellschaft mit Liquidität zu versorgen. Diese Aufgabe erfüllen sind derzeit nicht." Es könne nicht sein, dass notleidende Banken von allen Risiken befreit würden, aber selbst keine Risiken mehr eingehen, feuert Hesse weiter: "Dann muss man sie eben zwingen. Wenn eine Bank die von der EZB bereitgestellte Liquidität nicht weitergibt, sollte sie keine bekommen."

Ratlosigkeit im Finanzministerium

Auch Politiker wollen den Druck erhöhen. Ein Rätsel bleibt, wie sie die Banken zwingen wollen, großzügiger und schneller Kredite zu vergeben. So hatte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Wochenende von Zwangsmaßnahmen gesprochen, "die es noch nicht gegeben hat." Auf die Frage, welche das denn sein könnten, ist man in seinem Haus ziemlich ratlos. "Der Minister hat sicher ein paar Ideen im Kopf. Nur kennt sie noch keiner", sagte ein Spitzenbeamter.

Zunächst setzt das Haus ohnehin mehr auf Ansätze, die den Banken das Geschäft erleichtern und nicht etwa erschweren. Um eine drohende Kreditklemme abzuwenden wolle man sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, die vom Baseler Bankenausschuss vereinbarten strengen Anforderungen an das Eigenkapital auf ein halbes Jahr begrenzt zu lockern. Das verschaffe den Instituten in der Krise Erleichterung und ermögliche es ihnen zudem, mehr Geld zu verleihen.

Das Ministerium hofft auch auf die Wirkung des Gesetzes zur Einrichtung von Bad Banks. Wenn die Banken ihre Giftpapiere und nicht mehr benötigten Geschäftsmodelle in staatliche gedeckte Auffanggesellschaften steckten, ergebe sich daraus ein größerer Spielraum für die Kreditvergabe. Obwohl das Ministerium derzeit keine Zwangsmaßnahmen plane, seien Steinbrücks Bemerkungen vom Wochenende dennoch nicht gegenstandslos. Dies sei Teil einer Strategie, den öffentlichen Druck auf die Finanzinsitute hoch zu halten. Der Minister werde sich zudem am 1. September beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag mit den wichtigen Vertretern der Wirtschaft treffen, um sich über die Lage an den Kreditmärkten zu informieren. Zu diesem Anlass werde er auch öffentlich scharfe Kritik üben, falls die Banken weiterhin so zurückhaltend agierten.

Neben Steinbrück hatten auch Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Unionsfraktionschef Volker Kauder scharfe Kritik an der aus ihrer Sicht mangelhaften Bereitschaft der Institute geübt, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen. Unter den Haushalts- und Finanzexperten stießen die Aussagen jedoch auf Kopfschütteln. Man habe keine Idee, wie die Banken dazu gezwungen werden könnten, in einer Rezession leichtfertiger Kredite auszugeben.

ZVEI-Chefvolkswirt Gontermann hat sich Gedanken gemacht: "Man könnte die Banken umgehen." Die EZB etwa könnte doch direkt Unternehmensanleihen aufkaufen. Und die Staatsbank KfW könnte direkt Kredite an die Firmen vergeben. "Aber eigentlich sollten die Banken ihren Job machen."

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