Süddeutsche Zeitung

Finanzhilfen für Irland:Lügen in Zeiten der Krise

Nun läuft also doch alles auf Finanzhilfen für Irland hinaus. Doch das Drama um das Rettungspaket zeigt, wie mutlos, zögerlich und unehrlich die europäischen Regierungen noch immer mit der Krise umgehen.

Cerstin Gammelin

Nun also doch. Irland steht kurz davor, seine europäischen Partner um finanzielle Hilfe zu bitten. Ein paar Tage braucht die Regierung in Dublin noch, um sich mit den bereits vor der Tür stehenden Geldgebern über die Konditionen zu einigen, dann dürfte es soweit sein. Irland wäre damit das zweite Euro-Land, das vor den Folgen der dramatischen Finanzkrise kapituliert.

Allerdings liegen die Gründe für die Flucht unter den europäischen Rettungsschirm in Irland ganz anders als in Griechenland. Während die Hellenen jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und die eigenen Unternehmen in den Untergang korrumpiert haben, plagen sich die Bewohner der grünen Insel mit ihren Banken ab. Die großen Banken sind so exorbitant verschuldet, dass sie ohne staatliche Garantien längst Konkurs hätten anmelden müssen. Da aber Dublin komplett für alle Schulden garantiert, steht nun das gesamte Land vor dem Konkurs.

Es ist erschreckend, wie mutlos, zögerlich und unehrlich die europäischen Regierungen noch immer mit der Krise umgehen. Den Iren ginge es heute gar nicht so schlecht, hätte sich ihre Regierung getraut, die eine oder andere Bank nicht unter staatliche Fittiche zu nehmen, sondern sich selbst zu überlassen. Die Verantwortlichen hätten damit zeigen können, dass sie es ernst meinen mit der Beteuerung, auch private Anleger für die Folgen der Krise zahlen zu lassen.

Es wäre aber falsch, nur der Regierung in Dublin Mutlosigkeit vorzuwerfen. Irland musste seine Banken auch deshalb absichern, weil ihr Absturz vor allem britischen, deutschen und französischen Geldhäusern und deren Aktionären hohe Verluste beschert hätte. Weil nun aber die Steuerzahler auf der kleinen Insel hoffnungslos überfordert sind, müssen erneut die anderen Europäer einspringen. So schnüren die Euro-Länder ausgerechnet jetzt das nächste riesige Rettungspaket für Banken, während die Bundesregierung - wie andere Regierungen auch - immer wieder betont, dass künftig private Anleger bei drohenden Staatspleiten mitbezahlen müssten.

Das Drama um das irische Rettungspaket zeigt zudem, wie kräftig in dieser Krise noch immer gelogen wird. Erst vor wenigen Wochen verkündeten die Finanzpolitiker in der EU-Kommission, aber auch in den einzelnen Ländern allen Ernstes, dass die europäischen Banken bis auf drei, vier Ausnahmen die Krise gut überstanden hätten. Wie soll der Bürger diesen Politikern glauben, wenn kurz danach klar wird, dass ebendiese angeblich gesunden Banken schon wieder gerettet werden müssen?

Auch das Versprechen der EU-Regierungen, alles zu tun, um weitere dramatische Krisen zu verhindern, ist bisher vor allem Valium für die Seelen der Steuerzahler. Würden sie es ernst meinen, hätten sie den Banken längst vorgeschrieben, ihre Geschäfte mit deutlich mehr Eigenkapital abzusichern als bisher. Aber sogar zu diesem wirklich kleinen Schritt fehlt bisher der Mut.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2010/aum
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