Finanzen kompakt:Vorwürfe gegen "Octopussy"

Die Insideraffäre an der Wall Street weitet sich aus. Außerdem: Der Goldpreis steigt auf ein neues Rekordhoch - und die Royal Bank of Scotland leidet.

Die Insideraffäre an der Wall Street nimmt immer größere Dimensionen an: Nach einer Serie neuer Festnahmen gibt es nun bereits erste Geständnisse. In den bisher spektakulärsten Skandal der Hedgefonds-Branche sind inzwischen 20 Beschuldigte verwickelt. "Wir sind noch nicht fertig, die Untersuchungen laufen weiter", kündigte der New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara an. Auf die Wall Street und viele US-Konzerne rollen eine noch größere Ermittlungswelle und ein Prozessmarathon zu. Die Fahnder beziffern die unerlaubten Gewinne nun auf mindestens 40 Millionen Dollar (27 Millionen Euro).

Wall Street, Foto: AP

Die Insideraffäre an der Wall Street nimmt immer größere Dimensionen an.

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"Die Alarmglocken schrillen immer lauter", warnte Bharara die Branche. Fünf Beschuldigte aus dem immer verzweigteren Insider-Netzwerk hätten die Vergehen inzwischen zugegeben. Sie wollen laut dem Staatsanwalt mit den Ermittlern kooperieren. Alle Verdächtigen sollen an illegalen Aktiengeschäften etwa bei Firmenübernahmen beteiligt gewesen sein.

Ein Beschuldigter trägt - angelehnt an den James-Bond-Film - den Spitznamen "Octopussy", weil er wie ein vielarmiger Krake seine geheimen Informationen aus allen möglichen Quellen holte. Bharara forderte weitere mögliche Komplizen auf, sich freiwillig zu melden: "Ich ermahne Sie dringend, bei uns anzuklopfen, ehe wir an Ihrer Tür anklopfen."

Die Hedgefonds-Branche wurde bisher kaum überwacht. Die Ermittlungen gingen inzwischen aber auch darüber hinaus, sagte Bharara. Unter den Beschuldigten seien neben Finanzprofis der Wall Street und Analysten auch Anwälte. Die Ermittler nutzen sogar Methoden der Terror-Fahndung wie etwa das Abhören von Telefonen.

Die neuen Fälle betreffen unerlaubte Börsendeals bei großen Firmenkäufen vergangener Jahre, darunter die Hilton-Hotelkette sowie die IT-Konzerne 3Com und Avaya. Neben Staatsanwaltschaft und FBI ist an den Ermittlungen die US-Börsenaufsicht SEC beteiligt. Sie spricht sogar von illegalen Gewinnen von 53 Millionen Dollar.

Die Bombe platzte erstmals vor rund drei Wochen mit der Festnahme von sechs Beschuldigten. Im Zentrum steht der aus Sri Lanka stammende Finanzmanager Raj Rajaratnam mit seinem Galleon Fonds. Der 52-Jährige bestreitet bisher alle Vorwürfe. Er ist gegen eine Kaution von 100 Millionen Dollar auf freiem Fuß. Ein Richter lehnte am Donnerstag einen Antrag auf eine geringere Kaution ab.

Goldpreis erklimmt neues Allzeithoch

Der Goldpreis hat ein neues Rekordhoch erreicht: Eine Feinunze des Edelmetalls kostete am Freitag erstmals mehr als 1100 Dollar. Im Handel in London notierte der Goldpreis zwischenzeitlich bei 1101,42 Dollar (etwa 741 Euro), dem höchsten jemals verzeichneten Stand.

Grund für den neuen Rekord war nach Angaben von Experten die Ankündigung der Zentralbank von Sri Lanka, zur Diversifizierung ihrer Kapitalreserven in großen Mengen Gold kaufen zu wollen.

Der Preis für das Edelmetall hatte in der vergangenen Woche immer neue Höhen erklommen, nachdem der Internationale Währungsfonds den Verkauf von 200 Tonnen Gold an die indische Regierung bekanntgegeben hatte. Ein weiterer Grund für den Anstieg des Goldpreises ist auch der Wertverlust des Dollars in den vergangenen Monaten.

Das in der US-Währung gehandelte Edelmetall wird so günstiger für Käufer, die in anderen Währungen zahlen. Andererseits flüchten zahlreiche Anleger aus Furcht vor einer drohenden Inflation in Goldkäufe, weil das Edelmetall von einer Geldentwertung nicht betroffen ist.

AIG: Zweiter Quartalsgewinn in Folge

Der massiv vom Staat gestützte US-Versicherungsriese AIG hat im vergangenen Vierteljahr wieder einen deutlichen Gewinn geschafft.

Das Unternehmen schrieb im dritten Quartal schwarze Zahlen von 455 Millionen Dollar, wie AIG mitteilte. Es war der zweite Gewinn in Folge. Im Vorjahresquartal hatte es einen monumentalen Verlust von fast 24,5 Milliarden Dollar gegeben. AIG war vor einem Jahr beinahe unter der Last der Finanzkrise zusammengebrochen und und war praktisch in letzter Minute von der US-Notenbank gerettet worden.

Zur Rettung von AIG hatte der Staat einen Gesamtrahmen von 180 Milliarden Dollar abgesteckt. Die Regierung kontrolliert dafür eine Beteiligung von 80 Prozent. Nach Abzug des Anteils der Regierung bleiben noch 92 Millionen Dollar Gewinn übrig.

Nach den ersten neun Monaten des Jahres hängt AIG immer noch tief in den roten Zahlen mit einem Minus von knapp 2,1 Milliarden Dollar. Allerdings war der Verlust zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres noch auf sagenhafte 37,6 Milliarden Dollar angeschwollen.

Die aktuelle Gewinnstrecke kommt nicht überraschend: Schließlich hat sich die Lage an den Finanzmarkten inzwischen deutlich verbessert. Dadurch läuft das Versicherungsgeschäft stabiler - und auch der Wert der AIG-Anlagen ist gestiegen.

Royal Bank of Scotland schreibt Milliardenverlust

Die britische Krisenbank Royal Bank of Scotland (RBS) schreibt weiter kräftige Verluste.

Die verstaatlichte Bank verbuchte im dritten Quartal einen Verlust aus dem operativen Geschäft von 1,5 Milliarden Pfund. Allerdings hatten das Minus im zweiten Quartal noch bei 3,5 Milliarden Pfund gelegen. Auch bei den Ramschpapieren und faulen Krediten zeichnete sich eine leichte Entspannung ab. Nachdem RBS im zweiten Quartal deshalb noch 4,7 Milliarden Pfund abschreiben musste, waren es im dritten Quartal noch 3,3 Milliarden Pfund (3,7 Milliarden Euro), wie das Unternehmen mitteilte.

RBS-Chef Stephen Hester erwartet auch für das kommende Jahr weitere Verluste. Der Weg zur Erholung der angeschlagenen Bank sei "ein Marathon, aber kein Sprint", sagte er der BBC. Frühestens in zwei Jahren sieht er sein Unternehmen wieder Gewinne schreiben.

Im dritten Quartal lag der Verlust unterm Strich bei 1,8 Milliarden Pfund (zwei Milliarden Euro). Vor einem Jahr, als die Finanzkrise mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt erreichte, hatte die RBS noch 871 Millionen Pfund verdient.

Erst am Dienstag hatte die britische Regierung der RBS eine radikale Schrumpfkur verordnet, gleichzeitig aber weitere Steuermilliarden in den Sanierungsfall gepumpt. Die RBS muss sich von Teilen ihres Geschäfts trennen, weil die EU Wettbewerbsbedenken angemeldet hatte.

Zudem steckt die Regierung weitere 25,5 Milliarden Pfund direkt in die Bank und erhöht damit ihren Anteil von 70 auf 84 Prozent. Zudem steht der Staat und damit die Steuerzahler gegen Gebühr für problematische Wertpapiere über 282 Milliarden Pfund gerade.

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