Süddeutsche Zeitung

Finanzen kompakt:Geithner: Schreckensszenario Staatsbankrott

US-Finanzminister Geithner bangt um die Zahlungsunfähigkeit seines Landes. Außerdem: Goldman beschäftigen alte Betrugsvorwürfe und das Privatvermögen des Durchschnittsdeutschen beträgt fast 60.000 Euro. Das Wichtigste in Kürze.

US-Finanzminister Timothy Geithner hat den US-Kongress mit drastischen Worten vor einer Zahlungsunfähigkeit der USA gewarnt. Die USA könnten bereits vor dem 31. März die gesetzlich festgelegte Obergrenze für den Schuldenberg erreichen, erklärte Geithner. Selbst eine kurzfristige oder begrenzte Zahlungsunfähigkeit hätte katastrophale wirtschaftliche Folgen, die für Jahrzehnte anhalten würden und die Konsequenzen der Finanzkrise übertreffen könnten, mahnte Geithner.

Derzeit liegt die Schuldenobergrenze bei 14,3 Billionen Dollar. Wann diese genau erreicht werde, sei unklar, erläuterte Geithner. Deshalb müsse der Kongress die Grenze unbedingt vor dem Ende des ersten Vierteljahres erhöhen, um das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Die Regierung könne das Erreichen des Schuldenlimits selbst mit außergewöhnlichen Maßnahmen nur um einige Wochen hinauszögern.

Ein Mitarbeiter des Finanzministeriums, der nicht namentlich genannt werden wollte, mahnte die Abgeordneten dazu, die Schulden-Obergrenze nicht in die generelle Debatte über eine Kürzung der staatlichen Ausgaben hineinzuziehen. Er drückte jedoch Zuversicht aus, dass der Kongress das Limit anheben wird. Andernfalls würde großer Schaden entstehen.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs muss sich mit alten Betrugsvorwürfen herumschlagen: Der Anleiheversicherer ACA Financial Guaranty Corporation verlangt von dem Wall-Street-Haus Schadenersatz für eine missglückte Wette auf US-Hypothekenpapiere.

Der Fall hatte Mitte vergangenen Jahres für Schlagzeilen gesorgt und schien eigentlich abgeschlossen. Goldman hatte nach langem Ringen mit der US-Börsenaufsicht SEC die Rekordstrafe von 550 Millionen Dollar gezahlt. "ACA ist durch Goldmans Betrügereien in die Irre geführt worden", hieß es in einer Mitteilung der Versicherungsfirma. Sie verlangt insgesamt 120 Millionen Dollar von der Investmentbank und reichte Klage ein.

ACA war einer der Beteiligten am Finanzvehikel "Abacus", das weltweit für Negativschlagzeilen sorgte und schwer am Ruf der Wall-Street-Größe kratzte. "Goldman Sachs hat 'Abacus' so gebaut, dass es scheitern musste", lautet der Vorwurf des Versicherers.

Die Vorwürfe von ACA decken sich mit denen der US-Börsenaufsicht, die damit im April an die Öffentlichkeit gegangen war: Die Bank soll die Rolle eines großen Hedgefonds verheimlicht haben, der gegen das Finanzvehikel "Abacus" wettete. "ACA hat in etwas investiert, das de facto wertlos war", heißt es in der Klage. Goldman hatte im Rahmen des damaligen Vergleichs mit der SEC eingeräumt, seine Anleger lückenhaft informiert zu haben.

Der Fondsdienstleister Dekabank wechselt Medienberichten zufolge komplett in die Hand der Sparkassen. Die Landesbanken und Sparkassen hätten sich grundsätzlich darauf geeinigt, dass alle Landesbanken ihre Deka-Anteile an die Sparkassen verkaufen, berichteten mehrere Zeitungen am Freitag unter Berufung auf Finanzkreise.

Der Financial Times Deutschland und der Börsen-Zeitung zufolge wird die Deka dabei mit 4,7 Milliarden Euro bewertet. Sie solle aus ihrem Eigenkapital für eine Milliarde Euro selbst Anteile von den Landesbanken kaufen.

Die Sparkassenverbände sollten den Landesbanken für weitere 1,3 Milliarden Euro Anteile abnehmen. Offiziell solle den zwölf Regionalverbänden der Sparkassen die Einigung am kommenden Mittwoch erläutert werden, berichtete das Handelsblatt. Die Transaktion solle rückwirkend zum 1. Januar gelten.

Bislang gehört die Deka den Sparkassen und Landesbanken je zur Hälfte. Um eine neue Eignerstruktur wird seit Jahren gerungen. Mehrere Landesbanken müssen sich auf Druck der EU von ihren Anteilen trennen. Für die Sparkassen wäre die Dekabank das zweite Institut nach der Landesbank Berlin, das alleine von ihnen kontrolliert wird.

Der kräftige Jahresendspurt an der Börse hat das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf ein Rekordhoch getrieben. Nach Schätzungen von Allianz Global Investors (AGI) legte das Bruttogeldvermögen 2010 um knapp 220 Milliarden Euro oder 4,7 Prozent zu und erreichte gegen Jahresende den neuen Höchststand von 4,88 Billionen Euro. Ende 2009 habe das Geldvermögen der Deutschen noch 4,67 Billionen Euro betragen.

Im Durchschnitt habe damit jeder Bundesbürger 59.900 Euro nach 57.000 Euro Ende 2009 zur Verfügung. Ähnlich wie im Vorjahr führten auch 2010 die hohe Sparquote von 11,3 Prozent in Deutschland sowie ein sehr gutes Börsenjahr mit einem Dax-Anstieg um 16 Prozent zu dem Vermögensplus, berichtete die Fondsgesellschaft.

Nach der Schätzung von Renate Finke, Volkswirtin bei AGI, flossen etwa zwei Drittel des zusätzlichen Geldvermögens als neue Anlagemittel zu. Der Rest stamme aus Bewertungsgewinnen. Zudem habe das verfügbare Einkommen im Jahr 2010 um etwa 2,6 Prozent zugelegt, sagte die Expertin: "Dies resultierte aus einem Abbau der Kurzarbeit, aus der steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen und nicht zuletzt dem Beschäftigungszuwachs im Zuge der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland."

Obwohl die konjunkturelle Erholung die Bundesbürger zuletzt optimistisch stimmte, blieben sie bei ihren Anlageentscheidungen vorsichtig. Sie schichteten ihr Geld auch 2010 auf kurzfristig verfügbare Konten um. Mit 38 Prozent machten Anlagen bei Banken und Sparkassen den größten Teil des Geldvermögens der privaten Haushalte aus. Rund 1,85 Billionen Euro liegen dort nach den Angaben als Sicht-, Termin- und Spareinlagen sowie als Sparbriefe.

"Zwar konnten sich die Kapitalmarktprodukte wie Aktien, Investmentfonds, Rentenpapiere und nicht börsennotierte Beteiligungen im letzten Jahr wieder leicht verbessern, dennoch erreicht ihr Anteil derzeit nur knapp 28 Prozent, im Jahr 2006 lagen die Anteile der Bank- und Kapitalmarktanlagen noch dicht beieinander, Anfang des Jahrtausends gleichauf", erklärte Finke. In etwa stabil blieb der Anteil der Versicherungen (knapp 29 Prozent) und der Pensionsrückstellungen (knapp sechs Prozent).

Die Kreditgeber von Banken sollen nach einem Plan der EU bei Existenzkrisen der Geldhäuser nicht mehr ungeschoren davonkommen. Besitzer von Bankanleihen zum Beispiel müssten künftig einen Forderungsverzicht oder eine Umwandlung in verlustträchtige Aktien in Kauf nehmen, wenn eine Bank ums Überleben kämpft.

Dies ist ein Werkzeug aus dem geplanten Instrumentenkasten für Bankkrisen, den die EU-Kommission zur Diskussion stellte. Durch die EU-weiten gesetzlichen Vorschriften soll die drohende Pleite einer Bank ihren Schrecken verlieren. Banken müssten scheitern können, ohne das gesamte Finanzsystem ins Wanken zu bringen, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Der deutsche Bankenverband kritisierte, dass die EU auch präventive Eingriffe in gesunde Konzerne ermöglichen will. Mit der bis Anfang März laufenden öffentlichen Konsultation bereitet Barnier den Gesetzentwurf vor, den er im Frühsommer vorlegen will. Die von den Mitgliedstaaten und dem Parlament zu verhandelnde Richtlinie würde nicht vor 2013 in Kraft treten. Bisher sind die Regeln zur Abwicklung von Banken national unterschiedlich, was sich als großes Hindernis bei der Krise grenzüberschreitend aktiver Banken erwies - vor allem beim Untergang des belgisch-niederländischen Finanzkonzerns Fortis.

Mit dem europäischen Rahmen zum Krisenmanagement will die EU die Gefahr bannen, dass von Pleite bedrohte Banken andere Institute anstecken, das Finanzsystem zum Einsturz bringen können und deshalb vom Staat vor dem Untergang bewahrt werden müssen. Stattdessen soll die Abwicklung von Bankriesen ermöglicht werden.

"Europa muss gut darauf vorbereitet sein, mit dem Scheitern einer Bank auf geordnete Weise fertig zu werden, ohne dass der Steuerzahler wieder aufgefordert werden muss, die Kosten zu tragen", erklärte Barnier. Die EU-Staaten mussten die Banken in der Krise seit Herbst 2008 mit gewaltigen Summen stützen. Bis Oktober 2010 genehmigte die EU-Kommission staatliche Hilfen in Höhe von fast 4,6 Billionen Euro. Davon wurden gut zwei Billionen Euro in Anspruch genommen.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat China aufgefordert, seine Währung Yuan gegenüber dem US-Dollar aufzuwerten und Handelsblockaden bei seltenen Rohstoffen abzubauen. "Ein größerer Freiraum in der Preisbildung des Yuan würde zum Abbau der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte beitragen", sagte Brüderle nach einem Gespräch mit dem chinesischen Vize-Premierminister Li Keqiang.

Brüderle betonte, China könne sicherlich nicht von heute auf morgen flexible Währungskurse einführen. "Dennoch sollte an dem Ziel gearbeitet werden. Das würde inflationären Tendenzen in China entgegenwirken."

Der Wirtschaftsminister rief die chinesische Regierung auf, dem Westen nicht den Zugang zu Seltenden Erden - Rohstoffe für High-tech-Produkte wie Handys, Laptops oder Spezialmaschinen - zu erschweren. Peking schränkte die Ausfuhr bestimmter Metalle drastisch ein. Die deutsche Wirtschaft brauche einen offenen und gerechten Zugang zu diesen Rohstoffen. "Exportbeschränkungen durch Quoten oder die unterschiedliche Behandlung bei Lieferlizenzen erscheinen mir nicht als der richtige Weg", sagte Brüderle.

Er wünsche sich, dass China bereits verhängte Maßnahmen überdenke. Bereits Ende Oktober 2010 hatte das Handelsvolumen zwischen China und Deutschland die 100-Milliarden-Euro-Marke überschritten. Das ist ein Allzeithoch. Brüderle: "Im Jahr 2010 sind weltweit zwei Wachstumsmotoren besonders rund gelaufen: China und Deutschland." Beide Länder seien die Wachstumslokomotiven der Weltwirtschaft. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) habe im vergangenen Jahr um rund 3,5 Prozent zugelegt. "Und die Aussichten für 2011 können sich sehen lassen", sagte Brüderle.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hat mehr Anstrengungen zur Stärkung des Euro gefordert. In einer Rede vor der im oberbayerischen Wildbad Kreuth tagenden CSU-Landesgruppe sagte Trichet, die Euro-Mitgliedsstaaten müssten erkennen, dass der Euro nicht nur eine gemeinsame Geldpolitik, sondern auch eine stabilitätsorientierte Ausrichtung der jeweiligen nationalen Wirtschaftspolitik erfordere. Diese Erkenntnis müsse konsequent in die Praxis umgesetzt werden.

"Die derzeitigen Vorschläge dazu gehen nach Auffassung der EZB nicht weit genug, und ein ambitionierteres Vorgehen ist hier angemessen", sagte Trichet.

Trichet nannte die grundlegende Herausforderung für dieses Jahr, die wirtschafts- und finanzpolitische Säule des Euro so zu stärken, dass sie trägt. "Dies erfordert einen Quantensprung in der Gestaltung und Implementierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, und eine stabilitätsorientierte allgemeine Wirtschaftspolitik aller Länder", sagte Trichet.

Die US-Großbanken JP Morgan Chase und Morgan Stanley stehen vor dem Sprung auf den boomenden chinesischen Wertpapierhandelsmarkt. Die dortigen Regulierungsbehörden billigten am Freitag die seit langem angestrebten Gemeinschaftsunternehmen der beiden mit lokalen Partnern. Die US-Institute dürfen künftig Aktien- und Anleihemissionen begleiten, in fünf Jahren sind sie auch zu lukrativeren Börsengeschäften ermächtigt.

Damit muss sich auch die Deutsche Bank auf mehr Konkurrenz in China einstellen. Sie unterhält ein Joint Venture mit Zhong de Securities und hat kürzlich ihre Beteiligung an der Hua Xia Bank erhöht. Die rasant wachsende Wirtschaft und die Kapitalmärkte in China üben eine starke Anziehungskraft auf ausländische Banken aus. Allerdings ist es für sie nicht immer leicht, einen chinesischen Partner zu finden, über den sie einen Marktzugang erhalten. Auch zahlreiche Restriktionen erschweren einen Start. JP Morgan und Morgan Stanley erhielten die Genehmigung kurz vor einem Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao in den USA am 18. Januar. Politische Beobachter werteten dies als Geste des guten Willens der chinesischen Regierung, die zuletzt in Wirtschaftsfragen immer wieder mit den USA aneinandergeraten war.

JP Morgan wird künftig mit dem chinesischen Brokerhaus First Capital Securities zusammenarbeiten, an dem es zu einem Drittel beteiligt sein wird. Morgan Stanley hat einen neuen Partner in Huaxin Securities gefunden, nachdem es im vergangenen Jahr ein Joint Venture mit China International Capital verlassen hatte. In China sind zuletzt immer mehr Unternehmen an die Börse geströmt, allein 2010 erzielten sie damit Erlöse von insgesamt 69,5 Milliarden Dollar. Die asiatische Wirtschaftsmacht dominiert derzeit den Markt für Börsengänge - knapp ein Drittel des weltweiten Volumens wurde im vergangenen Jahr in der Volksrepublik verbucht. Der Anleihenmarkt in China hat sich in den vergangenen zwei Jahren auf mehr als 172 Milliarden Dollar verdoppelt. Neben der Deutschen Bank sind auch andere führende ausländische Institute in China bereits aktiv. Dazu zählen Credit Suisse, UBS und Goldman Sachs. Andere Investment-Banken wie etwa Citigroup sind noch auf der Suche nach einem geeigneten Partner.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1043552
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP/AP/aum/mel
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.