Süddeutsche Zeitung

Finanzen kompakt:Erst die Krise, dann die Pleite

Die Wirtschaftskrise hat etliche Privatpersonen in die Überschuldung gestürzt, die EU-Finanzminister ziehen Hedgefonds die Daumenschrauben an und China erhöht die Leitzinsen - das Wichtigste in Kürze.

Die Wirtschaftskrise hat nach Angaben der Inkasso-Branche viele Privatleute in die Überschuldung gestürzt. In diesem Jahr zeichne sich die Rekordzahl von 110.000 Verbraucherinsolvenzen ab, teilte der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) mit. Im vergangenen Jahr seien es 101.000 gewesen.

"Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit waren für viele der Tropfen, der das Schuldenfass erst jetzt zum Überlaufen brachte", sagte BDIU-Präsident Wolfgang Spitz. Im Wirtschaftsaufschwung mit dem anziehenden privaten Konsum steige auch die Neigung vieler Käufer, sich zu verschulden. Insgesamt würden Rechnungen nun aber wieder zuverlässiger bezahlt. Im Herbst berichteten 80 Prozent der 560 Mitgliedsunternehmen von einer besseren oder gleich guten Zahlungsmoral als im Frühjahr, so der Verband. Arbeitslosigkeit und akute Liquiditätsengpässe seien nicht mehr so häufig Grund ausbleibender Zahlungen. Trotz der aktuellen Erholung wirke sich der Einbruch 2009 aber noch vielfach aus. Die Zahl der Firmenpleiten dürfte daher in diesem Jahr um vier Prozent auf rund 34.000 steigen.

Mit unbezahlten Rechnungen hätten derzeit vor allem das Handwerk und Dienstleistungsfirmen zu kämpfen. Problematisch entwickele sich die Zahlungsmoral bei Käufen per Internet. 57 Prozent der Inkasso-Unternehmen, die den Einzug von Forderungen übernehmen, berichteten davon, dass Rechnungen bei Online-Käufen nachlässiger bezahlt würden als an der Ladenkasse.

Nach Banken und Ratingagenturen nimmt die Europäische Union nun auch die hoch spekulativen Hedgefonds an die Kandare. Die EU-Finanzminister einigten sich in Luxemburg einstimmig auf schärfere Vorschriften für die Manager dieser Fonds, wie der belgische Finanzminister Didier Reynders mitteilte, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat.

Vorgesehen ist eine Meldepflicht sowie eine Überwachung der Fonds durch Aufsichtsbehörden. Dem muss noch das Europaparlament zustimmen. "Das ist aus deutscher Sicht extrem zu begrüßen", sagte Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen (SPD) zu der Einigung, für die letzte Bedenken Großbritanniens ausgeräumt werden mussten. Damit sei es möglich, das Ziel einer Regulierung aller Marktteilnehmer bis zum Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) am 11. und 12. November in Südkorea zu erreichen, sagte er. Bisher gab es auf EU-Ebene keine Regeln für Hedge- und Investmentfonds. Das Geschäftsvolumen der Hedgefonds wird auf 1200 bis 1300 Milliarden Euro geschätzt.

Erstmals seit dem Ende der weltweiten Wirtschaftskrise hat die chinesische Notenbank den Leitzins angehoben. Mit dem Schritt sollen der Anstieg der Verbraucherpreise gedämpft und die boomende Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit gedrängt werden. Nach Angaben der Zentralbank stieg der Zins für einjährige Kredite um 0,25 Prozentpunkte auf 5,56 Prozent, für Einlagen ebenfalls um einen Viertelprozentpunkt auf 2,5 Prozent.

Nachdem die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal um 10,3 Prozent gewachsen war, hatte die kommunistische Führung angekündigt, eine nachhaltigere Wachstumsrate anzustreben. Die Erhöhung der Leitzinsen war deshalb erwartet worden. Vor allem die steigende Inflation, eine Folge des raschen Wachstums, soll gezügelt werden. Im August war die Geldentwertung auf 3,5 Prozent gestiegen. Sie liegt über dem offiziellen Ziel von drei Prozent. Analysten gehen davon aus, dass sich die Inflation im September weiter erhöhte.

Die Bank of America leidet schwer unter der von Washington gewollten Zügelung des Finanzmarkts. Im dritten Quartal 2010 schrieb das weit verzweigte Institut einen Verlust von unterm Strich 7,6 Milliarden Dollar (5,2 Milliarden Euro). Das ist deutlich mehr als die 2,2 Milliarden Dollar Minus aus dem Vorjahreszeitraum mitten in der Finanzkrise. Grund für den Absturz war eine gigantische Abschreibung auf das Kreditkarten-Geschäft. Die Sparte wird durch die im Sommer verabschiedeten Finanzmarkt-Gesetze ausgebremst. So hat es US-Präsident Barack Obama den Banken erschwert, die Zinsen im Nachhinein klammheimlich anzuheben. Auch müssen sich die Finanzunternehmen bescheiden, was Strafgebühren angeht, wenn ein Kunde etwa seine Rechnung zu spät bezahlt.

Die Bank stelle sich auf die neuen Gegebenheiten ein, sagte Bank- Chef Brian Moynihan. Die Bank of America gehört zu den größten Kreditkarten-Anbietern der USA mit Filialen im ganzen Land. Die Aktie rutschte am Dienstag vorbörslich drei Prozent ins Minus.

Grundsätzlich zeigte sich Moynihan aber zuversichtlich für sein Haus: Ohne die Abschreibung hätte die Bank of America 3,1 Milliarden Dollar verdient. Das ist mehr als doppelt so viel wie Analysten erwartet hatten. Das Institut konnte vor allem die Rückstellungen für faule Kredite zurückfahren. Sie halbierten sich auf 5,4 Milliarden Dollar. Wie bei der Konkurrenz zahlen die Schuldner wieder zuverlässiger.

Der Bank of America droht aber neues Ungemach: Die Staatsanwälte der 50 US-Bundesstaaten gehen dem Verdacht nach, dass das Institut und einige Wettbewerber bei den Zwangsvollstreckungen säumiger Schuldner zu weit gegangen sind. Der Vorwurf lautet, die Banken hätten ohne gültige Dokumente und ausreichende Prüfung Tausende Häuser gepfändet. Gut jeder zehnte Hausbesitzer in den Staaten ist mit seinen Raten im Rückstand.

Geringe Börsenumsätze haben der größten US-Investmentbank Goldman Sachs ein schwaches Quartal beschert. Das Institut büßte im dritten Quartal binnen Jahresfrist mehr als ein Drittel seines Gewinns ein. Der Netto-Gewinn sei auf 1,9 Milliarden Dollar zurückgegangen nach knapp 3,2 Milliarden Dollar vor einem Jahr, teilte das Institut vor Börsenbeginn mit. Damit lag der Konzern aber noch immer über den Erwartungen: Je Aktie erreichte der Gewinn 2,98 Dollar, Analysten hatten 2,32 Dollar erwartet. Der Börsenkurs des Konzerns stieg daraufhin vorbörslich etwa ein Prozent.

Goldman verzeichnete in dem Quartal Einnahmen von 8,9 Milliarden Dollar, davon im Investmentbanking 1,12 Milliarden Dollar. Analysten hatten Einnahmen von 7,9 Milliarden Dollar erwartet.

Für die kommenden Monate schlug Bankchef Lloyd Blankfein einen vorsichtigen Ton an. "Die wirtschaftlichen Bedingungen bleiben in einer Reihe von wichtigen Märkten herausfordernd", sagte er. Die gesamte Branche leidet darunter, dass nach der Finanzkrise das Kapitalmarktgeschäft noch nicht wieder voll in Schwung gekommen ist. An den Aktienbörsen sind die Umsätze trotz positiver Tendenzen in diesem Jahr relativ schwach, auch das Geschäft mit Unternehmensanleihen oder Fusionen verläuft eher zögerlich.

Die US-Investorenlegende Warren Buffett hat seine Stellung als größter Einzelaktionär beim Versicherungskonzern Münchener Rück weiter ausgebaut. Buffet hält mittlerweile über zehn Prozent der Aktien des Unternehmens, wie der Rückversicherer mitteilte. Der US-Investor hatte seine Aktienbeteiligung an Munich Re, wie sich der Konzern seit 2009 offiziell nennt, in diesem Jahre bereits mehrfach aufgestockt. Zuletzt hielt Buffett acht Prozent. Die Munich-Re-Aktien legten an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main bis zum Nachmittag um ein Prozent zu.

Warren Buffett ist mit einem Vermögen von etwa 40 Milliarden Euro der zweitreichste Mann der USA. Er gilt als einer der gewieftesten Investoren, zu seinen jährlichen Bilanztreffen pilgern stets Zehntausende Aktionäre in seine Heimatstadt Omaha im US-Bundesstaat Nebraska, um seinen Vorhersagen zur Entwicklung von Aktienmärkten, zum Dollarkurs oder dem Klimawandel zu lauschen. Seine Treffsicherheit hat ihm den Beinamen "Orakel von Omaha" eingebracht.

Der Deutsche Mieterbund hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung für eine Mietrechtsreform als "falsch, einseitig und ungerecht" kritisiert. "Wir brauchen keine zusätzlichen Mieterhöhungsspielräume für Vermieter", sagte Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips. Der Entwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) beseitigt unter anderem das Recht auf Mietminderung während Sanierungsarbeiten zur Energieeinsparung. "Offensichtlich beginnt die Bundesregierung jetzt, ihre Wahlversprechen einzulösen und arbeitet die Forderungen der Vermieterverbände ab", kritisierte Rips. Bisher kann die Miete während solcher Sanierungen um 50 bis 100 Prozent gekürzt werden.

Zudem befürchtet der Mieterbund, dass auch normale Instandsetzungsmaßnahmen demnächst als energetische Sanierung "verkauft" werden könnten und Mieter ungerechtfertigterweise mit Zusatzkosten belastet werden. Die Regierung plant, dass alle 18 Millionen Gebäude in Deutschland bis 2050 auf die modernsten Energiespar-Standards gebracht werden und der Energieverbrauch in diesem Bereich um 80 Prozent gesenkt wird.

Die Regierung will deshalb daran festhalten, dass bis zu elf Prozent der Kosten jährlich für energetische Sanierungen auf Mieter umgelegt werden können. "Das halte ich für unzumutbar", sagte Rips. Bei Investitionen von 20.000 Euro für eine 70 Quadratmeter große Wohnung verteuere sich die Miete so um 180 Euro im Monat. "Selbst wenn die Heizkosten aufgrund der Modernisierung um die Hälfte sinken, steigen die Mietkosten für den Mieter unter dem Strich um 140 Euro im Monat." Wenn entsprechend höhere Mieten am Markt durchsetzbar seien, könnte die Monatsmiete dadurch je nach Größe um 120 bis 250 Euro steigen. Als Beispiel nannte Rips Städte wie München, Hamburg oder Frankfurt. "Das könnte zur Entmischung von Wohnquartieren führen."

Die im Entwurf geplanten verbesserten Kündigungsregelungen für Vermieter, um sogenannte Mietnomaden schneller und billiger loszuwerden, stoßen ebenfalls auf Kritik des Mieterbundes. So soll bereits gekündigt werden können, wenn der Mieter mit der Zahlung seiner Kaution in Verzug ist. "Neue Kündigungstatbestände sind überflüssig", sagte Rips. Hierdurch werde nicht ein Mietnomadenfall verhindert. Wegen vielleicht rund 1000 Fällen von Menschen, die in betrügerischer Absicht eine Wohnung anmieten, könnten nicht 23 Millionen Mieter benachteiligt werden, sagte Rips

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