Finanzberatung:Kleiner Kunde, großer Banker

Fatale Abhängigkeit: Viele Sparer fühlen sich den Bankern unterlegen - und lassen sich falsche Produkte aufschwatzen. Eine Alternative sind freie Honorarberater.

Markus Zydra

Der Kunde ist 65 Jahre alt und möchte 80.000 Euro sicher für seinen weiteren Lebensweg anlegen. Der Finanzberater einer Großbank rät ihm, 60.000 Euro davon in geschlossene Fonds zu investieren. Es ist Dezember 2008, als der Mann das Angebot erhält. Mitten in der Finanzkrise, da Unternehmen weltweit ihre Investitionen zurückfahren, soll der Rentner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, unternehmerische Beteiligungen zeichnen.

Kundenberatung, istock

Ein Beratungsgespräch: Viele Kunden fühlen sich ihren Beratern unterlegen - und lassen sich deshalb zu zweifelhaften Investitionen verleiten.

(Foto: Foto: istock)

Ulf Niklas ist schockiert, als er das Angebot das erste Mal in Händen hält. Der Kunde hat den Geschäftsführer des Berliner Finanzplanungsbüros Niklas&Lehmann aufgesucht, um eine zweite Meinung einzuholen. "Geschlossene Fonds sind zurzeit besonders riskant, denn die Weltwirtschaft steckt in der Rezession", sagt Niklas. "Zudem sind die Provisionen für geschlossene Fonds hoch und deshalb zunächst für den Verkäufer lukrativ", so Niklas.

Deshalb würden sie auch gerne am Schalter angeboten. Der Berliner Finanzberater Niklas verdient hingegen nichts am Verkauf von Finanzprodukten, er verdient an einem Stundenhonorar für seine Beratung.

Aufgeschreckte Sparer

Honorarberater wie er sind in Mode. Die Finanzkrise hat viele Sparer aufgeschreckt, sie fühlen sich falsch beraten von ihrer Bank oder ihrem Finanzstrukturvertrieb. Denen gehe es zunächst um Provisionen, deshalb würden immer wieder neue Produkte verkauft, so der Vorwurf, der Niklas und vielen anderen Kollegen Kundschaft bringt.

Im April haben sie den ersten bundesweiten Honorarberatergipfel einberufen. Die Zunft verwaltet rund ein Prozent des gesamten Sparvermögens der Deutschen; dennoch haben die etablierten Banken und Vertriebe Angst vor der neuen Konkurrenz, die mit Objektivität und Vertrauen wirbt.

Da kommen Fälle wie der des 65-jährigen Rentners gerade recht. "Die Banken stehen aufgrund der Finanzkrise unter weiter gestiegenem Ertragsdruck im Privatkundengeschäft", sagt Niklas. Seit rund drei Jahren wächst die Kritik an der provisionsorientierten Finanzberatung in Großbanken und Finanzvertrieben. Einige höchstrichterliche Urteile des Bundesgerichtshofs und die europäische Richtlinie Mifid haben in dieser Zeit die Anlegerrechte gestärkt. So müssen Finanzberater offenlegen, wie viel sie beim Verkauf eines Produkts verdienen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was das Verbraucherschutzministerium plant - und warum Verbraucher sich immer noch falsche Produkte aufschwatzen lassen.

Eine Frage des Trauens

Das Verbraucherschutzministerium plant nun die Einführung von Mindeststandards bei der beruflichen Qualifikation und erweiterte Regressmöglichkeiten für Anleger. "Wir erleben einen Systembruch", sagt Felix Brem, Vorstand des Vermögensverwalters BN&Partner, der unabhängigen Finanzberatern ein Haftungsdach bietet. Doch der Systembruch kommt in kleinen Schritten daher. Brem berichtet von einer Situation, in der eine ältere Kundin ihm Vorhaltungen machte, weil er für seine Beratung 625 Euro berechnet hatte.

"Darüber müssen wir reden", hatte sie gesagt. Brem redete und erklärte der Frau, dass sie allein für ihren offenen Immobilienfonds, den der Hausbankberater empfohlen hatte, 10.000 Euro Provision bezahlte. "Das mit den 10.000 Euro wusste sie gar nicht, sie hat meine Rechnungsnote dann besser verstanden", sagt Brem. "Die Banken müssen das Spannungsfeld zwischen provisionsgesteuerten Verkaufsanreizen und anlegerorientierter Beratung aufarbeiten."

"Falsches Unterlegenheitsgefühl"

Dennoch verwundert es, dass viele Kunden immer noch relativ leichtfertig teure und ungeeignete Finanzprodukte kaufen. Sind diese Sparer nicht selbst schuld, wenn sie sich etwas aufschwatzen lassen? Schließlich gab es gerade in letzter Zeit viele Berichte über Falschberatung in Banken - beispielsweise im Fall der Lehman-Zertifikate. "Kunden trauen sich einfach nicht, nach den konkreten Produktkosten zu fragen oder Anlagevorschläge schlicht abzulehen", so die Erfahrung von Niklas.

Dies resultiere im Wesentlichen aus dem "falschen fachlichen Unterlegenheitsgefühl gegenüber dem Berater". Der deutsche Bankkunde sei traditionell sehr konservativ bei der Wahl seines Beraters und seiner Bank. "Erst die jüngere, sehr leistungskritische Generation zwischen 30 und 50 Jahren bricht mit dieser Tradition - in den vergangenen sechs Monaten mit rasant zunehmender Geschwindigkeit", sagt Niklas.

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