Finanzberatung:Beipackzettel mit Nebenwirkungen

Banken am Pranger: Verbraucherschützer kritisieren die gesetzlichen Standards für die Finanzberatung. Sie pochen auf verbindliche Vorgaben für die Gesprächsprotokolle.

D. Stawski

Im vergangenen Jahr haben Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) und der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen noch lachend für die Pressefotografen posiert. Sie hatten das gleiche Ziel: "Weg mit dem Finanzschrott", stand auf den Transparenten. Und endlich eine bessere Beratung für die Bankkunden, damit sich nicht wiederholt, was es schon einmal gab: Wütende Anleger, die in viel zu riskante Anlagen investierten und zusehen mussten, wie sie ihr Geld verloren. Gemeinsam gaben Aigner und Billen das Ziel vor, zum Beispiel beim Weltverbrauchertag im März 2009. Am Ende sollte ein besseres "Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes" stehen.

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Verbraucherschützer kritisieren die Beratung der Banken. Hier ein Blick auf die Bankentürme in der Innenstadt von Frankfurt am Main.

(Foto: dpa)

Jetzt lacht Gerd Billen nicht mehr, wenn er über Ilse Aigner und ihren Gesetzesentwurf spricht. "Ist das ein Gesetz zum Anlegerschutz oder ein Gesetz zur Verhinderung von scharfen Anforderungen an die Finanzindustrie?", fragt er heute. Der Verbraucherschützer sieht in dem Gesetzesentwurf, an dem auch das Bundesfinanzministerium mitarbeitete und der voraussichtlich am 21. Juli vom Bundeskabinett verabschiedet wird, "ganz eklatante Schwächen". Konkret kritisiert Billen die Vorgaben für den "Beipackzettel" von Finanzprodukten und die Regeln für die verpflichtenden Protokolle von Beratungsgesprächen.

Der Beipackzettel, einst gedacht als Prestigeprojekt der Verbraucherschutzministerin, soll einem Entwurf des Gesetzes zufolge die Risiken des Produkts und "alle mit der Anlage verbundenen Kosten" aufführen. Billen findet solche Formulierungen zu unkonkret: "Es gibt keine Vorgabe, was genau in dem Beipackzettel stehen muss", kritisierte er am Donnerstag in Berlin. "Man kann so etwas nicht den Unternehmen überlassen, das muss gesetzlich geregelt werden." Außerdem forderte er, dass der Beipackzettel im Internet veröffentlicht wird, sobald ein neues Produkt auf den Markt kommt, damit der Kunde nicht erst davon erfährt, wenn er ein Beratungsgespräch führt. Andernfalls würde verhindert, dass Verbraucher vorab Angebote vergleichen können.

Zweiter Kritikpunkt der Verbraucherschützer sind die Vorgaben zum Beratungsprotokoll. Das soll den Kunden, falls es zum Streit mit der Bank kommt, auch als Beweismittel dienen. Bei Anlageberatungen sind solche Protokolle seit 1.Januar 2010 Pflicht. Doch nach den Erfahrungen in der ersten Jahreshälfte kritisieren Verbraucherschützer, dass das Ziel verfehlt wurde. Die Protokolle ließen meist nicht erkennen, "wie das Beratungsgespräch tatsächlich abgelaufen ist". Billen will, dass es verbindliche Vorgaben für das Protokoll gibt.

"Ich fordere, dass die Minister Schäuble und Aigner den Verbraucherschutz stärker stützen", sagte der Verbraucherschützer. Bislang werde Rücksicht genommen auf die Interessen der Banken, die alles versuchten, "um Verbesserungen zu verhindern".

Hauptsache, die Beratung stimmt

Zwei Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers lassen sich den Verbraucherschützern zufolge zwar leichte Verbesserungen im Bankgeschäft beobachten. Gerade die Privatbanken, die meisten von ihnen arbeiten nach dem Honorarmodell, hätten erkannt, dass eine langfristige Kundenbindung nur erreichbar sei, wenn die Beratung stimme. In weiten Teilen des Finanzmarktes herrschten aber "Zustände wie im Wilden Westen", sagte Billen. Bewusst würden von Seiten der Banken Informationen nicht transparent gemacht. Die Beratung nach dem Provisionsmodell sei überholt, sie führe nur zu Interessenkonflikten zwischen den Beratern und den Kunden. "Wo Finanzberatung draufsteht, darf keine Provision drin sein."

Kritik äußern die Verbraucherschützer auch an den in den Banken üblichen Verkaufszielen für Mitarbeiter. Jüngst hatte es Streit über die Forderung von Verdi gegeben, Bankberater durch tarifliche Regelungen vor Verkaufsdruck zu schützen. Die Arbeitgeber kritisierten, dass es nicht eine Frage der Tarifpolitik sei, Vertriebsmaßnahmen von Banken festzulegen.

Gerd Billen hat noch Hoffnung. Inzwischen hat er der Verbraucherschutzministerin einen Brief geschrieben. Er hoffe doch sehr, dass der Entwurf zum Anlegerschutzgesetz von ihr und dem Finanzminister nochmals überdacht werde. Solange das aber nicht passiert, lässt er das Lachen bei dem Thema sein.

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