Finanzamt: Selbstanzeigen:Lukrative Bekenntnisse

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Eine Welle von Selbstanzeigen schwappt über die Finanzämter. In einem der nördlicheren Bundesländern ist die Zahl besorgter Steuerhinterzieher besonders hoch.

Hans Leyendecker

Im Norden der Republik läuft ein öffentliches Wettrennen um die Selbstanzeigen von Steuersündern. Potentielle Steuerhinterzieher werden gelockt. Fast täglich melden Ministerien unter Verweis auf noch nicht ausgewertete Steuer-CDs neue Zahlen; das Thema ist den Sendern im Norden fast so wichtig wie das fehlende Streusalz auf den Straßen.

Es gibt in der Republik ein Missverhältnis zwischen der Erwartung der Öffentlichkeit von der Wucht solcher Datenträger und der banalen Realität. (Foto: Foto: AP)

Ende der Woche war die Zahl der Selbstanzeigen in Norddeutschland auf insgesamt 180 gestiegen. Niedersachsen ist mit 143 Meldungen fast uneinholbar weit vorn. Hamburg liegt mit nur zehn Selbstanzeigen ungewöhnlich bescheiden im Rennen.

Auch die Nordlichter aus Schleswig-Holstein haben nicht viel zu bieten, aber sie verfügen seit kurzem über eine Wunderwaffe: Eine eigene CD mit 363 Datensätzen. Ende vergangenen Jahres traf die Scheibe gemeinsam mit einem anonymen Schreiben beim Finanzamt Elmshorn ein. Angeblich hat ein Steuersünder, so steht es in der Anzeige, in der Schweiz eine Million Euro Schwarzgeld versteckt.

Vage Antworten

Die Scheibe stehe im Zusammenhang mit der Schweiz-Affäre und werde ausgewertet, sagte ein Sprecher des Kieler Finanzministeriums. Zum Umfang möglicher Nachzahlungsforderungen könne er noch nichts sagen. Jedenfalls rechne das Ministerium mit weiteren Selbstanzeigen.

Auf Fragen der SZ nach weiteren Details verhielten sich Kieler Ministerialbeamte so, als würde der Fisch etwas riechen. Genaues lasse sich noch nicht sagen, das Steuergeheimnis, laufende Ermittlungen, Vergleich mit Kontrollmitteilungen... Auf die eigentlich einfach zu beantwortende Frage nach der Zahl möglicher Steuersünder auf dieser rätselhaften CD gab es vage Antworten.

Von "Namens-Doppelnennungen" war die Rede und dass es ganz bestimmt nicht nur einer sei, denn mit einem Fall wäre die Behörde niemals in die Öffentlichkeit gegangen. Wie viele, hundert vielleicht? Keine Antwort. Aber die Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Steuer soll, wie zu erfahren war, bei nur knapp einer halben Million Euro liegen. Da bringt normalerweise jede anständige Selbstanzeige mehr Geld.

Es gibt in der Republik, ausgelöst durch den Fall der 2008 bekannt gewordenen DVDs der Vaduzer LGT Treuhand, ein Missverhältnis zwischen der Erwartung der Öffentlichkeit von der Wucht solcher Datenträger und der banalen Realität. Im Fall Liechtenstein leitete die Staatsanwaltschaft Bochum 590 Ermittlungsverfahren ein und es wurden bislang 180 Millionen Euro Steuern nachgezahlt. Das sind 320000 Euro Einnahmen für den Fiskus pro Fall im Schnitt. Die DVDs kosteten 4,6 Millionen Euro. Im Fall der DVDs mit Daten der Credit Suisse, die Wuppertaler Steuerfahnder angeblich am Donnerstag für 2,5 Millionen Euro kauften, erwarten die Steuerbehörden bis zu 400 Millionen Euro.

Solche Datensätze sind so selten wie hochmoralische Schweizer Banker. Im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung wurden in den vergangenen Jahren den Behörden etliche Datenträger angeboten, doch die meisten taugten nicht, weil die Anbieter die Namen angeblicher Steuersünder von Grabsteinen abgeschrieben hatten, oder die Forderungen der Datenhändler waren unerfüllbar. In Baden-Württemberg streitet die Landesregierung über den Ankauf einer Datei mit Informationen über 1740 potentielle Hinterzieher. Insgesamt kalkuliert der Fiskus in diesem großen Fall nur mit Einnahmen von sechs bis sieben Millionen Euro. Bei der Selbstanzeige-Welle im Zusammenhang mit den Liechtenstein-DVDs 2008 waren allein in Baden-Württemberg 72 Millionen Euro nacherklärt worden und in die Staatskasse geflossen.

© SZ vom 13.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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