Ferienwohnungen:Ein Stück am Strand

Die Preise für Ferienwohnungen steigen, erst recht in der Corona-Krise. Für Einheimische wird das zu einem Problem.

Von Sabine Richter

Kaum waren im Sommer die Strände an Nord- und Ostsee nach dem Lockdown wieder geöffnet, wurden sie geradezu gestürmt. Die Bürgermeister waren nicht zu beneiden; sie wollten ihre Gäste nicht verprellen, kamen aber um drastische Maßnahmen wie Sperrungen von Ortsdurchfahrten und Aussperren von Tagesgästen nicht herum, um Sicherheitsabstände und Hygienevorschriften einzuhalten. Selbst die Eigentümer von Ferienimmobilien durften eine Zeitlang ihre Zweitwohnsitze nicht besuchen.

Doch schon vor Corona haben die Deutschen ihr Land als Ferienziel neu entdeckt. Laut Statistischem Bundesamt erreichte der Deutschlandtourismus 2019 einen neuen Höchstwert von 495 Millionen Übernachtungen. Viele Urlauber nutzten den Urlaub nicht nur zur Erholung, sondern auch, um in der Region nach einer passenden Ferienimmobilie zum Kauf zu suchen.

Schon vor der Corona-Krise brummte der Markt

Schon seit einigen Jahren brummt der Markt. Die Nachfrage ist hoch, Mieten und Preise steigen. "Neben den wiederentdeckten Reizen der Heimat liegen die Gründe in der guten Erreichbarkeit, fehlenden Sprachbarrieren, dem guten Gesundheitssystem. Zum anderen sind den Käufern im eigenen Land die Vorschriften und Vorgänge, die es bei einem Erwerb zu beachten gilt, besser bekannt ", erklärt Aye Helsig, Regional Director Central Europe bei Fewo-direkt. Und seit Corona seien zunehmend Ziele, die mit dem Auto erreichbar sind, gefragt. Seit 13 Jahren befragt das Ferienhausportal Fewo-direkt in Kooperation mit dem Maklerhaus Engel & Völkers jährlich Eigentümer von Ferienimmobilien nach ihren Motiven beim Immobilienerwerb, Preisen, Vorlieben bei der Standortwahl, Finanzierung und vielem mehr. Für die vor Kurzem erschienene Studie wurden im Januar 2020 etwa 1700 Eigentümer befragt. "Deutsche Immobilien gelten als stabile und sichere Wertanlage", sagt Kai Enders, Vorstandsmitglied der Engel & Völkers AG.

Ferienwohnungen und Häuser gibt es in allen touristisch interessanten Regionen. Im Norden sind die Küsten und die Inseln von Nord- und Ostsee die beliebtesten Standorte (Reihenfolge laut Befragten: Rügen, Usedom, Fehmarn, Sylt, Föhr, Borkum, Hiddensee, Darß). Im Süden Deutschlands sind es die bayerischen Seen und die Alpenregion. Im Inland seien zwei Drittel der Feriensitze Wohnungen, so Helsig.

So wie im gesamten Immobilienmarkt gab es während des Lockdowns zwar wenige Besichtigungen. Nachfrage und Preistrend seien aber intakt, so Kai Enders. "Ferienhäuser in den besten Lagen der Bundesrepublik werden ein rares Gut bleiben, an Nord- und Ostsee rechnen wir im Schnitt mit Preissteigerungen von fünf Prozent und mehr".

Wolfgang Ullrich, Geschäftsführer der LBS Immobilien GmbH, prognostiziert für Schleswig-Holstein sogar eine durchschnittliche Preissteigerungen von acht Prozent pro Jahr. Die LBS untersucht in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Forschungsinstitut F+B regelmäßig den Schleswig-Holsteiner Ferienimmobilienmarkt. Die anhaltend hohe Nachfrage gebe Verkäufern keinen Grund, Preiszugeständnisse zu machen, so Ullrich. "Die niedrigen Zinsen tragen auch in diesem Segment dazu bei, dass Spargeld oder Ererbtes in eine Immobilie investiert werden, zumal sie in gefragten Urlaubsgebieten aufgrund ihrer guten Vermietbarkeit ein attraktives Investment sind".

Sommerferien an der Ostsee

In Deutschland gehören die Nord- und Ostsee zu den beliebtesten Urlaubsregionen. Entsprechend steigen die Preise für Ferienimmobilien.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Günstig sind Immobilien an den deutschen Küsten schon lange nicht mehr. "Der Quadratmeter unter 1000 Euro, wie es das in bestimmten Regionen noch vor wenigen Jahren gab, ist nirgends mehr zu haben", so Ullrich. "An den Top-Standorten haben die Kaufpreise ein Niveau erreicht, das die Spitzenpreise in deutschen Metropolen erreicht oder sogar übersteigt." Im Hinterland, beispielsweise im zu Büsum gehörenden Dithmarschen, seien zwar immer wieder günstige Katen oder Bauernhäuser im Angebot, die Naturliebhaber sanieren und zu einem Feriensitz umbauen könnten. Aber auf dem klassischen Ferienimmobilienmarkt sind die Preise in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Laut Marktbericht von Engel & Völkers kostete eine Ferienimmobilie 2009 im Schnitt 183 000 Euro. Aktuell sind es bereits 222 000 Euro.

Dabei differieren die Preise je nach Ort und Lage erheblich. Wer von seiner Wohnung direkt auf die Wellen schauen möchte, zahlt fast einen Aufschlag von hundert Prozent. Während sich beispielsweise auf Rügen die Preise für Eigentumswohnungen in sehr guter Lage (Wohnung mit direktem Meerblick vom Balkon) zwischen 5500 und 10 000 Euro pro Quadratmeter bewegen, sind es in guter Lage (zweite Reihe, aber zentral gelegen) 3000 bis 4000 Euro. Auf den Inseln wie Amrum oder Wangerooge werden laut Engel & Völkers für einen Quadratmeter Wohnfläche in guten Lagen bereits bis zu knapp 8000 Euro gefordert. Für ganz besondere Wohnungen beispielsweise auf Sylt oder Norderney werden auch Liebhaberpreise bis 21 000 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Bei Häusern reichen Engel & Völkers zufolge die Preise bis zu 15 Millionen Euro, für Ausnahmeobjekte sogar bis zu 27 Millionen. Die niedrigsten Einstiegspreise in sehr guten Lagen sind in der Region Wismar/Insel Poel zu beobachten. Diese liegen bei etwa 4000 Euro. Vor allem dort, wo es noch Neubaupotenziale gibt, steigen die Preise weniger schnell.

Jede Wohnung, die für Touristen vorgesehen ist, geht dem Mietmarkt verloren

"Von der Traumvorstellung des Feriensitzes direkt am Wasser müssen sich die meisten Interessenten aufgrund des hohen Preisniveaus in der Regel verabschieden", sagt Ullrich. "Alternativ wird dann gern eine Wohnung mitten im Ort gekauft, und man fährt mit dem Rad zum Strand. Allerdings müssen Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Freizeitmöglichkeiten bequem erreichbar sein."

Das Angebot kommt mit der Nachfrage nicht mit. Denn es wird längst nicht mehr so viel gebaut wie früher. Besonders die Neubaumöglichkeiten auf den deutschen Nord- und Ostseeinseln seien an natürliche Grenzen und immer öfter an rechtliche Vorschriften gebunden, so Engel & Völkers.

Vielerorts wird die steigende Anzahl von Ferienimmobilien zu einem großen Problem. Denn jede Wohnung, die für die Vermietung an Touristen vorgesehen ist, geht dem normalen Mietmarkt verloren. Die Folge: Viele Einheimische finden keine bezahlbare Bleibe. Das Angebot an Wohnungen schrumpft, die Mieten steigen. "Jede neue Wohnung, die entsteht, sollte jetzt vorrangig dem Wohnungsbau dienen", sagt daher Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Kommunen, fordert der Verband, sollten Obergrenzen für die Zahl von Ferienwohnungen festlegen. "Es gehört zur kommunalen Daseinsvorsorge, Einheimischen die Möglichkeit zu bieten, auch vor Ort und nah am Arbeitsort wohnen zu können", sagt Breitner. Der Tourismus diktiere schon heute den kommunalen Alltag in den Nord- und Ostseebädern. Oft sei für Eigentümer die Vermietung an Touristen lukrativer. "Verliererinnen und Verlierer sind diejenigen, die in den touristisch nachgefragten Städten und Gemeinden des Landes eine Wohnung zur Eigennutzung suchen", sagt Breitner.

Viele Küstengemeinden wollen die Zahl der Ferienwohnungen daher begrenzen. So sind zum Beispiel nur fünf Prozent der 600 neuen Wohnungen und Häuser, die in den Schlei-Terrassen in Kappeln in einem ehemaligen Marinearsenal entstehen, zur Feriennutzung erlaubt, berichtet Julian P. Heller von Heller & Groß Immobilien. Die Zweitwohnungssteuer ist zwar eine wichtige Einnahme für die Kommunen, aber die Rollladensiedlungen sind städtebaulich immer öfter unerwünscht. In Sierksdorf zum Beispiel gibt es bei 1600 Einwohnern 1500 Zweitwohnungen, die teilweise in die Vermietung gehen. Manche Städte versuchen, neue Ferienwohnungen an baulich verträgliche Orte zu lenken, in Travemünde zum Beispiel der Priwall oder der Fischereihafen.

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Wer den Traum vom Ferienhaus wahr machen will, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Und mit Widerständen rechnen, denn nicht überall sind Immobilienkäufer willkommen.

(Foto: Ralf Gosch/imago)

Wie im normalen Wohnimmobilienmarkt führt auch hier das hohe Preisniveau zu Überlaufeffekten, das heißt, Käufer weichen auf Lagen außerhalb der teuren Ferienzentren wie Travemünde oder Timmendorfer Strand aus. An bisher günstigeren Standorten in der Lübecker Bucht wie zum Beispiel Dahme, ziehen die Preise dann in der Folge dann ebenfalls an, so Ullrich.

Früher wurde das Häuschen am See als Rückzugsort gekauft, heute als Anlageobjekt

Diente das Häuschen an der See vor einigen Jahren hauptsächlich als persönlicher Rückzugsort und Altersruhesitz, werde das Feriendomizil in Zeiten von Minizinsen immer mehr zum Anlageobjekt, so Aye Helsig. Die Immobilien werden also immer häufiger vermietet statt selbst genutzt. Laut der Befragung von Fewo-direkt startete vor fünf Jahren knapp die Hälfte der Befragten gleich nach dem Kauf mit der Vermietung an andere Besucher, im vergangenen Jahr waren es im Inland fast 90 Prozent. 2018 lag die durchschnittliche Auslastung in Deutschland bei 27 Wochen (Nordsee: 26 Wochen, Ostsee: 23 Wochen.) Renditeaspekte spielen vor allem in den einfacheren Lagen eine Rolle, berichtet Engel & Völkers. Bei Top-Objekten stehe die Eigennutzung im Vordergrund.

Die Fewo-direkt-Studie hat bei Inlandsferienimmobilien eine durchschnittliche Nettorendite von 4,5 Prozent errechnet sowie jährliche Mieteinnahmen von durchschnittlich 12 800 Euro. Die Werte schwanken aufgrund unterschiedlicher Standorte, Immobiliengrößen und Vermietungszeiträume sehr stark. So könne eine 80-Quadratmeter-Wohnung für vier Personen im Sommer auf Sylt bis zu 300 Euro Miete am Tag kosten, in Kampen sogar bis zu 500 Euro, während auf Fehmarn auch im August oft nur 150 Euro zu zahlen sind, erklärt Göran Holst, Vorstand beim deutschen Ferienhausverband und Geschäftsführer vom Ferienhausvermieter Travanto. Wie beim normalen Immobilienkauf ist das Investment, vor allem bei den hohen Preisen, nicht ohne Risiko. So ist schwer abzuschätzen, wie sich der Tourismus in Deutschland tatsächlich entwickeln wird und welche Mieten in Zukunft zu erzielen sind. "Viele Käufer vergessen bei der Berechnung der Rendite außerdem die Kosten für die Vermietung, Verwaltung und Reinigung", sagt Holst. Als Faustregel gelte, dass dafür etwa 18 Prozent der Einnahmen ausgegeben werden müssten, wobei der größte Teil für die Vermittlung fällig werde. Die Endreinigung werde dagegen regelmäßig zu Lasten der Gäste berechnet. Ratsam sei, die Vermietung und Verwaltung Profis zu überlassen. Wer seine Immobilie nicht primär zur Selbstnutzung kaufe, solle unbedingt drei wesentliche Kriterien beachten, empfiehlt Kai Enders: eine gute Lage mit guter Infrastruktur, eine stabile Urlaubernachfrage in der Region und eine moderne Ausstattung.

Ob Zahlungsausfall oder Vandalismus: Die ständig wechselnden Mieter können Eigentümern außerdem das Leben schwer machen. Und, wie die Fewo-Studie bestätigt: Die Erwartungen der Gäste steigen. Mit einer spärlich ausgestatteten Küche oder einer zusammengewürfelten Wohngarnitur lockten Vermieter von Ferienunterkünften heute keinen Urlauber mehr. Funktionierendes WLAN und ein moderner Fernseher sind heute fast unumgänglich. Geschirrspülmaschine und Waschmaschine sind gern gesehene Extras. Für das Erzielen von Spitzenmieten kann auch eine Sauna oder ein Pool hilfreich sein.

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