Feng Shui:Her mit dem "Chi"

Will der Mensch in Harmonie mit seiner Umgebung leben, muss er erst einmal ordentlich aufräumen: Zu viel Krempel hemmt den Energiefluss, ach, viel schlimmer, er verstopft den ganzen Körper.

Von Kirsten Niemann

Was heißt das, wenn eine Wohnung im Zeichen des "Fu Mu San Ban Gua" steht? Das ist Chinesisch. Mit anderen Worten heißt das: Die Wohnung ist spitze. So lautet zumindest das Urteil von Robert Schmitz. Er ist Feng Shui-Berater. Mit seinem Lo Pan, dem Kompass, misst er die Koordinaten von Wohnhäusern.

Für die Auswertung der Daten spielen die Dispositionen des Gebäudes - etwa die Himmelsrichtungen, oder ob das Haus auf einem Hügel steht, und das Baujahr eine genauso große Rolle wie die individuelle Disposition des Bewohners und dessen Geburtshoroskop nach chinesischer Astrologie.

Robert Schmitz versteht etwas von seinem Fach. Der Gründer des Feng Shui Research Centers Berlin arbeitet seit sieben Jahren als Feng Shui-Berater, vor zwei Jahren hat er von seinem Lehrer Joseph Yu den Meistertitel verliehen bekommen. Er hat auch die Autorin dieses Beitrags beraten, wie sie Feng Shui in ihrem Berliner Domizil anwenden kann.

Weg mit dem Krempel

"Sie haben sehr viel Krempel, Sie müssen aufräumen", so lautet häufig Herrn Schmitz' erster Tipp. Die Postkartensammlung, eingestaubte Erbstücke, Bücher, Fotos - nichts als kitschiger Ballast, der nur den Energiefluss hemmt.

Ach, schlimmer noch: "Der Besitz von Krempel verstopft den Körper", schreibt die britische Feng Shui-Expertin Karen Kingston in ihrem Bestseller "Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags". Da heißt es außerdem: "Krempelfreaks bewegen sich im Allgemeinen zu wenig, leiden oft unter Verstopfung, haben einen grauen, matten Teint und kein Leben in ihren Augen." Oh je! Denn darum geht es vor allem beim Feng Shui: positive Energie, das so genannte "Chi" zu sammeln.

Chi aufhalten und abfließen lassen

Ebenso wichtig ist es, dass dieses "Chi" auch wieder abfließt, damit keine schlechte, abgestandene Atmosphäre in den Räumen entsteht. Auch sollte das "Chi" nicht einfach so durch die Räume hindurchjagen, sondern durch die richtige Anordnung von Möbeln und Wohnaccessoires den Raum sanft durchstreifen.

Ein weiterer Rat des Feng Shui Beraters lauten: "Besonders den Balkon sollten Sie aufräumen, und rot streichen." Robert Schmitz empfiehlt auch bisweilen, einen Springbrunnen auf dem Balkon aufzustellen. "Sie mögen keinen Springbrunnen?

Kein Problem: Gestealten Sie Ihren Balkon lustig und bunt und stecken Sie Dinge in die Blumenkästen, die sich bewegen."

Psychologie des Erfolgsmenschen

Längst hat sich die 2500 Jahre alte taoistische Lehre auch bei uns etabliert: Wo der auf Stil bedachte Mensch sich früher den Rat vom Innenarchitekten holte, setzt er heute auf Feng Shui-Berater.

Feng Shui ist die Psychologie des modernen Erfolgsmenschen. Denn längst sind es nicht mehr nur Esoteriker, die sich für ein paar hundert Euro ihre Möbel umstellen lassen. Obwohl es noch keinen einzigen Beleg für die Wirksamkeit von Feng Shui gibt, hegen die Anhänger nicht den Hauch eines Zweifels. Madonna, Bill Clinton, George Bush - können die irren?

Wenig Skeptiker

So wie immer mehr Schulmediziner im Sinne der Ganzheitlichkeit mit Handauflegen und Bachblüten behandeln, werben auch Architekten heute gerne mit einer Feng-Shui-Ausbildung.

Der Diplomingenieur und Architekt Gerd Aldinger rät seinen Kollegen davon ab. "Jemand, der eine fundierte Ausbildung in diesem Metier hat, kann doch nicht ernsthaft einem Bauherren erzählen, er müsse den Toilettendeckel schließen, damit der Wohlstand nicht abfließt", wundert er sich in einem Artikel für die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, einem Verein, in dem über 700 Wissenschaftler das kritische Denken predigen.

Skeptiker wie Aldinger sind selten und Feng Shui hält überall Einzug. Inzwischen gibt es auch Feng Shui-Hotels. Statt Fotos von Fassade, Bett und Nachtkästchen zeigen entsprechende Websites, wie es sich dort mit dem Yin und dem Yang verhält.

Positive Energie im Büro

Nicht nur Norman Fosters Reichstagskuppel hat ein gutes Feng Shui. Im Jahr 2001 hat Münchens Oberbürgermeister Christian Ude gemeinsam mit Jes Lim, dem derzeit wohl bekanntesten Feng-Shui-Guru, den Grundstein zum ersten nach den alten chinesischen Regeln gebauten Bürokomplex in Europa gelegt. Der Bürokomplex steht in der Carl-Wery-Straße und heißt Aviva München. Hier hat inzwischen die Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH ihre neue Hauptverwaltung eingerichtet.

Keine Musterhaussiedlung kommt ohne Feng Shui-Fertighaus aus. In Franken entsteht eine ganze Feng Shui-Siedlung: In Scheinfeld wird mit Wünschelruten nach rechts- und linksdrehenden Wasseradern, Elektrosmog und anderem Erdstress gefahndet.

Aber was ist Elektrosmog eigentlich? Bislang gab es noch keine wissenschaftlichen Belege dafür. "Die durch Feng Shui-Experten geschürte Angst vor Elektrosmog hat eine durchaus antiökologische Komponente", schreibt Aldinger. "Feng Shui hat absolut nichts mit Ökologie zu tun."

Warnung vor Energielampem

Energieverschwendung werde oft sogar ausdrücklich empfohlen. So warne der Feng Shui-Guru Jes Lim ausdrücklich vor Energiesparlampen, die seiner Meinung nach auch Haarausfall bewirken können. In China war es sogar vorgekommen, dass Bergspitzen abgetragen und Flüsse umgeleitet wurden, um ein günstigeres Feng Shui zu erzielen. Maßnahmen, die unter ökologischen Gesichtspunkten kaum zu vertreten sind.

Berater breiten sich aus

Feng Shui für alle Lebenslagen: Ob für Babys, Manager oder Katzen - was für ein Hype! Aber was verbirgt sich noch hinter dem Begriff? Im Internet wimmelt es von Einträgen. Seit 1997 gibt es sogar einen "Berufsverband für Feng Shui und Geomantie", der dem Missbrauch vorbeugen und zur "Förderung eines neuen europäischen Berufsstandes" stehen möchte. Dabei fällt auf, dass sich die Berater längst nicht mehr damit begnügen, ihren Kunden Empfehlungen zu geben. Sie bilden ihrerseits immer wieder neue Feng Shui-Berater aus. Das Netz quillt über von Fotos mit Abschlussklassen.

Auffallend ist der hohe Frauenanteil bei den Seminaren. An dieser Stelle sollte die Frage erlaubt sein: Warum können sich deutsche Hausfrauen in wenigen Wochen die Kompetenz für eine Methode aneignen, für die Chinesen mehrere Jahrzehnte brauchen?

Logische Einrichtungstipps

Robert Schmitz, der einst als diplomierter Stadtplaner tätig war, widmet sich nun bevorzugt dem Innenleben von Häusern. Manche Empfehlungen des Feng Shui-Beraters klingen tatsächlich einleuchtend. So riet er seiner Klientin, ihren Schreibtisch so zu positionieren, dass sie die Tür im Blickfeld hat. "Wer mit dem Rücken zur Tür sitzt, arbeitet unruhiger."

Fragwürdige Positionen

Doch manche Tipps lassen auch gesunde Skepsis aufkommen. Der Vorschlag des Feng Shui-Beraters: "Sie sollten sich eine Kalebasse auf das Fensterbrett stellen." Der doppelbauchige Wasserkürbis könne die negative Schwingung der Fünferenergie auffangen, die durch das Fenster hineinschwappe. Sie sei verantwortlich für Krankheiten und Übergewicht. Auch der Spiegelschrank vor dem Bett sei nicht gut, sagt er. Am besten solle das Bett vor das Fenster gerückt weden. Das bringe Kreativität in den Job und Romantik in die Beziehung.

Die Autorin zweifelt an diesen Ratschlägen. Aber egal. Sie räumt auf, bringt die Flaschen weg, trägt den Müll runter und kauft Windrädchen und Luftballons für den Balkon. Ein Versuch, den Schrank zu verschieben, endet damit, dass er schief steht.

Abends kommt der Partner zu Besuch. "Wir sollen unter dem Fenster schlafen? Bist du irre?", sagt er und fährt wieder nach Hause. Soviel also zu Feng Shui und Romantik.

Literatur:

Gerd Aldinger: "Feng Shui, die Kunst des gesunden Wohnens?", Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP).

Karen Kingston: "Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags. Richtig ausmisten. Gerümpelfrei bleiben", Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2003, 139 S., 9,90 Euro.

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