Süddeutsche Zeitung

Fehlerhafte Steuererklärung:Rentner vergisst Rente

Ein 66-Jähriger gibt seine erste Steuererklärung als Rentner ab - und vergisst prompt, neben anderen Einkünften auch seine Rente anzugeben. Das Finanzamt lässt keine Gnade walten.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Hans Müller hält sich für "einen ehrlichen Menschen". Er habe nie ein Problem damit gehabt, seine Steuern zu zahlen, sagt er. "Wer Steuern hinterzieht, muss auch bestraft werden." Der Psychologe hätte deshalb nie gedacht, dass er selbst einmal mit dem Finanzamt Ärger bekommt. Nun hat er ihn - und ist überrascht, "mit welcher Härte und Konsequenz gegen mich vorgegangen wird, die ich bei der Behandlung von Fällen, in denen vorsätzlich und bewusst Steuern hinterzogen werden, oft vermisse".

Es ist die Geschichte eines kleinen Steuerzahlers, die so oder so ähnlich vielen anderen Bürgern passieren könnte: Der 66-jährige Münchner, der seinen richtigen Namen lieber nicht nennen will, ist seit 1. August 2013 Rentner. Er bezieht neben dem gesetzlichen Altersgeld eine Betriebsrente und eine Riester-Rente. Als er nun 2014 erstmals eine Steuererklärung als Ruheständler zusammen mit seinem Steuerberater einreichte, leistete er sich allerdings einen schweren Fehler: Müller gab seine Zusatzrenten an, nicht aber die gesetzliche Rente.

"Ich habe das schlicht übersehen. Es war ja auch zum ersten Mal", sagt er. Dies habe auch daran gelegen, dass die gesetzliche Rentenversicherung - anders als etwa der Träger der Betriebsrente - nicht automatisch, sondern nur auf Antrag ein Formular über die im letzten Jahr erhaltenen Altersbezüge verschickt. Jedenfalls fehlten die Angaben über Rentenbezüge in Höhe von insgesamt 9524 Euro, und das fiel auch Müllers Steuerberater nicht auf.

Nun muss man wissen, dass die Finanzämter ohnehin über sämtliche Renten informiert sind. Das erfahren Ruheständler bereits in ihrem Rentenbescheid und später auch bei jeder Rentenanpassung. Darin heißt es im Kleingedruckten klipp und klar: "Wir sind verpflichtet, die gezahlten Rentenbeträge jährlich der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) zu melden. Die Daten werden von dort an die Finanzverwaltungen der einzelnen Bundesländer übermittelt." Dies sei ihm bewusst gewesen, sagt Müller. "Zu versuchen, hier Steuern zu hinterziehen, hätte deshalb doch gar keinen Sinn ergeben."

Für sein Finanzamt zählten jedoch nur harte Fakten: Die Behörde leitete zunächst ein Steuerstrafverfahren ein und rechnete vor: 9524 Euro an Rentenbezügen habe Müller nicht angegeben. Davon seien 6285 Euro zu versteuern. Die Einkommensteuer sei somit um 2785 Euro verkürzt worden. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle erklärte sich aber bereit, das Verfahren "ohne Eintrag in das Bundeszentralregister" einzustellen, wenn Müller ein Bußgeld von 2000 Euro zahlt.

Der Psychologe hält dies bis heute für "nicht angemessen". Sein Steuerberater intervenierte. Er selbst beschwerte sich und erklärte sich bereit, eine "nennenswerte Spende" an die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" zu zahlen. Darauf ließ sich das Finanzamt allerdings nicht ein. Ein Sachbearbeiter teilte ihm mit, dass schon der Versuch, bei einer Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Angaben zu machen, strafbar sei. "Die Finanzämter haben dabei keinen Ermessensspielraum." Auch eine Spende anstelle eines Bußgeldes sei nicht möglich, denn Geldauflagen seien "grundsätzlich der Staatskasse zuzuleiten, da auch der Staat der Geschädigte einer Steuerverkürzung ist".

Bleibt die Frage, ob sein Steuerberater, der lieber anonym bleiben will, wegen der unvollständigen Angaben für den Schaden aufkommen muss. Wenn er von der Rente wusste, müsse er für die fehlerhafte Beratung beim Erstellen der Steuererklärung haften, sagt der Rechtsanwalt und Steuerberater Ulrich Derlien von der Kanzlei Sonntag & Partner. "Dies umfasst nicht die Steuer, denn dies wäre auch so entstanden, aber er haftet für alle Schäden daraus, also für Zinsen, Zuschläge oder Strafzahlungen."

Komplizierter wird es, wenn er von der Rente nichts wusste. Dann komme es darauf, "ob er es hätte wissen müssen oder können", erläutert Derlien und fügt hinzu: "Sicherlich hat der Steuerberater eine Nachfragepflicht, wenn die Lohneinkünfte - zumeist ja auch während des Jahres - enden und danach keine Einkünfte mehr mitgeteilt wurden". Andererseits sei es schon die Pflicht des Steuerzahlers, die Sachverhalte mitzuteilen, die steuerlich für ihn relevant sein könnten.

So oder so - Steuerzahler können aus dem Fall des Rentners Müller eines lernen: Auch ein kleines Versäumnis kann für sie schnell eine ziemlich teure Angelegenheit werden.

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SZ vom 08.11.2014/bero
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