Fannie Mae und Freddie Mac:Mit der Wucht eines Hammers

Als er an der Wall Street war, wollte Hank Paulson so wenig staatliche Regulierung wie möglich, als US-Finanzminister rettet er nun zwei riesige Banken vor dem Kollaps

N. Piper

"Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es notwendig ist, zu handeln." Dieser ein wenig bürokratisch klingende Satz leitete am Sonntag das bis vor kurzem noch Unvorstellbare ein. Vormittags um elf Uhr trat Finanzminister Hank Paulson vor die Presse und verkündete die bisher radikalste Maßnahme zur Eindämmung der Finanzkrise: Die Regierung wird Fannie Mae und Freddie Mac unter Staatskuratel stellen. Die beiden riesigen Hypothekenbanken garantieren Hauskredite im Gesamtwert von 5,2 Billionen Dollar - knapp die Hälfte des Marktes. Damit hängen seit Montag Millionen Hausbesitzer in Amerika direkt von der Regierung ab.

Paulson, AP

US-Finanzminister Paulson hat die beiden angeschlagenen US-Hypothekenversicherer Fannie Mae und Freddie Mac und staatliche Zangsverwaltung gestellt.

(Foto: Foto: AP)

Hank Paulson ist kein großer Kommunikator. Bei der Pressekonferenz las er die Begründung für seinen Schritt mit kratziger Stimme ab, den kahlen Schädel immer wieder tief über sein Rede-Manuskript gebeugt. Einen Satz, der die Finanzmärkte beruhigen soll, presste er regelrecht heraus: "Keine unserer heutigen Maßnahmen ist Ausdruck einer veränderten Meinung über die Korrektur des Immobilienmarktes oder die Stärke der anderen Finanzinstitute in den USA." Das soll heißen: Die Lage ist ernst, aber nicht ernster als vorher.

Die Beruhigung wäre gar nicht notwendig gewesen. Weltweit sind die Anleger froh, dass die amerikanischen Steuerzahler Fannie und Freddie vor dem Bankrott retten. Bei der Börseneröffnung am Montag in New York springt der Dow Jones um 286 Punkte in die Höhe.

Die globale Finanzkrise geht nun in ihr zweites Jahr, und es sind vor allem zwei Männer in Washington, von denen es abhängt, wie lange sie noch dauern wird: Der Präsident der Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke, und eben Hank Paulson. Bei einem Redaktionsbesuch der New York Times vor einem Monat verglich sich der Finanzminister mit Hiob, jenem Mann aus dem Alten Testament, der die schlimmsten Katastrophen seines Lebens mit Gottvertrauen erträgt.

Alle nennen ihn "Hank"

Vielleicht bleibt nur Sarkasmus, wenn die eigene Karriere eine so seltsame Wendung nimmt wie die des Henry Merritt Paulson, den alle nur "Hank" nennen. Hätte ihm vor zwei Jahren nicht Joshua Bolten, der Stabschef von George W. Bush, den Job des Finanzministers angeboten und hätte Paulson nicht ja gesagt, dann wäre sein Leben nun viel angenehmer. Er säße weiter an der Spitze von Goldman Sachs, der einzigen Wall-Street-Bank, die die Krise bisher unbeschädigt überstanden hat, er würde einen zweistelligen Millionenbetrag verdienen, und er müsste nicht Entscheidungen treffen, die seinen marktwirtschaftlichen Überzeugungen zuwiderlaufen.

Aber Paulson sagte ja und übernahm am 3. Juli 2006 den Job in der Treasury. Seine Aufgabe schien klar zu sein: aus dem Rest der Präsidentschaft von Bush etwas Gescheites zu machen. Dessen Wirtschaftsteam war bis dahin bemerkenswert schwach gewesen, Paulsons Vorgänger, John Snow und Paul O'Neill, haben kaum Spuren hinterlassen. Paulson wollte die Wirtschaftsbeziehungen zu China verbessern, die mittelfristigen Risiken im Staatshaushalt angehen und die Regulierung der Finanzmärkte reformieren.

Der letzte Punkt entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn Paulsons Leitmotiv war nicht mehr, sondern weniger Staatsaufsicht. Als früherer Wall-Street-Banker war er davon überzeugt, dass sich die Branche am besten selbst reguliert. Das bekam seinerzeit Paulsons deutscher Kollege Peer Steinbrück zu spüren. Im Frühjahr 2007 saßen die Deutschen der G-7-Gruppe vor und hatten große Pläne: Sie wollten eine strenge, globale Regulierung von Hedgefonds und anderen Heuschrecken durchsetzen - ungefähr das Gegenteil dessen, was Paulson vorhatte. Das Verhältnis zwischen Steinbrück und Paulson soll damals dauerhaft Schaden genommen haben.

Lesen Sie weiter, welche Eigenschaft Paulson als Krisenmanager zugute kommt.

Mit der Wucht eines Hammers

Ein paar Monate später aber hatte der Chef der Treasury ganz andere Sorgen. Viele werfen Paulson heute vor, dass er die Schwere der Finanzkrise erst mit großer Verzögerung wahrgenommen hat. Robert Steel, ein früherer Mitarbeiter aus dem Ministerium, nimmt ihn gegen diesen Vorwurf in Schutz: "Als Hank nach Washington kam, ging er zum Präsidenten und sagte: Es gab seit langem an den Finanzmärkten keine Störungen mehr, da liegt deshalb viel trockener Zunder herum." Tatsache ist, dass Paulson im vergangenen Herbst, wie andere auch, nur von einer "Korrektur" oder einer "Neubewertung von Risiken" sprach - statt von einer Krise. "Es war nicht nur das Finanzministerium, die ganze Regierung hat geschlafen", sagt Nouriel Roubini, ein New Yorker Wirtschaftsprofessor, der die Krise exakt vorausgesagt hatte und dadurch berühmt wurde.

Aus heutiger Sicht macht sich Paulsons Krisenmanagement aus wie eine Eskalation. Es begann vor einem Jahr, als er Pläne einiger Großbanken unterstützte, faule Kredite in einen Fonds auszulagern. Das Projekt mit Namen "Super-SIV" ist heute längst vergessen. Es folgte der Entwurf für eine komplette Neuregulierung des Finanzsektors und ein Programm namens "Hope Now", in dem Banken unter staatlicher Aufsicht bedrängten Hausbesitzern günstigere Konditionen einräumten. Am Palmsonntag dieses Jahres folgte schließlich der große Tabubruch: Paulson und Bernanke organisierten die Rettung der strauchelnden Investmentbank Bear Stearns und setzten dabei erstmals Kredite der Notenbank ein. Im Juli verabschiedete der Kongress dann ein Gesetz, das die Regierung ermächtigte, notfalls die Kontrolle bei Fannie und Freddie zu übernehmen. An diesem Sonntag nutzte Paulson das Gesetz. Damit greift der amerikanische Staat so tief in den Finanzsektor ein wie noch nie seit der Weltwirtschaftskrise.

Eine Eigenschaft kommt Paulson als Krisenmanager zugute: Er ist zwar Republikaner, aber kein Ideologe. Deshalb hat er hervorragende Beziehungen zu den Demokraten, die die Mehrheit im Kongress stellen. Sein wichtigster Verbündeter dabei ist Barney Frank, der relativ linke Vorsitzende des Bankenausschusses im Repräsentantenhaus. Es war Frank, der die Pläne zur Rettung von Fannie und Freddie am Sonntag als Erster verkündete, noch vor dem Minister selbst.

So ein Verhalten nennt man in Washington "Bipartisanship", und Paulson dürfte es zu Hause geübt haben: Seine Frau Wendy ist eingeschriebene Demokratin. Auch sonst hat sich Paulson einen Ruf als Einzelgänger erworben. An der Wall Street entsagte er all den dort üblichen Vergnügungen: Er baute sein Ferienhaus nicht auf Long Island, wie alle anderen, sondern in Barrington Hills, einem Kaff im Bundesstaat Illinois, wo er aufwuchs und wo heute noch seine Mutter lebt. Er spielt nicht Golf, sondern wandert, beobachtet Vögel und ist Mitglied diverser Naturschutzorganisationen.

Den Vergleich mit Hiob allerdings sollte man nicht überstrapazieren: Hank Paulson kann durchaus machtbewusst sein. Chef von Goldman Sachs wurde er 1999 dadurch, dass er seinen Konkurrenten Jon Corzine aus der Firma drängte (Corzine ist heute Gouverneur des Staates New Jersey). Außerdem brachte er Goldman Sachs gegen erhebliche Widerstände an die Börse. Manche nannten Paulson in New York den "Hammer". Der Name stammt aus den sechziger Jahren, als er ein erfolgreicher Stürmer im Football-Team seines Colleges war. Er dürfte heute durchaus noch zutreffen.

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