Fall Hoeneß:Es war einmal das Steuergeheimnis

Bayern Munich's former president Hoeness reacts during an extraordinary general meeting of the German Bundesliga first division soccer club in Munich

Der Fall Hoeneß kann sich in dieser Form nicht mehr wiederholen. Oder vielleicht doch?

(Foto: REUTERS)

Mehr als tausend Beamte hatten Zugang zu den Akten im Fall Hoeneß: Das Steuergeheimnis ist wohl kein Geheimnis mehr. Das ist fatal - der Staat muss mit den Daten seiner Bürger sorgfältiger umgehen.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Das Bankgeheimnis ist bald kein Geheimnis mehr, weil nicht mehr geheim ist, wie viel Geld jemand im Ausland versteckt; und das ist gut so. Wer sein Vermögen bei einer Bank in Österreich, der Schweiz oder Luxemburg bunkert, der muss damit rechnen, dass die deutschen Finanzbehörden davon erfahren werden. Denn mittlerweile haben praktisch alle Staaten in Europa dem automatischen Austausch von Bankdaten zugestimmt; was vermögende Deutsche an Kapitalerträgen erzielen, weiß künftig auch das Finanzamt in Miesbach. Der Fall Hoeneß kann sich also in dieser Form nicht mehr wiederholen.

Oder vielleicht doch? Denn auch das Steuergeheimnis ist auf dem besten Wege, kein Geheimnis mehr zu sein. Dieses Steuergeheimnis wurde im Fall Hoeneß mehrfach gebrochen. Die Details aus dem Steuerstrafverfahren gegen den Beschuldigten Ulrich H. wurden öffentlich ausgebreitet, öffentlich verhandelt, öffentlich diskutiert, noch ehe die Ermittlungen überhaupt abgeschlossen waren oder gar der Prozess begonnen hatte. Man kann lange darüber streiten, ob in diesem Fall "ein zwingendes öffentliches Interesse" daran bestand, das Steuergeheimnis zu brechen - also eine Ausnahme, wie sie Paragraf 30 der Abgabenordnung zum Beispiel bei schweren Wirtschaftsstraftaten vorsieht. Schwer war die Straftat des Beschuldigten Ulrich H. durchaus; vom öffentlichen, von ihm selbst geförderten Interesse an der Person Hoeneß ganz zu schweigen.

Mehr als 1000 Finanzbeamte hatten Zugang zu den Akten

Doch wenn es stimmt, was die Münchner Staatsanwaltschaft im Zuge des Falles Hoeneß recherchiert hat, dann ist das Steuergeheimnis schon deshalb keines mehr, weil selbst innerhalb der Finanzverwaltung vieles nicht geheim ist. Die Ermittler hatten versucht herauszufinden, wer denn die Details aus dem Fall Hoeneß an die Medien verraten hat, und sie sind daran verzweifelt. Denn im Fall Hoeneß hatte eine vierstellige Zahl von Beamten Zugriff auf jene Steuerakten, für die sich zeitweise nicht nur die Presse, sondern die ganze Republik interessierte. Man fragt sich: Wie kann das sein? Wer alles durfte sich anschauen, was Hoeneß beim Finanzamt Miesbach einreichte? Wer durfte wühlen in den Konvoluten, in den Abrechnungen der Schweizer Banken? Nur die Steuerfahnder durften das, nur die Bußgeldstellen und Umsatzsteuerprüfer, verteidigt sich das Bayerische Landesamt für Steuern. 1165 Beamte insgesamt - knapp ein Drittel dessen, was die Staatsanwaltschaft errechnet hat.

Doch ganz egal, ob es nun 3000 oder gut 1000 Beamte sind: Wie will der Fiskus sicherstellen, und zwar nicht nur im Fall Hoeneß, dass hier nicht doch etwas an jemanden durchsickert, der nichts mit dem konkreten Steuerfall zu tun hat? Wie will der Staat die Daten seiner Bürger schützen, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung sichern, wenn so viele Finanzbeamte mal eben die Akten von wem auch immer lesen können?

Hinz und Kunz lesen Akten von Müller und Hoeneß

Gewiss: Das Finanzamt ist kein Beichtstuhl und die Steuererklärung keine Beichte, bei der nur ein einzelner Priester erfährt (und vielleicht der liebe Gott), was jemand zu offenbaren hat. Der Steuerbürger ist auch kein Sünder, sondern - wenn er gegen das Gesetz verstößt - ein Straftäter. Das Steuergeheimnis ist insofern auch ein wenig anders zu bewerten als das Beichtgeheimnis. Aber dennoch kann man von einem Staat, dessen Politiker sich zu Recht über die Datensammelwut der Amerikaner so sehr aufregen, erwarten, dass er mit den Daten seiner Bürger sorgfältiger umgeht; dieser Staat darf nicht Hinz und Kunz den Zugriff auf die Steuerakten von Müller, Maier oder Hoeneß ermöglichen.

Dies gilt erst recht in einer Zeit, in der die Finanzbehörden über ganz andere Möglichkeiten verfügen, diese Steuerakten elektronisch aufzubereiten, die Zahlen zu systematisieren, sie digital zu speichern. Der Bundesfinanzhof hat schon im Jahr 1991 in einem durchaus weitsichtigen Urteil darauf hingewiesen, dass die Bürger nicht nur ein "privates Geheimhaltungsinteresse" haben; sondern dass hierbei auch "die besonderen Gefährdungen" zu berücksichtigen seien, "denen diese Angaben unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung ausgesetzt sind".

Mit anderen Worten: Wenn der Fiskus - dem Ende des Bankgeheimnisses und Big Data sei Dank - heutzutage weit mehr über seine Bürger weiß als früher, dann muss er diese Daten umso besser schützen. Denn nur wer absolut sicher sein kann, dass das, was er dem Staat offenbart, nicht in falsche Hände gerät, wird sich diesem Staat auch bereitwillig offenbaren. Oder ansonsten schauen, ob es nicht jenseits der Schweiz und Luxemburg andere, sichere Fluchtorte gibt.

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