Fachwerk:Sterne und Spiralen

Celle Fachwerk

Fachwerk in Celle: Die meisten Inschriften sollten die Bewohner vor Unglück bewahren.

(Foto: Celle Tourismus und Marketing)

Eine Ausstellung befasst sich mit der Frage, was Inschriften auf alten Fachwerkhäusern verraten.

Von Joachim Göres

Fachwerkstädte sind beliebte Touristenziele. Sie sind überschaubar und erinnern mit ihren gut erhaltenen jahrhundertealten Fassaden an eine vergangene, einfachere Welt. Historische Zeugnisse sind auch die geschnitzten Hausinschriften, die ab circa 600 verwendet wurden. Die Texte haben vor allem einen biblischen Bezug und sollten die Hausbewohner vor Not und Unglück bewahren. Wer zum Beispiel durch die Altstadt im niedersächsischen Celle läuft, mit 500 Fachwerkhäusern Europas größtes zusammenhängendes Fachwerkensemble, findet Haussprüche wie "Wer Godt vertrauet der hadt wol gebauwet im Hemmel und auff Erden. Godt istt alleine de err". Andere Inschriften sind heute nur schwer verständlich - so verbirgt sich hinter der Abkürzung "DSDHMROAM" im Giebelgeschoss eines Gebäudes "Der Segen des Herrn macht reich ohne alle Mühe" (Sprüche Salomons 10,22).

Neben Inschriften finden sich auf den Fachwerkhäusern zahlreiche Muster, Zeichen und Symbole. Die Arbeitsgemeinschaft Fachwerkstädte gibt im Buch "Fachwerk macht Schule" einen Überblick über Ornamente wie zum Beispiel den Achtstern (achteckiger Stern), Rauten, Rosetten, Sonnenräder und Spiralen. Besonders eindrücklich sind die Neidköpfe - hölzerne Schreckmasken, die dem Betrachter die Zunge entgegenstrecken und so den Eigentümer vor den bösen Blicken der Neider schützen sollen. Was die Symbole genau bedeuten sollen, lässt der Fachwerkexperte und Buchautor Manfred Gerner meist offen: "Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Frage, was im Fachwerk schmückende oder zierende Bedeutung und was symbolische Bedeutung hat, in Deutschland kontrovers diskutiert wird. Geforscht wurde dazu bisher wenig."

Andreas Behrens will sich damit nicht abfinden. Er wohnt in Celle in einem Fachwerkhaus von 1537 und beschäftigt sich seit Langem mit dessen möglicher Bedeutung. "Ich habe ja visuelle Kommunikation studiert, die Ikonografie ist für mich wichtig", sagt der langjährige Mitarbeiter des Landesmuseums Hannover. Einige Ergebnisse seiner Forschung stellt er derzeit in einer kleinen Ausstellung im eigenen Haus vor.

Ein Ausgangspunkt sind für ihn die Treppenfriese, wie man sie fast nur an norddeutschen Fachwerkhäusern findet. Dabei handelt es sich um treppenförmige Ornamente auf den Stockwerkschwellen. Diese fünf- oder siebenstufigen Treppenfriese stehen laut Behrens für die am Ende des Mittelalters verbreitete Vorstellung von den Lebensaltersstufen des Menschen.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verschwanden die fünfstufigen zugunsten der siebenstufigen Treppenfriese - die Lebensaltersstufen Kind, Jüngling, junger Mann, erfolgreicher Mann, Mann auf Krücken, Greis wurden mit den Planeten Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn in Zusammenhang gebracht, denen man nun einen größeren Einfluss auf das Erdengeschehen zuschrieb. Auch andere Symbole haben laut Behrens eine religiöse Bedeutung: "Die Meinung, alles, was im Mikrokosmos, der Menschenwelt, geschieht, würde sich im Makrokosmos, dem Himmel, spiegeln, gab Anlass für immer mehr Rosetten an Fachwerkhäusern."

Die Ausstellung "Ornamente an norddeutschen Fachwerkhäusern" ist bis zum 6. Januar in Celle in der Schuhstr. 27 zu sehen. Näheres unter www.massenware-postkarte.de

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