Fachanwalt:Komplett überfordert

Fachanwalt: Ralf Heydrich ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie für Strafrecht. Seit 1997 ist er in der Kanzlei Halm & Preßer in Neunkirchen (Saar) tätig.

Ralf Heydrich ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie für Strafrecht. Seit 1997 ist er in der Kanzlei Halm & Preßer in Neunkirchen (Saar) tätig.

(Foto: oh)

Vermieter sind auf das neue Datenschutzgesetz schlecht vorbereitet, sagt Ralf Heydrich.

Interview von Andrea Nasemann

Das neue Datenschutzrecht betrifft Vermieter, Verwalter und Makler. Ralf Heydrich, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, ist auf Datenschutzrecht im Immobilienbereich spezialisiert. Er erklärt die neuen Pflichten.

SZ: Was halten Sie vom neuen Datenschutzrecht?

Ralf Heydrich: Informationen sind mittlerweile ein wichtiges Wirtschaftsgut und Teil unserer Identität und Persönlichkeit. Die Kontrolle darüber haben wir längst verloren. Wir wissen nicht, wer unsere Daten besitzt, zu welchen Zwecken und wie sie eingesetzt werden. Ganz sicher, um unser Konsumverhalten zu steuern und unsere politischen Entscheidungen zu beeinflussen. Mit dem neuen Gesetz wird nun der Versuch unternommen, die verlorene Kontrolle und Transparenz über unsere Datenidentität zurückzugewinnen. Das neue Recht hat einen Prozess angestoßen als Reaktion auf die negativen Entwicklungen.

Wissen Vermieter, Makler und Verwalter schon, was auf sie zukommt?

Nein, es herrscht große Unsicherheit. Die Mehrzahl der Adressaten des Gesetzes ist überfordert. 90 Prozent aller deutschen Unternehmen sind nicht richtig auf das neue Datenschutzrecht vorbereitet. Der private Vermieter weiß häufig gar nicht, dass er ab dem 25. Mai die Pflicht hat, diese Verordnung umzusetzen.

Bringt sie mehr Bürokratie und Kosten?

Definitiv ja. Jeder Vermieter muss künftig ein Verfahrensverzeichnis erstellen. Dafür muss er zunächst analysieren, welche Daten er wie verarbeitet. Davon sind zum Beispiel auch sämtliche Kurznachrichten betroffen. Der Vermieter muss diese Prozesse erfassen, aufbereiten und in das Schema der Datenschutzverordnung einpassen. Betroffen sind sämtliche personenbezogenen Daten. Dieser Begriff ist allerdings so weit gefasst, dass praktisch alle Daten darunterfallen. Diese Radikalität überfordert alle, selbst damit befasste Juristen. Die ganze Immobilienwirtschaft ist komplett überfordert.

Ist zu erwarten, dass Vermieter diese Mehrkosten auf die Miete umlegen?

Auf Verwalter und Vermieter kommt ein enormer Mehraufwand zu. Sobald diese mindestens zehn Personen irgendwie in der Mietverwaltung beschäftigen, müssen sie prüfen, ob sie einen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen. Das kostet Zeit und Geld. Auch müssen künftig technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um Datensicherheit herzustellen. Darüberhinaus müssen Auskunfts- und Informationspflichten formell korrekt erfüllt werden. Das wird mittelfristig auf die Mieter umgelegt werden. Die, die geschützt werden sollen, werden also am Ende die Zeche bezahlen. Dagegen werden die Verursacher dieser Kosten, also Unternehmen wie Facebook und Co., von Kosten verschont bleiben.

Darf ein Mietinteressent sich eigentlich nach seinen Nachbarn erkundigen oder der Vermieter ihm Auskünfte erteilen?

Wenn ein berechtigtes Interesse für die Fragen besteht, kann der Vermieter Auskünfte erteilen. Hat der Mietinteressent beispielsweise eine Tierhaarallergie, muss der Vermieter ihm mitteilen, ob Mitmieter Haustiere halten. Dies kann auch für andere Fragen gelten, zum Beispiel, ob es Familien mit Kindern gibt oder ob es besonders ruhig ist in der Wohnung. Schließlich soll durch das neue Recht nicht das soziale Zusammenleben gelähmt werden. Vielmehr soll ein bewussterer und sensibler Umgang mit personenbezogenen Daten erzeugt werden. Besteht also ein berechtigtes Interesse und stehen schutzwürdige Interessen anderer Mieter oder Personen nicht entgegen, darf nach wie vor umfassend Auskunft erteilt werden.

Wann muss der Vermieter die Daten seines ausgezogenen Mieters löschen?

Der Vermieter, Verwalter oder Makler muss die Daten löschen, wenn er sie nicht mehr benötigt. Solange es keinen Rechtsstreit gibt, hat dies drei Jahre nach Beendigung des Mietverhältnisses am Jahresende zu geschehen. Alle steuerrechtlichen Unterlagen müssen nach sechs bis zehn Jahren vernichtet werden.

Wer kontrolliert das?

In jedem Bundesland gibt es eine Aufsichtsbehörde, die die Einhaltung der Bundesdatenschutzverordnung überprüft. Die Strafen sind exorbitant hoch: Es drohen Bußgelder bis 20 Millionen Euro. Zwar nicht für private Vermieter, aber auch diese müssen mit empfindlichen Strafen rechnen. Dies zeigt, wie ernst es der Europäischen Union ist. Außerdem kann jede natürliche Person bei Datenschutzverletzungen Schadenersatz und Schmerzensgeld verlangen. Die Aufsichtsbehörden sind angehalten, das drastische Regelungsprogramm der Datenschutzverordnung mit den drakonischen Strafen und den Bußgeldern umzusetzen, um den gewünschten abschreckenden Effekt durchzusetzen. Alle Aufsichtsbehörden haben inzwischen ihr Personal erheblich aufgestockt, um die Vielzahl der jetzt einzuleitenden Sanktionierungsverfahren bearbeiten zu können.

Wie bewerten Sie das Gesetz abschließend?

Man hätte das Gesetz schrittweise einführen sollen, nicht in dieser Rundumschlagsmanier mit diesem unglaublichen Pflichtenkatalog, der von einem Laien nicht umgesetzt werden kann. Außerdem ist es ein Armutszeugnis, dass es versäumt wurde, ein solch komplexes Thema rechtzeitig so zu vermitteln, dass den Betroffenen ihre Pflichten und die Notwendigkeit, tätig zu werden, bewusst geworden sind.

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