EZB-Test für Banken:72 Stunden Stress

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Unter Beobachtung: In den 72 Stunden zwischen Donnerstag und Sonntagmittag geht es in den Banken Europas rund. (Foto: dpa)

Die 130 größten europäische Geldinstitute haben drei Tage Zeit, das Ergebnis der Bilanzprüfung durch die Europäische Zentralbank zu verdauen. Auf Banker und Aufseher wartet ein heißes Wochenende.

Von Harald Freiberger, Björn Finke, Andrea Rexer und Markus Zydra, Frankfurt

Drei Tage Stress. Drei Tage, in denen jede Minute vorgeplant ist, jeder Bank-Vorstand an Bord ist, jeder Aufsichtsrat in Alarmbereitschaft versetzt ist, ganze Abteilungen Urlaubssperre haben. Denn am Donnerstagmittag, um 12 Uhr, bekommen knapp 130 Banken der Euro-Zone von der neuen Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank EZB eine verschlüsselte E-Mail: Darin bekommen sie den ersten Hinweis darauf, ob sie den Stresstest bestanden haben - oder nicht. Und dann tickt die Uhr: Genau 48 Stunden haben die Institute daraufhin Zeit die Daten zu prüfen. Bis Samstag um 12 Uhr müssen sie der EZB mitteilen, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind und am Sonntag um 12 Uhr mittags erfährt dann die Öffentlichkeit, wer unbeschadet durch den Test gekommen ist und wer nicht.

In diesen 72 Stunden zwischen Donnerstag und Sonntagmittag geht es in den Banken Europas rund. Denn diese Übung ist die größte Bilanzprüfung, die jemals in Europas Finanzbranche stattgefunden hat. Zunächst wurde getestet, ob die Bankbilanzen aussagekräftig sind, dann prüften die Aufseher, ob die Banken auch in einem Stressszenario solide aufgestellt sind ( Infokasten unten). Die Nervosität vor der Veröffentlichung ist groß: Jede Bank will gut abschneiden, ein schlechtes Ergebnis kann den Ruf verderben. Und wer durchfällt, dem droht im schlimmsten Fall das Aus.

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Kein Wunder also, dass in den Banken die Nerven blank liegen. "Unsere Mikroplanung steht", verrät ein Banker, der aber den Namen seiner Bank nicht in der Zeitung lesen will. Alles rund um den Stresstest ist sensibel. Bei dieser Bank sind alle Meetings schon festgezurrt: Das Treffen der Experten, die in die Daten der EZB schauen, um sie für den Vorstand aufzubereiten. Die Vorstandssitzung und die Telefonschalten zu jenen Gremiumsmitgliedern, die nicht in der Zentrale sind. Der Aufsichtsrat ist einberufen - pro forma. "Gut möglich, dass es keine formelle Sitzung braucht, sondern die Mitglieder nur in einer Telefonkonferenz informiert werden", sagt der Banker. Der Aufsichtsrat käme zum Beispiel dann ins Spiel, wenn die EZB einer Bank zusätzlichen Kapitalbedarf attestieren würde - dann könnte das Gremium über Kapitalerhöhungen debattieren.

Zwei Seiten Zahlen, vier Seiten Details

Auch bei den Behörden laufen die Vorbereitungen für die entscheidenden Tage auf Hochtouren: Am Sonntagmorgen wird der EZB-Rat und das Führungsgremium der Bankenaufsicht (Supervisory Board) in einer Telefonkonferenz die finalen Beschlüsse fassen. Die Vorlagen für die Ergebnisse sind bereits angefertigt: Die nackten Zahlen sind dann auf zwei Hauptseiten zusammengefasst, dazu kommen dann noch vier Seiten mit Details für die Finanzanalysten, dazu noch zweieinhalb Seiten mit Glossar. Dass die Mitarbeiter an diesem Wochenende im Büro sind, versteht sich von selbst.

Auch für die deutschen Aufseher von Bafin und Bundesbank, die gemeinsam mit der EZB den Test vorbereitet haben, ist es nicht die erste Wochenendschicht. Die Behörden arbeiten seit Monaten unter Hochdruck an dem Stresstest. Bei Bundesbank und Bafin waren in den letzten Monaten etwa 250 Personen im zentralen Projektteam, in der Qualitätssicherung, in den Bankbetreuungsteams und im Stresstestteam eingesetzt. Dazu kamen externe Wirtschaftsprüfer, die unter enger Begleitung der Mitarbeiter der Aufsicht eingesetzt waren. In der Spitze waren rund 1750 Wirtschaftsprüfer mit der Durchführung der Bankenbilanzüberprüfung in Deutschland beschäftigt. In jeder Bank waren über Monate hinweg Mitarbeiter der Behörden aktiv, ein "Betreuungsteam", wie es die Aufsicht nennt.

Testmethode aus London

Der Stresstest geht jedoch über die Eurozone hinaus. Die European Banking Authority (EBA) koordiniert den Stresstest all jene Banken, die in EU-Ländern beheimatet sind, deren Währung nicht der Euro ist. Die härtesten Wochen liegen bereits hinter der EU-Behörde, die ihren Sitz im 18. Stock eines Hochhauses im Londoner Finanzdistrikt hat. Denn die EBA entwickelte vor dem Start des Prüfung die einheitliche Methodik, welche die EZB und die nationalen Finanzaufseher nun anwenden. Dies soll sicherstellen, dass die Resultate vergleichbar sind. Auch beim Entwerfen der Szenarien waren die Londoner beteiligt. Jetzt, in der heißen Phase, koordiniert die EBA zusammen mit der Europäischen Zentralbank die Tests der nationalen Behörden. Und sie fasst die Ergebnisse der staatlichen Aufseher zusammen und bereitet für den Tag der Veröffentlichung Reports, Tabellen, Grafiken und Karten vor, welche die Resultate für die ganze EU und nicht bloß für die Euro-Zone übersichtlich darstellen sollen. Auch sie gibt die Ergebnisse am Sonntag um Punkt 12 Uhr bekannt.

Einen Joker haben die Banken jedoch: Sie können der Veröffentlichung der Daten widersprechen. Dagegen hätte die EZB keine Handhabe. Doch das werden sich die Banken genau überlegen: Denn dann wäre die Unsicherheit über ihre Verfassung so groß, dass sie am Finanzmarkt kein Vertrauen mehr genießen. Jene Banken, denen die Aufsicht eine Lücke beim Eigenkapital attestiert, haben dann sechs bis neun Monate Zeit nachzubessern.

Für die EZB beginnt mit dem Abschluss des Stresstests die eigentliche Aufgabe: Ab dem 4. November übernimmt sie die Aufsicht über jene 130 Banken - in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsehern.

© SZ vom 21.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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