EZB reagiert auf Wulffs Vorwürfe:Laute Kritik, leise Entgegnung

Bei der Europäischen Zentralbank herrscht Empörung: Ausgerechnet der deutsche Bundespräsident greift die Institution an und erklärt den Aufkauf von Staatsanleihen für "rechtlich bedenklich". Offiziell schweigt die EZB dazu, doch hinter den Kulissen fallen deutliche Worte: Wulffs Vorwürfe seien "Unsinn", die Maßnahmen der Bank in turbulenten Zeiten sehr wohl erlaubt.

Helga Einecke

Hinter den Fassaden des Frankfurter Eurotowers herrscht Empörung. Das hat es noch nicht gegeben bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Bundespräsident Christian Wulff (CDU) greift die unabhängige Notenbank scharf an, verdammt ausgerechnet vor Wirtschaftsnobelpreisträgern deren Käufe von Staatsanleihen als "rechtlich bedenklich". Der Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbiete der EZB den unmittelbaren Kauf von Schuldtiteln, sagte er in Lindau am Bodensee. "Dieses Verbot ergibt nur dann einen Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen", fügte Wulff hinzu.

Leitzins im Euro-Raum unverändert

Trichet und die EZB wollen die gekauften Staatsanleihen nicht als einen Beitrag zur Finanzierung einzelner Regierungen verstanden wissen. Vielmehr würden solche Käufe nur dann stattfinden, wenn manche Marktsegmente nicht mehr funktionierten.

(Foto: dpa)

Offiziell schweigt EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, der auf gepackten Koffern sitzt; er will zum Notenbank-Treffen im amerikanischen Jackson Hole. Aber aus seiner Umgebung sind deutliche Widerworte zu hören. Die Kritik von Wulff sei wenig hilfreich, sogar das Wort "Unsinn" fällt. Jedenfalls kontert die Notenbank mit einem anderen Paragrafen, der aus der Satzung des europäischen Systems der Zentralbanken stammt. In Artikel 18 heißt es, die EZB und die nationalen Zentralbanken können börsengängige Wertpapiere kaufen und verkaufen, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Aufgaben zu erfüllen.

Trichet und die EZB wollen die gekauften Staatsanleihen nicht als einen Beitrag zur Finanzierung einzelner Regierungen verstanden wissen. Vielmehr würden solche Käufe nur dann stattfinden, wenn manche Marktsegmente nicht mehr funktionierten. Die Geldpolitik sei nur durchsetzbar, wenn die Finanzmärkte auch auf die Signale der Notenbank reagierten. Sobald kein Handel mehr stattfinde, müsse die Notenbank eingreifen.

"Die Maßnahmen dienten ausnahmslos dafür, dass die Transmission der Geldpolitik besser funktionierte, als es auf den Märkten zu gravierenden Störungen kam", argumentierte Trichet im SZ-Gespräch. Der vorübergehende Charakter der Anleihekäufe wird dadurch unterstrichen, dass diese im Zuge der Krisen von Griechenland, Irland und Portugal auflebten, dann praktisch einschliefen und erst im August wegen der Zitterpartie um Spanien und Italien wieder zum Einsatz kamen.

Wulff steht mit seiner Kritik am Kauf der Staatsanleihen nicht allein. Prominentester Gegner vor ihm war der ehemaligen Bundesbankpräsident Axel Weber, der seine Opposition öffentlich machte und sich innerhalb der EZB isolierte. Auch Webers Nachfolger Jens Weidmann steht den Anleihekäufen kritisch gegenüber, er fürchtet einen gleitenden Übergang in eine Transferunion. Innerhalb der Euro-Zone aber sind die Deutschen einsame Rufer in der Stabilitätswüste.

Bei der Abstimmung im EZB-Rat über die im August wiederbelebten Käufe von Staatsanleihen soll es im Kreis der 23 Notenbanker nur drei Gegenstimmen gegeben haben. Neben Weidmann waren dies der deutsche EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und der luxemburgische Notenbankpräsident Yves Mersch. Ansonsten hat Trichet alle Mitglieder des Rats überzeugen können. So betont der EZB-Präsident gern den vorübergehenden Charakter der Käufe. Es ist auch kein Geheimnis, dass er gehofft hatte, die Last der Zukäufe an den europäischen Rettungsfonds weitergeben zu können. Entsprechende Weichen wurden auf dem EU-Gipfel Ende Juni gestellt. Noch ist der Rettungsfonds nicht so weit.

Gar nicht gern hört Trichet das Wort "Bad Bank" im Zusammenhang mit der EZB. Darunter verstehen die Fachleute ein Finanzinstitut, in dem faule Wertpapiere gebündelt und verwertet werden. Eine Notenbank aber hat nicht das Ziel, Gewinne zu erzielen. Sie soll vielmehr für stabile Preise sorgen und das Finanzsystem stärken. Beide Ziele behandelt die EZB getrennt. Sie hat die Leitzinsen erhöht, obwohl die Banken in Europa noch lange nicht über den Berg sind.

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