EZB-Präsident erhält Karlspreis:Trichet wirbt für europäisches Finanzministerium

Der Chef der Europäischen Zentralbank ist mit dem renommierten Karlspreis ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede forderte Trichet schärfere Sanktionen für Schuldenstaaten - notfalls sollten Euro-Institutionen in die nationale Wirtschaftspolitik eingreifen können. Auch ein europäisches Finanzministerium hält der Preisträger für möglich.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hat den Aachner Karlspreis erhalten. Mit der Auszeichnung werde der Einsatz Trichets für einen stabilen Euro und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes gewürdigt, hieß es zur Begründung.

European Central Bank (ECB) President Jean-Claude Trichet smiles after receiving the Charlemagne Prize 2011 in the western German city of Aachen

Hat für seine Verdienste um Europa den Karlspreis zu Aachen erhalten: EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.

(Foto: Reuters)

Der Geehrte warb in seiner Dankesrede für eine Stärkung der europäischen Institutionen. Darin liege der Schlüssel zur weiteren wirtschaftlichen und finanziellen Integration Europas, betonte Trichet. "Meine Kernbotschaft ist: Das bisher Erreichte in der Wirtschafts- und Währungsunion wurde durch die starken Institutionen der Währungsunion ermöglicht", so der EZB-Chef.

Danksagung mit Konfliktpotential

Er bekräftigte seine Forderung nach einem verschärften Umgang mit hoch verschuldeten Euro-Ländern. In einem ersten Schritt sollten sie finanziell unterstützt werden, damit sie selbst Korrekturen vornehmen könnten, schlug Trichet vor. So könne ein Übergreifen von Krisen auf andere Länder vermieden werden. Falls diese Maßnahmen erfolglos blieben, regte Trichet einen direkten Einfluss der Euro-Institutionen auf die Politik des betroffenen Landes an, falls sich dessen Wirtschaftspolitik als nachhaltig schädlich erweist.

Dies ginge weit über die derzeit geplante Überwachung hinaus, räumte Trichet ein, der sich der politischen Vorbehalte gegen seine Vorschläge offensichtlich bewusst ist. So könne er sich ein Vetorecht der EU-Gremien gegen wichtige Haushaltsentscheidungen des betroffenen Landes vorstellen.

Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, nannte Trichet in seiner Laudatio einen "entschiedenen Verteidiger der Unabhängigkeit der EZB". Der neue Preisträger sei einer der stärksten Persönlichkeiten der europäischen und der weltweiten Finanzwirtschaft. Trichets achtjährige Amtszeit als EZB-Chef endet im Herbst.

Trichet entwarf in Aachen die Zukunftsvision von Europa als eine "Konföderation souveräner Staaten", die im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik noch weiter zusammenwächst. Sie könnte nicht nur - wie bereits heute - eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Zentralbank, sondern auch ein gemeinsames Finanzministerium haben.

Bereits 2002 war der Euro selbst mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden, die Auszeichnung hatte Trichets Amtsvorgänger Wim Duisenberg in Empfang genommen. Damals wurde die europäische Einheitswährung als "epochemachender Beitrag" zum Zusammenwachsen der Völker in Europa gewürdigt.

Der Aachener Karlspreis zählt zu den bedeutendsten europäischen Auszeichnungen. Er wird seit 1950 jährlich an Persönlichkeiten und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Die Auszeichnung ist mit 5000 Euro dotiert und wird traditionell am Himmelfahrtstag verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008), der ehemalige US-Präsident Bill Clinton (2000) und der frühere britische Premierminister Tony Blair (1999).

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