EZB-Chef Trichet gegen Merkel:"Entscheiden auf Basis unserer Urteile"

Telefonat mit der Kanzlerin: EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat den Vorwurf zurückgewiesen, die Notenbank entscheide nicht unabhängig.

Die Kritik von Kanzlerin Merkel (CDU) an der Arbeit der Zentralbanken bleibt nicht unbeantwortet: Nach der Retourkutsche von US-Notenbank-Chef Ben Bernanke dringt auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet auf die Unabhängigkeit der Geldpolitik.

EZB, dpa

Die EZB hält das derzeitige Zinsniveau für angemessen.

(Foto: Foto: dpa)

In einem Telefonat mit Merkel wies er den Vorwurf zurück, die Europäische Zentralbank lasse sich bei ihren Entscheidungen von außen beeinflussen. "Ich war sehr glücklich darüber, dass die Kanzlerin unsere Unabhängigkeit voll und ganz unterstützt und unsere Arbeit gewürdigt hat", sagte Trichet nach der Ratssitzung der EZB am Donnerstag. Das Gespräch habe am Mittwoch stattgefunden.

"Ohne jeden Druck"

Einen Tag zuvor hatte Merkel der Institution vorgeworfen, dass sich die Notenbank mit dem geplanten Kauf von Pfandbriefen dem "internationalen Druck etwas gebeugt" habe.

"Alles, was wir tun, machen wir ohne jeden Einfluss oder Druck", entgegnete Trichet. "Wir entscheiden auf Basis unserer eigenen Urteile." Die EZB habe politischem Druck immer widerstanden. So seien 2004 Forderungen des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder nach Zinssenkungen zurückgewiesen worden.

Der Leitzins im Euro-Raum bleibt bei 1,0 Prozent. Das teilte die EZB nach ihrer Ratssitzung mit.

Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld war angesichts der Rezession in vielen Euro-Ländern in mehreren Schritten auf das aktuelle Rekordtief gesenkt worden.

Nach der jüngsten Lockerung der Geldpolitik im Mai hatte Trichet eine weitere Rücknahme des Zinssatzes zwar nicht ausgeschlossen.

Er betonte aber, dass der EZB-Rat das aktuelle Zinsniveau für angemessen halte. Auch Volkswirte hatten für diesen Donnerstag nicht mit weiteren Zinsschritten gerechnet.

Aufkaufprogramm für Anleihen startet im Juli

Von Juli an will die EZB überdies Pfandbriefe kaufen und damit der kriselnden Wirtschaft und vor allem dem Pfandbriefmarkt Schwung verleihen. Es seien Geschäfte direkt mit Banken (Primärmarkt) und auf dem Sekundärmarkt vorgesehen, erläuterte Trichet. Dafür stünden 60 Milliarden Euro zur Verfügung.

Die Maßnahme solle Ende Juni 2010 auslaufen. Die Grundsatzentscheidung zum Kauf von Pfandbriefen (Covered Bonds, besicherte Anleihen) hatte der EZB-Rat bei seiner Sitzung Anfang Mai getroffen.

Auch die britische Notenbank ließ ihren Leitzins am Donnerstag wie erwartet unverändert. Der Leitzins liege weiterhin auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent, teilte der geldpolitische Ausschuss der Bank of England (BoE) in London mit.

Niedrige Zinsen verbilligen Kredite für Unternehmen und Verbraucher und können so die Wirtschaft ankurbeln. Sparguthaben werden jedoch ebenfalls niedriger verzinst.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: