Experiment: Selbstanzeige:Selbstanzeige schützt nicht vor der Steuerschuld

Er fordert den Mandanten auf, seinen Fall zu schildern. Also: 900.000 Euro Schwarzgeld, angelegt vor acht Jahren. Kempf zieht die Augenbrauen hoch. Das ist der Moment, in dem klar wird, dass es sich um keine Bagatellsache handelt. "Es ist wahrscheinlich noch nicht zu spät, aber wir müssen schnell handeln", sagt er.

Er empfiehlt ein zweistufiges Verfahren für die Selbstanzeige: Im ersten Schritt müsse man dem Fiskus den Sachverhalt schildern, möglichst präzise alle Beträge angeben, die im Ausland angelegt wurden, die Jahre, in denen Zinsen angefallen sind und deren Höhe. "Sie müssen das nicht bis auf Kommabeträge angeben", sagt Kempf, "Kontoauszüge werden Sie ja nicht haben."

Er selbst werde dafür sorgen, dass die Selbstanzeige am nächsten Morgen beim Fiskus ist. Die Chance sei groß, dass die Daten der CD zu dem Zeitpunkt noch nicht ausgewertet sind und die Selbstanzeige damit wirksam werden kann.

"Mit der Selbstanzeige ist aber nur der strafrechtliche Teil beherrschbar", fügt er hinzu. Heißt: Der Steuersünder braucht keine Geld-, Bewährungs- oder sogar Haftstrafe zu fürchten, seine Steuerschuld muss er aber auf jeden Fall begleichen.

Und das geht ins Geld. Kempf macht die Rechnung für die 900.000 Euro auf, die der Mandant in der Schweiz angelegt hat. "Da es sich um Schwarzgeld handelt, geht rund die Hälfte nicht bezahlte Einkommensteuer sofort weg", sagt er. Das Pech des Mandanten: Hätte er das Geld vor zehn Jahren angelegt, wäre der Fall verjährt.

Zusätzlich zur Einkommensteuer werden laut Kempf sechs Prozent Hinterziehungszinsen und sechs Prozent Säumniszuschlag pro Jahr abgezogen, hinzu kommen die Anwaltsgebühren, die in einem solchen Fall schnell einen fünfstelligen Betrag ausmachen können. Wenn das angelegte Geld ordentlich Zinsen abgeworfen habe, betrage der Kontostand jetzt rund 1,35 Millionen Euro. "Rechnen Sie damit, dass 50 Prozent von Ihrem Geld weg sind, also 675.000 Euro", sagt der Anwalt.

Der Mandant ist bestürzt. "Mit so viel hätte ich nicht gerechnet", sagt er. Er fragt, ob sich da eine Selbstanzeige überhaupt lohne. Sie lohnt sich, denn würde er entdeckt, käme zur Steuerschuld noch eine hohe Geldstrafe hinzu - und eine Bewährungsstrafe. "Sie müssten mit einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung rechnen", sagt Kempf.

Eine Selbstanzeige kann viel Geld kosten

Die Leitlinien für die Strafe hat der Bundesgerichtshof vor zwei Jahren festgelegt: Bis zum Betrag von 100.000 Euro an hinterzogenen Steuern Geldstrafe, darüber Bewährungsstrafe plus Bewährungsauflage in Form einer hohen Geldzahlung, ab einer Million hinterzogenen Steuern Haftstrafe ohne Bewährung. "In Ihrem Fall käme es auch noch zu einer Hauptverhandlung vor Gericht, Sie würden öffentlich am Pranger stehen", sagt der Anwalt. Eine Selbstanzeige könne zwar viel Geld kosten, aber auch viel Ärger sparen.

Wenn der Fiskus die Selbstanzeige annimmt, lässt sich der Anwalt eine Vollmacht vom Mandaten geben, damit er alle Kontodaten von der Schweizer Bank einholen kann. Dieser Vorgang dauert mindestens sechs Wochen, danach gehen die detaillierten Angaben an das Finanzamt - die zweite Stufe der Selbstanzeige. "Wenn alles glatt läuft, haben Sie in acht Wochen Ihren Bescheid", sagt Kempf. "Und dann müssen Sie nur noch zahlen."

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