Europas Finanzmärkte: Portugal:EZB - Ausputzer vom Dienst

Die Finanzkosten für Portugal erreichen die Schmerzgrenze von sieben Prozent. Inzwischen sind Euro-Anleihen riskanter als Kredite für Schwellenländer.

Markus Zydra und Claus Hulverscheidt

Finanzmärkte ändern ihre Meinungen im Sekundentakt, doch vergesslich sind sie nicht. Portugals Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos merkt das in diesen Tagen. Die Börsen halten dem Politiker einen Satz vor, den er im Oktober leichtfertig geäußert hat. "Wenn der langfristige Zinssatz für den portugiesischen Staat über sieben Prozent steigt", so der Minister damals, "dann braucht Portugal wohl internationale Unterstützung."

Portugiesische Euromünzen

Lissabon in Finanznot: Im Laufe des Montags lag der Kreditzins für Portugal plötzlich bei 7,3 Prozent.

(Foto: dpa)

So gesehen: Es ist soweit. Im Laufe des Montags lag der Kreditzins für Portugal plötzlich bei 7,3 Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) musste erneut ausputzen. Wie Börsenhändler berichten, haben die Notenbanker portugiesische Staatspapiere gekauft - diese Nachfrage hat den Effekt, dass der Zins leicht sinkt. Auch bei irischen und griechischen Anleihen waren die Notenbanker aktiv. Auch hier droht Ungemach: Die Kreditzinsen könnten immer weiter steigen, neue Schulden kämen die Staaten immer teurer.

Denn so war es oft in den vergangenen Wochen. Die EU-Politiker redeten über Rettungen, gleichzeitig tauchten Informationen über neue Finanzlöcher auf. Die Zinsen stiegen und stiegen, manche Kurve ähnelt einem Fleischerhaken.

Die Markt-Interventionen der EZB sind aber nicht mehr als eine Feuerwehrhilfe - und keine langfristige Lösung. Innerhalb der Zentralbank sind die Ankäufe der Wertpapiere aus Krisenstaaten selbst sehr umstritten. Der deutsche Bundesbankchef Axel Weber ist strikt dagegen, er befürchtet Inflation.

Die EU steht politisch unter Zeitdruck. Zwar laufen die Bemühungen um einen umfassenden Stabilitäts- und Hilfspakt auf Hochtouren, doch schon in Kürze wird sich zeigen, wie es um die Kreditwürdigkeit zweier angeschlagener Mitglieder bestellt ist. Es ist die Woche der Entscheidungen. Portugal muss sich am Mittwoch, Spanien dann am Donnerstag an den Finanzmärkten weitere Milliarden Euro leihen. "Je höher der Zins, desto wahrscheinlicher ist es, dass Portugal und in der Folge auch Spanien unter den EU-Rettungsschirm muss", sagt Gernot Griebling, Anleihe-Experte der Landesbank Baden-Württemberg.

Unbeliebte Finanzhilfen

Der Rettungsschirm der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) umfasst ein Kreditvolumen von 750 Milliarden Euro. Er bietet mit fünf Prozent vergleichsweise günstige Kreditzinsen für angeschlagene EU-Staaten, jedoch sind die Hilfen unbeliebt: Die Regierungen befürchten den Verlust der haushaltspolitischen Souveränität. Nach Darstellung mehrerer EU-Regierungen wird zwar innerhalb Europas kein direkter Druck auf Portugal ausgeübt, das Hilfsprogramm in Anspruch zu nehmen. Entsprechende "gute Ratschläge" müssen sich die Portugiesen hinter den Kulissen aber sehr wohl anhören. "Wenn ohnehin klar ist, dass Lissabon am Ende Unterstützung benötigen wird, dann sollten sie lieber jetzt als später einen Antrag stellen", heißt es in Kreisen der Euro-Länder.

"Eine breite Schneise schlagen"

Je länger Portugal wartet, desto größer wird die Gefahr beispielsweise für Spanien - aber auch für Belgien. Dort ist es seit Monaten unmöglich, zwischen Flamen und Wallonen eine Regierung zu bilden. Jetzt steigen die Zinsen. "Wir müssen schnell eine breite Schneise schlagen", heißt es. Allerdings sind beide Länder wirtschaftlich weitaus besser aufgestellt als Portugal oder Griechenland.

Die Zinsen für Portugal haben - je nach Laufzeit - in den letzten Monaten rund 50 Prozent zugelegt, Das Land braucht 2011 insgesamt 20 MilliardenEuro Kredit, bei Spanien sind es 47 MilliardenEuro. Portugal hat sich vergangene Woche 500 MillionenEuro am Kapitalmarkt geliehen und musste für diesen kurzfristigen Kredit 3,7 Prozent bezahlen - noch im Herbst betrug der Zins 2,2 Prozent.

Dieser Vertrauensverlust wirkt sich auf die Bonität der gesamten Euro-Zone aus. Erstmals halten internationale Investoren westeuropäische Staatsanleihen im Durchschnitt für riskanter als Kredite an Schwellenländer. Das belegen die aktuellen Kosten für Kreditausfallversicherungen, mit denen sich Anleger gegen die Pleite eines Staates versichern können. Das bedeutet: EU-Staaten müssen im Schnitt höhere Zinsen bezahlen als Länder, die bis vor wenigen Jahren noch abschätzig als "Dritte Welt" bezeichnet wurden. Manche Experten halten die Entwicklung für überdreht.

"Diese Spekulationen sind unsachlich, weil Irland, Portugal und Spanien ihre Schuldenberge gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung gut verkraften können", sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Er sieht eine "spekulative Manie der Finanzmärkte". Die könne dazu führen, dass einzelne europäische Länder unter den Rettungsschirm müssten, obwohl es sachlich nicht geboten wäre.

Aber, was hilft's: Das Ergebnis ist dasselbe.

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