Europäische Zentralbank:Zoff um Trichet-Nachfolge

Ein Portugiese steigt zum EZB-Vize auf, und mit Axel Weber folgt ein Deutscher auf Jean-Claude Trichet - so die Taktik. Doch die Partnerländer meutern.

Cerstin Gammelin

Mit der Entscheidung für den Portugiesen Vitor Constâncio als neuen Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) glaubte Deutschland seinen Kandidaten Axel Weber für den Wechsel auf dem Präsidentenposten abgesichert zu haben. Doch die Partnerländer meutern. Sie wehren sich gegen frühzeitige Festlegungen.

Trichet, Foto: dpa

Er hat noch ein volles Amtsjahr, aber der Streit um seine Nachfolge ist bereits entbrannt: EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.

(Foto: Foto: dpa)

Um das Amt des zweiten Mannes in der einflussreichen EZB hatten sich auch der Belgier Peter Praet und der Luxemburger Yves Merschuvor beworben. Die Finanzminister der 16 Euroländer entschieden sich aber für den 66 Jahre alten Chef der Notenbank in Lissabon.

Amtsinhaber Lucas Papademos aus Griechenland scheidet nach acht Jahren Ende Mai aus. Die EU-Chefs müssen der Berufung des Portugiesen auf ihrem Gipfel Ende März noch zustimmen; dies gilt als Formsache.

Für die Bundesregierung ist die Berufung des "Südländers" Constâncio ein wichtiger Erfolg. Sie will Bundesbankpräsident Axel Weber als Chef der Europäischen Zentralbank durchsetzen. Das Amt wird im Herbst kommenden Jahres frei.

Aus geographischen Proporzregeln der EU werden die Posten des Vize-Chefs und des Präsidenten jeweils an einen Kandidaten eines Süd- und eines Nordlandes vergeben. Durch die Berufung des Portugiesen steigen damit die Chancen des Deutschen als Nachfolger von Amtsinhaber Jean-Claude Trichet aus Frankreich.

Die Bundesregierung will erst im Sommer 2011 über die Nominierung Webers endgültig entscheiden. Bereits jetzt regt sich jedoch Widerstand. "Ich werde nicht dafür plädieren, dass Deutschland den Posten des EZB-Präsidenten stellen wird", sagte der Eurogruppen-Vorsitzende, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Er kritisierte, Berlin werte die Nominierung von Constâncio zum Vizepräsidenten als Vorentscheidung für die Neubesetzung des Präsidentenpostens. Das sei eine zu kurzsichtige Politik.

Juncker rüffelt Nachfolgedebatte

Juncker hatte bereits zuvor gewarnt, den von Luxemburger Kandidaten Mersch aus Gründen abzulehnen, "die in der Zukunft liegen". Wer so handele, schade der EZB. Der österreichische Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll versuchte die Debatte einzudämmen. Es sei nicht sinnvoll, "über den EZB-Chef jetzt die Debatte zu führen".

Der italienische Finanzminister Giulio Tremonti ließ sich davon nicht beirren und kündigte an, bei der Nominierung des künftigen EZB-Chefs spielten weder geographische Proporzregeln noch nationale Absprachen eine Rolle. "Das Einzige, was zählt, ist die Qualifikation des Kandidaten. Und Italien wird einen exzellenten Kandidaten haben", sagte Tremonti in Brüssel.

Der italienische Notenbankgouverneur Mario Draghi gilt als Webers wichtigster Konkurrent. Hintergrund der Entscheidung für Constâncio soll eine deutsch-französische Absprache sein. Kanzlerin Angela Merkel hat danach Präsident Nicolas Sarkozy zugesichert, die von Frankreich seit Jahren geforderte, aus Berlin aber stets abgelehnte Idee zu unterstützen, eine europäische Wirtschaftsregierung zu gründen. Im Gegenzug protegiere Paris den deutschen Kandidaten.

EU legt Griechen Sparfesseln an

Darüber hinaus stellten die EU-Finanzminister den griechischen Haushalt jetzt offiziell unter EU-Zwangsverwaltung - eine Maßnahme, die es nie zuvor gab in der EU. Nach langen Debatten gaben sie der Regierung in Athen eine Frist von vier Wochen, in der geprüft werden soll, ob zusätzliche Maßnahmen zum Abbau der Rekordschulden von 300 Milliarden Euro ergriffen werden müssen.

Die Regierung in Athen hat sich verpflichtet, seine Neuverschuldung in diesem Jahr um vier Prozentpunkte auf dann rund neun Prozent abzubauen. Der europäische Stabilitätspakt erlaubt drei Prozent. Vielen europäischen Finanzministern jedoch gehen die Spar- und Reformpläne bereits jetzt nicht weit genug.

Der neue Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn erklärte, die Kommission erwartet von der griechischen Regierung bis Mitte März weitere Vorschläge. Das Land werde "zusätzliche Maßnahmen vorschlagen müssen, um die Ziele in diesem Jahr zu erreichen", sagte Rehn. Er kündigte an, die gegen Griechenland erhobenen Vorwürfe, seine Schulden mittels Derivatgeschäften verschleiert zu haben, eingehend zu untersuchen.

Der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, Dennis Snower, schlägt in einem Gastbeitrag für die SZ eine unabhängige Schuldenkommission für Griechenland vor. Diese Kommission solle dafür sorgen, dass das Staatsdefizit schrittweise wieder auf ein EU-taugliches Niveau sinke.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: