Europäische Zentralbank:Wer macht den Trichet?

Der EZB-Chefposten ist einer der wichtigsten Jobs in Europa. Das Geschacher um die Nachfolge von Amtsinhaber Trichet ist in vollem Gang. sueddeutsche.de stellt die Favoriten vor - und ein paar Kandidaten, die noch niemand auf der Rechnung hat. In Bildern.

1 / 10

Europäische Zentralbank:Axel Weber

German Bundesbank President Weber and Deputy Finance Minister Asmussen attend IMFC meeting in Washington

Quelle: REUTERS

Seit 2003 führt der Franzose Jean-Claude Trichte die Europäische Zentralbank (EZB) - im November gibt er sein Amt ab. Wer folgt ihm? Bundesbankpräsident Axel Weber? Oder sein italienischer Kollege Mario Draghi? Oder keiner von beiden? Stimmen Sie ab, wer nach Trichet die EZB führen soll.

Warum eigentlich ein Bundesbanker? Sicher, der Ruf der Bundesbank ist gut, wenngleich nicht tadellos. Denn bei all der Träumerei über die Frankfurter Institution sollte nicht vergessen werden, dass die deutsche Zentralbank oft genug für ihre übervorsichtige Zinspolitik gegeißelt wurde. Dennoch: Vorsicht schadet selten, vor allem nicht in einer Zeit, in der es drunter und drüber geht. Den Geist der Vorsicht würde Axel Weber zweifellos in die EZB transportieren. Die Finanzmärkte dürften seine Wahl wohl entsprechend goutieren. An der Qualifikation des gelernten Volkswirts und früheren Wirtschaftsweisen hat ohnehin keiner etwas auszusetzen - und gut reden kann er auch. Genährt werden die Spekulationen um Axel Weber durch den angedeuteten Verzicht auf eine zweite Amtszeit. Womöglich wechselt er aber auch zu einem privaten Finanzinstitut - etwa der Deutschen Bank.

Texte: Melanie Ahlemeier, Johannes Aumüller, Hans von der Hagen

2 / 10

Europäische Zentralbank:Yves Mersch

Yves Mersch

Quelle: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Im Vergleich zu seiner Größe bringt Luxemburg sehr viele Politiker hervor, die in Europa Gewicht besitzen. Doch während der eloquente Premier Jean-Claude Juncker im Kampf um die ständige EU-Ratspräsidentschaft scheiterte, könnte nun ein anderer Mann an die Spitze einer wichtigen europäischen Institution rücken: Yves Mersch, 61, Rechtsanwalt, EZB-Ratsmitglied und seit Gründung der luxemburgischen Zentralbank 1998 deren Vorsitzender. Nun zählt er zum Kandidatenkreis für die Trichet-Nachfolge - doch er hat mit dem Kandidaten-Karussell bereits schmerzliche Erfahrungen gemacht. Vor einem Jahr galt er als aussichtsreichster Anwärter auf den Posten des EZB-Vizepräsidenten, geworden ist es aber der Portugiese Vitor Constancio. Damals wurde nämlich eine Nord-Süd-Regel ins Personalgeschacher um die EZB-Posten eingeführt. Angeblich muss seither der Chef der Notenbanken aus dem Norden und sein Stellvertreter aus dem Süden kommen oder umgekehrt.

3 / 10

Europäische Zentralbank:Mario Draghi

-

Quelle: AFP

Wahrscheinlich gibt es schon ein Wettportal, das sich mit der Frage beschäftigt: "Wer löst Trichet als EZB-Chef ab?" - und damit richtig Geld verdient. Der deutsche Kandidat Axel Weber hätte mutmaßlich die niedrigsten Quoten - und die zweitniedrigsten wohl der Italiener Mario Draghi. Seine Amtszeit als Chef der italienischen Notenbank begann im Februar 2006. Zuvor hatte er als Goldman-Sachs-Manager gearbeitet. Um jeglichen Anschein von Geschmäckle zu vermeiden, verkaufte er seine Anteile an dem New Yorker Investmentbankhaus. Draghis Plus: Ihm wird mehr diplomatisches Geschick nachgesagt als seinem Mitbewerber Weber. Sein Nachteil: Eigentlich würde seine Nominierung der Nord-Süd-Regel (siehe Mersch) widersprechen.

4 / 10

Europäische Zentralbank:Dominique Strauss-Kahn

-

Quelle: AFP

Ein ganz besonderes Interesse an der Vergabe des EZB-Postens hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Erstens wünscht er sich - wie jeder andere Staats- oder Regierungschef auch - einen Landsmann an der Spitze der Institution. Zweitens stellt Frankreichs Polit-Klasse gerade die Weichen für die nächsten Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr - und da hätte so mancher Linke gerne Dominique Strauss-Kahn (in seinem Heimatland gerne DSK genannt) als Herausforderer des Amtsinhabers Sarkozy. Was wäre also raffinierter, als DSK den Posten an der EZB-Spitze zu beschaffen? Ein Franzose wäre durchgesetzt - und ein möglicher Konkurrent gleich mit aus dem Weg geräumt. Fachlich geeignet wäre Strauss-Kahn zweifellos. Er arbeitete als Wirtschaftsprofessor in Nancy und Nanterre, gab Kurse in Mikro- und Makroökonomie, war Industrie-, Wirtschafts- und Finanzminister - und ist derzeit geschäftsführender Direktors des Internationalen Währungsfonds in Washington.

5 / 10

Europäische Zentralbank:Christine Lagarde

France's Finance and Economy Minister Largarde attends the New World, New Capitalism Conference in Paris

Quelle: Reuters

Das wäre ein echter Coup: Zumindest das Landsmann- beziehungsweise Landsfrau-Argument gilt auch für die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde - das Konkurrentenentledigungs-Argument hingegen nur sehr bedingt. Im Gegenteil. Die stets elegant gekleidete 55-Jährige ist eines der wenigen französischen Kabinettsmitglieder, die Akzente setzen. Sollte Lagarde von Bord gehen, stünde Sarkozy im Wahlkampf eine wichtige Stimme weniger zur Verfügung. Dafür gibt es aus feministischer Sicht noch einen anderen Grund: Nach dem Niederländer Wim Duisenberg und Jean-Claude Trichet wäre sie die erste Frau an der Spitze der Europäischen Zentralbank. Lagarde, in Jugendjahren Mitglied der französischen Synchronschwimm-Nationalmannschaft und vor ihrem Einstieg in die Politik lange als Anwältin tätig, ist auch bei den verantwortlichen deutschen Politikern beliebt. Sie und Finanzminister Wolfgang Schäuble galten in den Tagen, in denen der Euro-Rettungsschirm ausgestaltet wurde, als wichtige Achse.

6 / 10

Europäische Zentralbank:Klaus Regling

´Focus": Deutscher EU-Generaldirektor wechselt nach Singapur

Quelle: ag.dpa

Auch Klaus Regling könnte Präsident der Europäischen Zentralbank werden, vielen gilt er hinter vorgehaltener Hand als der heimliche Favorit. Regling ist Chef des Europäischen Rettungsfonds und damit Herr über 440 Milliarden Euro, die der Fonds von den Euro-Mitgliedsstaaten an Garantien besitzt. In den vergangenen 35 Jahren absolvierte der Finanzfachmann einen langen Lauf durch die Institutionen: Er hatte mehrere hochrangige Positionen beim Internationalen Währungsfonds sowie im Finanzministerium inne, kurze Zeit war er für einen Hedgefonds und später in der EU-Kommission tätig. Die Euro-Krise dürfte er geahnt haben: Als Generaldirektor der EU-Kommission verschickte er einst die blauen Briefe an die Regierung Schröder. Unter der Ägide von Finanzminister Theo Waigel war Regling Mitte der neunziger Jahre am Festzurren der Koordinaten für die Eurozone beteiligt - seitdem genießt er den Ruf als Vater des Stabilitätspaktes.

7 / 10

Europäische Zentralbank:Wolfgang Schäuble

Schäuble erhält Orden von Luxemburg

Quelle: dpa

Für Finanzminister Wolfgang Schäuble ist der Beruf mehr als ein Beruf - er ist Berufung. Selbst wenn er sich krankheitsbedingt eine Auszeit nehmen muss, arbeitet er weiter. Er ist derjenige, der sich selbst antreibt - er kann einfach nicht anders. Als Finanzminister an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel macht Schäuble immer drei Dinge auf einmal: sparen, sparen, sparen. Schon lange bevor die Euro-Staaten im Mai 2010 den gigantischen 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm aufspannten, hatte sich der überzeugte Europäer für eine Euro-Stützungsaktion ausgesprochen - und in Anlehnung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Europäischen Währungsfonds (EWF) ins Spiel gebracht. Dafür wurde Schäuble von vielen gescholten, allen voran von Kanzlerin Merkel.

8 / 10

Europäische Zentralbank:Peer Steinbrück

Buchmesse Frankfurt

Quelle: dpa

Rhetorisch brillant und durchaus schlagfertig: Mit Peer Steinbrück, bis Herbst 2009 Bundesfinanzminister in der großen Koalition und nach deren Abwahl noch einfacher Abgeordneter im Bundestag, gelänge der EZB an der Spitze eine kleine Überraschung. Krisenmanagement? Kann er, wie er Seit' an Seit' mit Kanzlerin Angela Merkel im Zuge der Finanzkrise gezeigt hat. Und Finanzen? Kann er auch. Der studierte Volkswirt war nicht nur Kassenwart auf Bundesebene, sondern über Jahre als nordrhein-westfälischer Finanzminister tätig. Das Banker-Vokabular hat der 64-Jährige schon drauf. "Unterm Strich" heißt Steinbrücks persönliche, fast 500 Seiten lange Krisenbilanz in Buchform.

9 / 10

Europäische Zentralbank:Josef Ackermann

RNPS IMAGES OF THE YEAR 2010 - GERMANY -

Quelle: REUTERS

Wenn im Finanzwesen eine Topstelle mit internationalem Flair zu vergeben ist, darf ein Name nicht fehlen: Josef Ackermann. UBS, Citigroup - bei beiden Instituten wurde der Chef der Deutschen Bank angeblich schon als Führungskraft gehandelt, doch Ackermann ließ stets dementieren. Bis 2013 steht der studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler mit der Fachrichtung Bankwirtschaft noch bei Deutschlands größter Privatbank unter Vertrag - dann wäre Ackermann 65. Doch was spricht dagegen, dass er einfach eher geht und noch etwas Neues probiert? Eben. Nur die Gehaltsfrage müsste Ackermann - der 2009 knapp zehn Millionen Euro verdiente - dann wohl noch einmal durchdiskutieren.

10 / 10

Europäische Zentralbank:Thomas Mirow

-

Quelle: AFP

Thomas wer? Thomas Mirow ist der Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, war einst Assistent des damaligen SPD-Chefs Willy Brandt und stieg rasch zum Referenten und später zum Leiter von Brandts Büro in der Bonner Parteizentrale auf. Anfang der achtziger Jahre machte er als jüngster Hamburger Regierungssprecher Schlagzeilen in eigener Sache. Hamburg hielt der in Paris Geborene die Treue, unter Ortwin Runde lockte Mirow in der Funktion des Wirtschaftssenators von 1997 an etliche Unternehmensgründer in die Hansestadt. Später diente Mirow als Staatssekretär (Bereiche nationale und internationale, vor allem europäische Finanz- und Währungsbeziehungen) dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und erwarb sich den Ruf der "Allzweckwaffe", 2008 rückte er an die Spitze der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Bis dato war der spätere Bundespräsident Horst Köhler der einzige Deutsche auf dem Chefsessel der Bank gewesen.

© sueddeutsche.de/mel/aum/hgn
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: