Europäische Zentralbank:Notenbank in Not

Die EZB ächzt unter der Last der Rettungsaktionen: Schon für mehr als 70 Milliarden Euro hat die Zentralbank Anleihen gekauft. Jetzt hat sie selbst ein Problem: Das Grundkapital wird knapp. Vor allem die Bundesbank muss womöglich bald schon zahlen.

Früher war alles besser. Zum Beispiel die Wertpapiere, die die Europäische Notenbank (EZB) als Pfand für Kredite akzeptierte, wenn Geschäftsbanken sich bei ihr Geld leihen wollten. Diese Wertpapiere mussten von bester Bonität sein. Doch die Finanzkrise hat alles geändert. Nicht nur, dass die EZB ihre Anforderungen an die Sicherheiten für Kredite zurückgesetzt hat - mittlerweile übernimmt die Notenbank auch Papiere, die im Markt als Schrott bewertet werden. So sollen die Kurse gestützt werden.

Euro-Schuldenkrise

"Momentan kaufen wir zwar nur mit moderatem Tempo, aber was ist, wenn das Tempo anzieht und die Anleihen auf einmal um 30 Prozent weniger wert sind?", heißt es aus Kreisen der Europäischen Notenbank.

(Foto: dpa)

Insgesamt hat die EZB dafür seit dem Start des Programms im Mai schon 72 Milliarden Euro ausgegeben, allein in der vergangenen Woche knapp drei Milliarden Euro. Es sind vor allem Staatsanleihen aus Ländern wie Griechenland, Irland und Portugal, die die EZB im großen Stil erwirbt. Doch jetzt wächst die Angst vor Verlusten. "Momentan kaufen wir zwar nur mit moderatem Tempo, aber was ist, wenn das Tempo anzieht und die Anleihen auf einmal um 30 Prozent weniger wert sind?", hieß es aus Kreisen der Notenbank. Darum wolle die EZB alle an ihr beteiligten nationalen EU-Notenbanken zu einer Aufstockung ihres Grundkapitalanteils drängen.

Deutschland signalisierte bereits Unterstützung: "Die Bundesregierung hat immer gesagt, dass sie die EZB in allen Belangen unterstützen wird", hieß es aus Regierungskreisen. Wenn die Notenbank eine Kapitalerhöhung für nötig erachte, dann werde dies die Bundesregierung positiv begleiten. "Es gibt eine Verordnung, nach der die EZB die Kapitaleigner bitten kann, aufzustocken", sagte der Regierungsvertreter. Kapitaleigner ist zwar die Bundesbank, doch damit indirekt auch Deutschland.

Das Grundkapital der EZB liegt derzeit bei 5,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Bilanz des Instituts ist durch diverse Hilfsmaßnahmen während der vergangenen dreieinhalb Krisenjahre auf fast 140 Milliarden Euro angeschwollen.

Ein Problem - viele Lösungsmöglichkeiten

Die Notenbanken der 16 Euroländer halten gut 70 Prozent am Kapital der EZB; andere EU-Länder wie Großbritannien, Schweden oder Dänemark, die nicht der Währungsunion beigetreten sind, den Rest. Den größten Teil, rund ein Fünftel, hatte bei der Gründung der EZB die Bundesbank eingezahlt. Deutschland müsste also im Falle einer Aufforderung durch die EZB besonders viel nachschießen.

Ein anderer mit den Überlegungen innerhalb der EZB eng vertrauter Notenbanker ergänzte, der angeforderte Nachschuss könne bei Bedarf gestreckt gezahlt werden, um einzelne Zentralbanken - besonders von Problemländern wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien - nicht zu überfordern.

Zentralbanken haben verschiedene Möglichkeiten, ihren Kapitalanteil bei der EZB aufzustocken: Sie können aus ihrer eigenen Bilanz Wertpapiere verkaufen, ihre Devisen- oder Goldreserven angreifen, Gewinne einbehalten oder bei ihrer Regierung um eine Kapitalspritze nachsuchen. Sollte die EZB eine Verdoppelung ihres Grundkapitals anstreben, müsste Deutschland beim gegenwärtigen Schlüssel rund eine Milliarde Euro nachschießen. EZB und Bundesbank wollten sich nicht äußern.

Schon in der vergangenen Woche hatte es geheißen, die EZB arbeite laut Ratsmitglied Mario Draghi mit Hochdruck an einer Verringerung der Abhängigkeit vieler Banken von ihrer Liquiditätsversorgung.

Die Tatsache, dass noch immer einige Banken in der Eurozone ohne die EZB kein frisches Geld am Markt bekommen würden, verhindert bislang den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Die EZB hatte Anfang Dezember deshalb diesen sogenannten Exit um weitere drei Monate verschoben.

Experten halten zwei Lösungen für denkbar: Zum einen könnte die EZB Problembanken in die Obhut der zuständigen nationalen Zentralbanken geben, die diese über spezielle Kreditlinien so lange am Leben erhalten würden, bis die jeweilige Regierung für die betroffenen Institute eine Lösung gefunden hat.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, dass die Regierungen der Euroländer eine Gesamtlösung - etwa in Form von Garantien für die betroffenen Banken oder eines Rekapitalisierungsfonds - beschließen.

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