Europäische Zentralbank:Eine Krise, schwer zu managen

Mario Draghi, der künftige Chef der Europäischen Zentralbank, hat in Berlin einen viel beachteten Auftritt. Und weil seine Sprache immer noch ein wenig italienisch eingefärbt ist, hört es sich ein bisschen so an, als rede ein geschmeidiger Mafia-Banker aus den Pate-Filmen.

Guido Bohsem

Um herauszufinden, wer wirklich wichtig ist im internationalen Wirtschaftsleben, muss man vor die Türen eines Konferenzortes schauen. Wer dort zum Ziel von mindestens fünf Finanz-Reportern wird, hat was zu sagen auf den internationalen Währungsmärkten. Und so kann Kurt Lauck, der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, an diesem Mittwoch recht ungestört durch die Türen des Berliner Dorint-Hotels ein und ausgehen. Die dort lauernden Reporter warten nicht auf den Gastgeber des diesjährigen Wirtschaftstages, sondern auf einen seiner Gäste, den italienischen Notenbankchef Mario Draghi. Diesem hängt schon seit Jahren, aber in den vergangenen Tagen wieder öfter, der etwas zweifelhafte Spitzname "Super-Mario" an.

Europäische Zentralbank: Weil sich Bundesbank-Chef Axel Weber mit Kanzlerin Angela Merkel überwarf, war Draghi plötzlich der Mann, der allen gefiel.

Weil sich Bundesbank-Chef Axel Weber mit Kanzlerin Angela Merkel überwarf, war Draghi plötzlich der Mann, der allen gefiel.

(Foto: AFP)

Draghi nämlich soll im November neuer Präsident der Europäischen Zentralbank werden. Die Finanzminister der 17 Euro-Länder haben ihn bereits zum Nachfolger von Jean-Claude Trichet auserkoren. Wenn alles glatt läuft, werden ihnen die Staats- und Regierungschefs im Juni folgen. Draghi ist also eigentlich nur ein Mann, der bald sehr wichtig ist. Doch in Zeiten von europäischer Finanzkrise, steigender Inflation und anhaltenden Banken kann auch ein EZB-Chef in spe die Finanzmärkte der Welt in Atem halten, wenn er das will.

Appelle an die Euro-Länder

Doch der 63-jährige gelernte Ökonom ist nicht auf Abenteuer aus vor den etwa 500 Gästen des Wirtschaftsrates. Klar, er mahnt in Richtung der hoch verschuldeten europäischen Regierungen, dass die Zinsen der EZB angesichts der hohen Inflation nicht immer so niedrig bleiben werden. Einen genauen Zeitraum für Zinsschritte nennt er jedoch nicht. Er appelliert an die Euro-Länder durch Sparsamkeit und vernünftige Wirtschaftspolitik ihre Zukunft selbst zu sichern. Das Finanzsystem befindet sich aber in einem Erholungsprozess, ein weiterer wirtschaftlicher Absturz sei nicht mehr zu befürchte. Die Folgen der Krise sind allerdings schwer zu managen. Viel konkreter wird er nicht.

Die Vorsicht ist begründet. Es ist schließlich sein erster großer Auftritt nach der Nominierung. Draghi hält die Rede, wie soll man sagen, halb-frei. Meist hat er den Blick ins Publikum gerichtet. Nur ab und zu senkt er den Blick auf sein Manuskript. Er spricht sehr gutes Englisch. Man merkt ihm die lange Zeit in den USA an. Weil das Ganze aber immer noch auch ein wenig italienisch eingefärbt ist, hört es sich ein bisschen so an, als spräche ein geschmeidiger Mafia-Banker aus den Pate-Filmen.

Lauck und der Wirtschaftsrat haben wirklich Glück gehabt mit der Einladung an Draghi. Denn bis vor kurzem hat kaum einer auf den kleinen Italiener als neuen Mann an der Spitze der EZB gesetzt. Als wahrscheinlichster Kandidat galt der inzwischen ausgeschiedene Bundesbank-Präsident Axel Weber. Doch der überwarf sich mit Kanzlerin Angela Merkel, fühlte sich nicht ausreichend von ihr unterstützt und auf einmal war Draghi der Mann, der allen gefiel.

Bei so viel Glück, musste natürlich auch eine schlechte Nachricht die Stimmung des Nachmittages trüben. Der ebenfalls eingeladene finnische Notenbank-Chef Erkki Liikanen meldete sich kurz vor Beginn der Veranstaltung ab. Die Aschewolke auf Island verhinderte seinen Abflug.

Weil Draghi nicht so richtig begeistern und Liikanen nicht erscheinen konnte, gehörte der Nachmittag RWE-Chef Jürgen Großmann. Der ist nämlich wegen der Atompolitik der schwarz-gelben Bundesregierung genau so sauer wie die meisten Mitglieder des Wirtschaftsrates, sagte das auch und konnte sich des Applaus deshalb sicher sein.

Wie immer, wenn Großmann auftaucht und im Umkreis von fünf Kilometern ferner Kanzlerin Merkel vermutet wird, war auch Greenpeace da. Und so stehen vor dem Tagungshotel fünf Atommüll-Tonnen-Attrappen, sieben Aktivisten und ein Plakat. Darauf heißt es: "Frau Merkel, keine Deals mit Atomkonzernen!" Großmann war es dann auch wichtig darauf hinzuweisen, dass seine grüne Krawatte kein Zugeständnis an die Grünen sei. Seine Haushälterin habe ihm das Ding eingepackt. Er halte eine solche Annäherung für falsch, feixte er. Im Übrigen halte er sie auch für Parteien wie die CDU für falsch und kassierte dafür den kräftigen Beifall des Plenums.

Zum erhofften Duell Großmann gegen den Atom-Ausstiegs- und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) kam es übrigens nicht. Der hatte seinen Auftritts-Termin auf deren Wunsch so oft mit Merkel getauscht, dass er am Ende nur noch abends konnte - und da sprach dann auch die Kanzlerin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: