Süddeutsche Zeitung

Europäische Zentralbank:Constâncio wird EZB-Vize

Mit Vitor Constâncio soll ein Südeuropäer Vizepräsidenten der EZB werden. Damit ist der Weg von Bundesbankpräsident Axel Weber an die Spitze der Zentralbank frei.

C. Gammelin

Die Finanzminister der 16 Euroländer haben sich darauf geeinigt, den portugiesischen Notenbankchef und ,,Südeuropäer'' Vitor Constâncio als neuen Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) zu nominieren. ,,Wir schlagen vor, dass Vitor Constâncio zum Vizepräsidenten der EZB ernannt wird'', sagte der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker am Montagabend nach dem Treffen der Eurogruppe. Damit ist zumindest nach den geografischen Proporzregeln der Europäischen Union der Weg frei für Bundesbankpräsident Axel Weber, im Herbst kommenden Jahres für Führung der EZB zu übernehmen.

Die Bundesrepublik hatte vor dem Treffen deutlich gemacht, dass sie Weber an die Spitze der EZB hieven will. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will zwar erst Mitte kommenden Jahres endgültig über die Nominierung entscheiden, das Votum der Eurogruppe für den Portugiesen lässt jedoch alle Chancen für Weber offen. Denn den ungeschriebenen EU-Regeln zufolge werden die Posten jeweils an ein sogenanntes Nord- und an ein Südland vergeben.

Constâncio, der sich gegen die Bewerber aus Luxemburg, Yves Mersch, und Belgien, Peter Praet, durchsetzte, soll an diesem Dienstag beim Treffen aller 27 EU-Finanzminister offiziell als Kandidat nominiert und Ende März auf dem EU-Gipfel von den Staats- und Regierungschefs bestätigt werden. Der Posten bei der EZB in Frankfurt wird Ende Mai frei, der Grieche Papademos scheidet dann aus. Der Belgier Praet galt von vornherein als Außenseiterkandidat. Dem Luxemburger Mersch wurden zunächst gute Chancen eingeräumt. Diese sanken jedoch, nachdem sich Merkel der Unterstützung Frankreichs für Weber versichert hatte. Juncker hatte zuvor vergeblich gewarnt, wer Mersch aus ,,Gründen, die in der Zukunft liegen'', ablehne, schade der EZB.

Nach Angaben von Teilnehmern soll es in der Ministerrunde keine Debatte über die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gegeben haben, dessen Mandat Ende Oktober 2011 ausläuft. Ein weiterer Anwärter für die Trichet-Nachfolge ist der italienische Notenbankgouverneur Mario Draghi. Die Chancen des ,,Südländers'' auf den Posten sind nun gesunken. Der EZB-Präsident gilt als eine der wichtigsten Positionen in Europa.

Weber wurde 2004 Präsident der Deutschen Bundesbank. Zuvor war er unter anderem als Wirtschaftsprofessor an verschiedenen deutschen Universitäten tätig und von 2002 bis 2004 Mitglied des Sachverständigenrates. Ehe Weber an die EZB-Spitze rücken kann, muss auch noch die Zukunft des EZB-Chefvolkswirts Jürgen Stark geklärt werden. Stark gehört dem Direktorium der Europäischen Zentralbank offiziell bis Mai 2014 an. Es gilt als ungeschriebenen Gesetz, dass in dem sechsköpfigen Direktorium eine Nationalität nicht doppelt vertreten sein soll. Eine Lösung für ein vorzeitiges Ausscheiden von Stark müsste im Einvernehmen gefunden werden.

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SZ vom 16.02.2010/segi
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