Europa will Krisenbanken abwickeln:Pleitegehen leichtgemacht

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Seit dem Lehman-Kollaps rätseln Politiker über diese eine Frage: Wie kann verhindert werden, dass bei einer Schieflage von Banken der Steuerzahler einspringen muss? Jetzt will EU-Binnenmarktkommissar Barnier einen Plan vorlegen, mit dem Geldhäuser in Not abgewickelt werden können. Helfen soll dabei ein deutsches Gesetz.

Harald Freiberger und Cerstin Gammelin

Die EU will die Steuerzahler künftig schonen, wenn Banken pleitezugehen drohen. Binnenmarktkommissar Michel Barnier wird noch diesen Monat eine Richtlinie vorlegen, mit der Geldhäuser in Not abgewickelt werden können, heißt es in Brüssel.

"Offensichtlich sieht man im deutschen Gesetz ein Muster für eine EU-weite Regelung", heißt es im Umfeld der Bundesregierung. (Foto: dapd)

Damit packt der Franzose ein Problem an, das seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 ungelöst ist: Manche Banken werden nach wie vor mit Steuergeld gerettet, weil sie so groß und so vernetzt mit anderen Finanzkonzernen sind, dass ihre Pleite die gesamte Wirtschaft gefährdet. Mit der Richtlinie will Barnier die Staaten aus dieser Zwickmühle bei den sogenannten systemrelevanten Geldhäusern befreien.

Die EU lehnt sich dabei stark an das deutsche Gesetz an, das seit Anfang des Jahres in Kraft ist. Viele Elemente davon finden sich in dem Entwurf Barniers wieder, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Offensichtlich sieht man im deutschen Gesetz ein Muster für eine EU-weite Regelung", heißt es im Umfeld der Bundesregierung. Dort erwartet man deshalb auch nicht, dass das eigene Gesetz groß angepasst werden muss, wenn Barnier seinen Entwurf konkretisiert hat.

Geld aus Restrukturierungsfonds

Das deutsche Gesetz sieht vor, dass die Bankenaufsicht frühzeitig bei Instituten eingreifen kann, die in Schieflage geraten sind - bis hin zur Absetzung des Vorstands. Die Abwicklung einer Bank in Not soll dadurch möglich sein, dass die nicht systemrelevanten Teile abgespalten und verkauft werden. Die systemrelevanten Teile führt dagegen eine Brückenbank fort. Diese wird organisiert von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung.

Falls nötig, kann sie der Brückenbank auch Eigenkapital zuschießen und Garantien geben. Der Unterschied zur bisherigen Praxis: Das Geld dafür stammt nicht mehr vom Steuerzahler, sondern von einem Restrukturierungsfonds, in den die Banken selbst einzahlen. Das wird in diesem Jahr erstmals der Fall sein. Jedes Jahr soll die Bankenabgabe mindestens eine Milliarde Euro bringen. Zielgröße des Restrukturierungsfonds sind 70 Milliarden Euro. Es wird also lange dauern, bis er sein Soll erreicht hat. Sollten seine Mittel für eine nötige Abwicklung nicht reichen, kann der Fonds auch Kredite aufnehmen.

Nach dem EU-Entwurf sollen Banken selbst Notfallpläne erstellen, die jährlich aktualisiert werden. Die Aufsichtsbehörden können verlangen, Geschäfte auszulagern, um eine Schieflage zu verhindern. Sie dürfen auch Manager abberufen.

Ist die Bank in eine existenzielle Krise geraten, sieht der EU-Entwurf vor, dass wichtige Teile verkauft, auf eine Brückenbank übertragen oder in eine Bad Bank ausgelagert werden. Die Aufsicht darf im Ernstfall auch in die Rechte von Aktionären und Gläubigern eingreifen; das bedeutet, dass ihr Geld zum Stopfen von Löchern verwendet wird. Finanziert werden soll die Abwicklung genauso wie in Deutschland durch eine Bankenabgabe, deren Höhe davon abhängt, über wie viele Einlagen von Kunden eine Bank verfügt.

EU-Kommissar Barnier kündigte eine europaweite Richtlinie zur Abwicklung von Banken schon vor mehr als einem Jahr an. Wegen der kritischen Lage an den Finanzmärkten wartete er bisher aber ab. Er wollte nicht für zusätzliche Verunsicherung sorgen mit einem Gesetzesvorhaben, in dem die Pleite und Abwicklung von Banken geregelt ist. Nun aber rang sich Barnier offensichtlich trotzdem dazu durch.

Offen ist noch ein Punkt: In dem Entwurf fehlen vier von 82 Artikeln, in denen geregelt werden soll, welche Schuldenschnitte Gläubiger im Falle einer Abwicklung akzeptieren müssen. Die EU-Kommission will das bis zuletzt geheim halten, um in Zeiten von Schuldenschnitten auf Staatsanleihen nicht auch bei Anleihegläubigern von Banken für Verwirrung zu sorgen.

© SZ vom 09.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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