Euro stürzt ab:Rettung? Welche Rettung?

Preis der Angst: Die Rettungsaktion für Griechenland stoppt die Talfahrt des Euro nicht. Im Gegenteil - Europas Währung fallt plötzlich steil ab und notiert erstmals seit mehr als einem Jahr unter 1,30 Dollar.

C. Hoffmann

Die Wette gegen den Euro läuft. Am Devisenmarkt rauscht Europas Gemeinschaftswährung rasant talwärts. Am Dienstagabend stürzte der Euro erstmals seit mehr als einem Jahr unter die von Händlern vielbeachtete Marke von 1,30 Dollar. Am Mittwochmorgen lag die Devise wieder knapp darüber.

Euro, AFP

Finanzmärkte und der Euro: "Derzeit spricht eigentlich alles für niedrigere Notierungen."

(Foto: Foto: AFP)

"Derzeit spricht eigentlich alles für niedrigere Notierungen", heißt es in einer Studie der Commerzbank. Offenbar glauben die Investoren nicht, dass das 110 Milliarden Euro teure Hilfspaket mit Krediten für Griechenland ausreicht, das Schuldenproblem des alten Kontinents zu lösen.

Die außergewöhnlichen Aktionen von Euro-Partnern und Internationalem Währungsfonds (IWF) verfehlten ihre Wirkung. Zwar sanken die Renditen griechischer Anleihen, über den Euro aber wurde der Daumen gesenkt. Devisenhändler haben so viele Wetten gegen die Gemeinschaftswährung abgeschlossen wie noch nie.

Sinkt der Kurs des Euro gegenüber dem Dollar weiter, verdienen sie viel Geld damit. Grund für die Skepsis sind Befürchtungen, dass die Hilfspakete für Griechenland möglicherweise nicht ausreichen werden und andere Länder wie Spanien und Portugal ebenfalls von der griechischen Krankheit befallen sein könnten. Dann wäre noch mehr teure Intensivmedizin gefragt.

"Der Devisenmarkt hat derzeit nur ein Thema: die Probleme in der Eurozone", sagt Eugen Keller, Währungsexperte bei Metzler Financial Markets. "Deshalb verstärkt er den Trend und treibt den Euro immer tiefer." Der Kurs der Gemeinschaftswährung ist unter die Marke von 1,30 Dollar gefallen - im November hatte ein Euro noch mehr als 1,50 Dollar gekostet.

Damals war der Euro stark und der Greenback schwach. Ein Hedgefonds-Manager orakelte ganz im eigenen Interesse: "Ein Dollar-Ausverkauf ist möglich." Und US-Notenbankchef Ben Bernanke beklagte, die Schwäche der amerikanischen Währung sei ungerechtfertigt. Seither haben sich die Verhältnisse verkehrt. EZB-Chef Jean-Claude Trichet dürfte der Ausverkauf des Euro Kopfzerbrechen bereiten.

Viele große Anleger machen derzeit einen großen Bogen um griechische Staatsanleihen und damit um den Euro, darunter auch der größte Anleiheninvestor der Welt Pimco. Mohammed El-Erian, Co-Investmentchef des Vermögensverwalters, fürchtet, dass die Nothilfen zwar Griechenlands Liquiditätsprobleme verbessern, nicht aber das Solvenzproblem des Landes lösen.

Die Beklemmung wächst

Mit anderen Worten: Athen bleibt von der Pleite bedroht. Öl ins Feuer der Skeptiker gießt auch Erik Nielsen, ein Analyst von Goldman Sachs: Die 110 Milliarden Euro Hilfsgeld von EU und IWF würden Griechenland zwar für mindestens zwölf Monate Luft verschaffen, aber keineswegs für drei Jahre. "In den kommenden drei Jahren werden 150 Milliarden Euro benötigt, das Programm ist nicht voll finanziert", glaubt Nielsen. Hinzu kommt die bange Frage, ob Griechenlands Bevölkerung hinter dem harten Sparkurs steht. Die Märkte sind nervös, aber nicht nur wegen Hellas.

Auch die Ansteckungsgefahr scheint noch nicht gebannt zu sein. Jede Zahl und jedes Gerücht, das die Anti-Euro-Wetten bestärkt, wird deshalb aufgegriffen - und sei es noch so absurd: Angeblich strecke Spanien die Hand aus und bettele um bis zu 250 Milliarden Euro Hilfe - der Euro muss es büßen, auch wenn es nicht stimmt. Eine Ratingagentur wolle Spaniens Kreditwürdigkeit senken - die Nachricht schadet der Währung, obwohl sie kurz darauf dementiert wird.

Von Stunde zu Stunde wächst der Druck auf die Gemeinschaftswährung. Nachdem die Marke von 1,30 Dollar gefallen ist, wächst die Beklemmung. Hier verläuft ein langfristiger Aufwärtstrend, den die Gemeinschaftswährung seit 2002 etabliert hat. Wird er durchbrochen, könnte der Kurs rasch noch tiefer sinken, weil am Devisenmarkt viele Manager ein Auge auf solche charttechnischen Marken haben. "Um die negative Haltung zum Euro zu brechen, hilft am Ende nur ein Machtwort von Notenbanken und Politik", glaubt Devisenstratege Keller - so wie eine Intervention wie die von Bernanke zugunsten des Dollar im vergangenen November.

Der Grat zwischen berechtigter Sorge und Panikmache am Devisenmarkt ist schmal. Derzeit scheint es lukrativer, die Euro-Ängste zu schüren. Aber es hilft nicht, jeden Tag auf den Euro einzuprügeln. Sparanstrengungen von griechischen Dimensionen brauchen Jahre, bis sich der Erfolg zeigt. Da ist Geduld gefragt - und mehr Realismus.

Schließlich drückt alle Industriestaaten die Schuldenlast, nicht nur die Euroländer. Immerhin haben die Mittelmeerländer mit dem Aufräumen begonnen - in Großbritannien und den USA sind die Politiker noch nicht so weit. Dort ist die Fiskalpolitik weiter expansiv, obwohl die öffentlichen und privaten Schulden dort weitaus höher sind als im Euroraum. Die Frage ist nur, wie lange es braucht, bis sich die Anlegern wieder Pfund und Dollar widmen - und vom Euro ablassen.

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