Ökonomisch gesehen ist Panik unangebracht, denn die Lage in den potentiellen Krisenländern hat sich in jüngster Zeit eher verbessert: Spanien hat tiefgreifende Reformen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Rente und im Bankensektor, Italien ein durchaus ambitioniertes Sparprogramm auf den Weg gebracht. Politisch gesehen allerdings - und hier könnte die Erklärung liegen - sieht es genau umgekehrt aus: In Spanien stehen vorgezogene Neuwahlen an, und niemand weiß, ob die konservative Volkspartei im Falle einer Machtübernahme den Sparkurs der Sozialisten fortsetzen würde.
Und Italien wird nicht nur von einem Ministerpräsidenten mit zweifelhaftem Ruf regiert, vielmehr fallen ausgerechnet jetzt die beiden wichtigsten Stabilitätsgaranten aus: Finanzminister Giulio Tremonti ist in einen Skandal verstrickt, Notenbankchef Mario Draghi wechselt an die Spitze der Europäischen Zentralbank und hinterlässt daheim ein riesiges Vakuum. Darüber hinaus gibt es noch den fragwürdigen Deal im US-Schuldenstreit, der ganz generell die Attraktivität von Staatsanleihen für Kapitalanleger nicht erhöht hat.
All diese politischen Probleme lassen sich aber mit Geld nicht lösen", sagt einer, der die Gespräche der europäischen Regierungen untereinander aus nächster Nähe beobachtet. "Eine Aufstockung des Rettungsfonds brächte also nichts." Hinzu kommt, dass sich das Ausleihvolumen auch gar nicht so einfach weiter erhöhen ließe. Frankreich etwa muss schon heute für so viele Darlehen bürgen, dass dem Land an den Märkten der Verlust seiner Top-Bonität droht. "Ein Rettungsschwimmer kann maximal zwei Schiffbrüchige gleichzeitig vor dem Ertrinken retten", sagt ein hoher Regierungsberater in Berlin. "Wenn sich mehr Menschen an ihn klammern, geht er selber unter."
Ob Barroso all dies nicht bedacht oder schlicht ignoriert hat, als er die Börsen mit seinem Brief auf Talfahrt schickte, will man in Berlin nicht bewerten. Dass die Kanzlerin aber wieder einmal mächtig verärgert über ihn ist, bestreitet niemand ernsthaft. "Eigentlich", sagte ein mit beiden gut bekannter Europa-Politiker schon vor Monaten, "müssen sich die beiden inzwischen hassen."