Süddeutsche Zeitung

Euro-Krise: Irland und Portual:Frisches Geld für marode Banken

Enorme Freiheiten, ganz legal: Im Euro-Raum dürfen nationale Notenbanken notleidenden Geldhäusern mit frischem Geld aushelfen. Genau dies geschieht nun in Irland und Portugal - die Europäische Zentralbank ist alarmiert.

Helga Einecke und Markus Zydra

Die Welt der Notenbanker ist kompliziert. Deshalb fällt selbst Experten kaum auf, was aktuell in Irland und Portugal vor sich geht. Vereinfacht gesprochen drucken die Zentralbanken der beiden Euro-Länder Geld. Bei den Iren sind es immerhin 50 MilliardenEuro, bei den Portugiesen soll es weniger sein. Diese Summe soll den angeschlagenen Banken dieser Ländern stützen. Sie kämpfen ums Überleben.

Die nationalen Alleingänge sind brisant, denn normalerweise ist die Europäische Zentralbank (EZB) für die Geldversorgung der Kreditinstitute zuständig. Außerdem drohen dadurch auch dem deutschen Steuerzahler Kosten. "Das Bedenkliche an diesen Notfallhilfen ist, dass sich eine Zentralbank dabei komplett übernehmen kann.

Im Fall Irland beträgt das Engagement 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", sagt Jürgen Michels, Europa-Volkswirt der Citigroup. Er befürchtet, dass im Extremfall alle anderen EU-Staaten dafür geradestehen müssen. "Die Irische Zentralbank generiert also auf eigene Kappe Liquidität", erklärt Michels. Die portugiesische Zentralbank tue dasselbe, wenn auch in geringerem Umfang.

EZB meldete sofort Bedenken an

Im EZB-Tower in Frankfurt reagiert man äußerst reserviert auf diese Aktionen. Als die Iren ihr Nothilfeprogramm anschoben, meldete die EZB sofort Bedenken an. In einer Stellungnahme pochte sie darauf, dass die irische Aktion keine negativen Konsequenzen für die Euro-Zone haben dürfe.

"Wenn es der EZB zu viel wird, kann der EZB-Rat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ein Veto einlegen", sagt Michels. Doch was bedeutet Veto einlegen, ist das verbindlich oder nur Ausdruck der Missbilligung? "Das ist eine der Sachen, die aus meiner Sicht nicht klar sind", meint der EZB-Beobachter. Er vermutet, das Veto habe bindende Wirkung. Aber wer weiß das schon genau. Bei den Nothilfeprogrammen fehlt die Transparenz.

"Keiner hat Interesse daran, das Ausmaß und die Zeiträume dieser Maßnahmen an die große Glocke zu hängen", heißt es in den Notenbanken. Der Präzedenzfall spielte sich übrigens in Deutschland ab. 2008 stellte die Bundesbank der angeschlagenen Hypo Real Estate eine Liquiditätslinie über 35MilliardenEuro zur Verfügung, für wenige Wochen.

Eine Art doppelte Sicherung

Diese nationalen Hilfen sind legal. Sie wurden mit der Einführung des Euro als Emergency Liquidity Assistance (ELA) als eine Art doppelte Sicherung eingebaut, allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum und in einem akuten Krisenfall.

Die Freiheiten sind enorm: Im Prinzip kann auf dieser Basis jede nationale Notenbank, sei es in Athen, Rom, Frankfurt oder Paris, so viel Geld in das Bankensystem pumpen, wie sie will. Es gibt offenbar keine Obergrenze für diese Liquiditätshilfen. Das kann im schlimmsten Fall die Inflation anheizen, die Bankverbindlichkeiten werden auf diese Art dem Bürger aufgebürdet.

Dabei sind die nationalen Alleingänge nicht der einzige Streitfall in der Europäischen Zentralbank. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise stellt die EZB allen Banken im Euro-Raum so viel Geld zur Verfügung, wie diese haben möchten, und das zu extrem niedrigen Zinsen.

Ursprünglich verlangte sie dafür als Gegenleistung die Hinterlegung von sehr sicheren Wertpapieren. Bereits seit einem Jahr hat sie die Anforderungen stark gelockert. Außerdem kauft die EZB Staatsanleihen auf. Diese Aktion ist innerhalb des EZB-Rats umstritten, weil dies als eine Steilvorlage zum Schuldenmachen gilt. Bundesbankpräsident Axel Weber hatte sich mit EZB-Präsident Jean-Claude Trichet wegen dieser Geschichte öffentlich angelegt.

Lausige Sicherheiten

Über die Nothilfen der nationalen Zentralbanken wird öffentlich überhaupt nicht geredet. "Es herrscht Informationsbedarf, wie diese ELA-Hilfen funktionieren. Landläufig würde man sagen, dass die nationalen Notenbanken Geld drucken, aber das will in Zentralbankkreisen natürlich niemand so aussprechen", sagt ein Volkswirt, der sich nicht zitieren lassen will. Der Grund: Der Begriff Geld drucken sei delikat und schaffe Skepsis in der Bevölkerung. Er schürt die alten Inflationsängste.

Die ELA-Hilfen funktionieren grob gesprochen so: Angeschlagenen Kreditinstitute in Irland und Portugal hinterlegen bei ihrer nationalen Zentralbank Wertpapiere als Sicherheit und erhalten dafür das benötigte Geld. Das könnten sie theoretisch auch bei der EZB machen. Experten vermuten, die Sicherheiten der Papiere seien so lausig, dass die EZB sie nicht mehr akzeptieren würde. Also springt die nationale Notenbank ein. "Man kann hier von Gelddrucken sprechen, sobald diese Sicherheiten ausfallen", sagt Michels. Und das sei ja nicht ausgeschlossen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1056681
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.02.2011/pak
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.