Eurokrise: Helmut Schmidt:"Alles Reaktionäre"

Helmut Schmidt ist einer der Wegbereiter des Euro. Der Umgang mit der Krise erzürnt ihn - und entsprechend teilt er aus. Kanzlerin Merkel? Ohne Kenntnis der Kapitalmärkte. Die meisten Politiker? Keine überzeugten Europäer. Die Bundesbanker? Reaktionäre.

Der Euro ist für Helmut Schmidt eine Herzensangelegenheit. Immerhin zählte der frühere Bundeskanzler neben dem französischen Staatschef Valéry Giscard d'Estaing Ende der siebziger Jahre zu den maßgeblichen Politikern, die sich für ein einheitliches europäisches Währungssystem starkmachten - als Gegengewicht zum Dollar. Aus der Idee von Schmidt und Giscard d'Estaing entwickelte sich der ECU, aus dem ECU der Euro.

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Altkanzler Helmut Schmidt kritisiert die derzeitigen europäischen Politiker für ihren Umgang in der Eurokrise hart.

(Foto: ddp)

Angesichts dieser Vorgeschichte ist es nicht überraschend, dass sich der SPD-Politiker immer dann besonders vehement zu Wort meldet, wenn es um den Euro und dessen Zukunft geht. Und so teilte er in einem Interview mit dem Handelsblatt kräftig an alle Seiten aus.

Zum einen warf Helmut Schmidt den Europäern Fehler vor: Nicht alle Euroländer hätten aufgenommen werden dürfen und schärfere Regeln für das wirtschaftliche Verhalten seien notwendig gewesen. Zum anderen kritisierte er, dass Europa Führungspersönlichkeiten fehlten und es in hohen Ämtern kaum wichtige Personen "mit genügendem Überblick über nationale und internationale Fragen und ausreichender Urteilskraft" gebe. Lediglich Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker und den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, nahm Schmidt von seiner Kritik namentlich aus.

Auch die Bundesregierung griff er massiv an - zum wiederholten Mal. Angela Merkel agiere nicht sonderlich geschickt, sagte Schmidt. Die internationalen Geld- und Kapitalmärkte, das Bankensystem oder die Aufsicht über die Banken und Schattenbanken seien für sie ebenso neu wie für ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). "Das ist keine Kritik an Schäuble oder Merkel, aber wir brauchen Personen in Spitzenämtern, die ein Verständnis von der heutigen Wirtschaft haben."

Noch härter attackierte Schmidt die Bundesbanker. Alle Nachfolger von Hans Tietmeyer (Vorstand von 1993 bis 1999) seien im Hinblick auf die europäische Integration Reaktionäre. "Sie denken nicht wirklich liberal. Sie neigen dazu, zu sehr nach nationalen Interessen zu agieren und zu reagieren, und haben die strategische Notwendigkeit der europäische Integration nicht verstanden."

Den Euro als solchen hingegen verteidigte Schmidt so deutlich wie ein Vater seinen Sohn in Schutz nimmt. "Hätten wir die D-Mark behalten, (...) hätte es in den vergangenen 20 Jahren mindestens ein oder zwei Mal eine Spekulation gegen die D-Mark gegeben", sagte er. "Und deren Größenordnung hätte alles überstiegen, was wir mit Griechenland oder Irland erlebt haben."

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