Euro in der Krise:Kommt her, Spekulanten!

Der Euro muss sich gegen einen Frontalangriff der Investoren wehren - und Schuld daran sind die Politiker. Denn mit ihrem panischen Verhalten befeuern sie nur die Attacken gegen die Währung. Es wird Zeit für eine glaubwürdige Strategie.

Alexander Hagelüken

Es ist ein Land, dem die Schulden über den Kopf wachsen. Ein Land, das mit fast hundert Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung in der Kreide steht. Ein Land, das jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat, vor ungewissen Aussichten steht und politisch zerstritten ist.

Euro-Rettungspaket

Bizarre Situation: Portugal kommt günstig an Geld, doch die EU-Kommission sinniert trotzdem über die Ausweitung des Rettungsschirmes.

(Foto: dpa)

Wer die Nachrichten der vergangenen Monate verfolgte, wird darauf tippen: Es muss sich um einen angeschlagenen Euro-Staat handeln, gegen den Investoren heftig spekulieren. Doch die Rede ist von den Vereinigten Staaten von Amerika. Und die USA werden an den Finanzmärkten überhaupt nicht unter Beschuss genommen. Und das, obwohl ihre Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft weit höher sind als die Verbindlichkeiten Portugals - und doppelt so hoch wie die Schulden des angeblichen Katastrophenlandes Spanien.

Das Beispiel zeigt, welche Übertreibung in den Attacken gegen die Eurozone steckt. Ja, die Währungsunion hat zugelassen, dass einige ihrer Mitglieder schlecht gewirtschaftet haben, und das muss sie korrigieren. Doch beim frontalen Angriff der Investoren geht es nicht nur um Wirtschaftsdaten. Sonst stünden die USA oder Großbritannien viel stärker am Pranger. Vielmehr unterwerfen die Investoren den Euro einem Test, ob das Gefüge der ihn tragenden Staaten hält. Und deshalb hängt es ganz stark von der politischen Reaktion auf die Märkte ab, wann Euroland endlich aus der Krise kommt.

Bisher reagieren die Regierungen oft panisch - und erfüllen damit das Kalkül der Spekulanten, dass sich immer mehr Steuergeld zum Schutz ihrer Investments herausholen lässt. Die Finanzmärkte spielen immer dasselbe Spiel. Erst attackierten sie Griechenland, bis das Land Milliarden zur Hilfe spendiert bekam; anschließend Irland - und nun Portugal.

Wie wenig manche in der Eurozone daraus gelernt haben, zeigte sich am Mittwoch. Portugal konnte entgegen manchen Erwartungen an den Finanzmärkten problemlos neue Kredite aufnehmen. Und trotz dieses beruhigenden Signals fiel dem Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso, nichts Besseres ein, als einen größeren Euro-Rettungstopf zu fordern. Mehr Geld für Europa, obwohl Portugal gerade beweist, dass es noch kein Geld braucht? Deutschland und Frankreich sind zu Recht entsetzt.

Die neue Kakophonie ist genau die falsche Botschaft an die Investoren: Europa beweist wieder einmal, wie schwach es in Momenten ist, in denen es auf Stärke ankäme. Diese Demonstration der Uneinigkeit lädt die Spekulanten ein, ihr Spiel gegen einzelne Euro-Länder fortzusetzen.

Die Wende zum Guten ist möglich

Als Griechenland und andere Staaten im Frühjahr 2010 in den Abgrund schauten, handelten die Euro-Regierungen schnell. Zusätzlich zu den Hilfen für Athen spannten sie einen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro auf. Das ist eine enorme Summe, doppelt so viel, wie die Bundesregierung jedes Jahr ausgibt. Unter diesem Schirm lassen sich einige Euro-Schauer überstehen - und gleichzeitig strenge Regeln etablieren, damit Portugal und andere Staaten künftig besser wirtschaften.

Doch statt auf den Schirm zu verweisen und Ruhe zu verbreiten, erzeugen manche EU-Politiker ständig Unruhe. Mal streiten sie über das zumutbare Risiko für die Investoren, mal über Stabilitätsregeln oder die Schuld an den Problemen - und jetzt über die Größe des Rettungstopfs. Sie lassen sich von den Finanzmärkten treiben, statt den Investoren zu signalisieren: "Ihr könnt den Euro nicht zerstören! Und wenn ihr es versucht, werdet ihr verlieren!" Wie kann Kommissionschef Barroso die Anstrengungen Portugals und Spaniens loben und im gleichen Atemzug mehr Geld fordern, obwohl der Rettungstopf längst nicht ausgeschöpft ist? So lädt die Währungsunion die Märkte ein, auf ihren Untergang zu wetten.

Eine glaubwürdige Strategie für den Euro sähe anders aus: Europa muss Entschlossenheit zeigen, auf jeden Fall die gemeinsame Währung zu verteidigen, die gerade Deutschland so viel Wachstum und Arbeitsplätze beschert. Europa muss klarmachen, dass es klammen Mitgliedern hilft - aber ohne ständig öffentlich Änderungen des Schirms zu diskutieren. Die Debatte über einen höheren Kreditanteil zeigt, dass die Konstruktion noch nicht funktioniert.

Und Europa muss Regeln etablieren, die alle Euro-Staaten zu Einsparungen und zu Reformen für mehr Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit zwingen. Verstöße sollten Sanktionen auslösen, zum Beispiel den Verlust von Subventionen oder der Mitsprache im EU-Club. Dazu gehört, dass sich nicht jede Bank und jeder Börsianer darauf verlassen darf, dass die Steuerzahler ihr Investment schützen.

Ein starkes Europa kann die aktuelle Schuldenkrise zum Guten wenden. Viele marode Staaten haben ja begonnen, zu sparen und zu reformieren. Und bisher haben die Steuerzahler in Deutschland oder Frankreich kein Geld verloren; und wenn alles nach Plan verläuft, erhalten sie ihre Kredite anständig verzinst zurück. Nach Plan läuft es aber nur, wenn Europa sich nicht mehr wie ein kopfloses Huhn präsentiert. Die Kakophonie führt direkt in ein Desaster, an dessen Ende die Währungsunion zerbricht.

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