Euro auf Rekordniveau:Lästige Stärke

Der starke Euro schadet dem Aufschwung und macht der Industrie zu schaffen: Der Wettbewerb wächst, die Gewinne schrumpfen. Nur die wachsende Weltkonjunktur überdeckt die Belastung - noch.

Björn Finke

Der Chef des Volkswagen-Konzerns war besorgt: "Der gegenwärtige Euro-Kurs tut uns verdammt weh", sagte Martin Winterkorn auf der Automesse in Detroit.

Euro auf Rekordniveau: Belastet die deutsche Exportwirtschaft: Der Wechselkurs des Euro ist seit Monaten auf Rekordniveau.

Belastet die deutsche Exportwirtschaft: Der Wechselkurs des Euro ist seit Monaten auf Rekordniveau.

(Foto: Foto: AP)

Das war im Januar; da stand der Euro bei 1,45 Dollar. Inzwischen ist der Kurs der Gemeinschaftswährung auf 1,60 Dollar gestiegen - in nur drei Monaten. Das ist für die exportabhängige deutsche Industrie ein Problem. Denn der starke Euro verteuert Produkte in Ländern, in denen mit Dollar gezahlt wird oder deren Währungen sich an den Dollar anlehnen, wie etwa China. Experten warnen, dass dies bereits die Gewinne der Unternehmen belastet und die Konjunktur bremst.

Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt die Folgen: Will ein deutscher Hersteller ein Auto für 30.000 Euro in den Vereinigten Staaten an den Mann bringen, legt der Abnehmer bei einem Kurs von 1,45 genau 43.500 Dollar auf den Tisch. Bei einer Notierung von 1,60 Dollar kostet das Auto made in Germany dann schon 48.000 Dollar. Das wird zahlreichen Kunden zu viel sein - entweder fallen die Absatzzahlen, oder der Produzent senkt die Preise und verzichtet auf Gewinne. Soll der Wagen weiterhin für 43.500 Dollar zu haben sein, muss das Unternehmen seinen Euro-Preis senken und nimmt nur noch 27.200 Euro ein.

0,5 Prozent weniger Wirtschaftsleistung - allein wegen des Wechselkurses

Allerdings ist der Dollarkurs allein nicht entscheidend. "Psychologische Marken wie 1,60 sind nicht so wichtig", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Viel bedeutender sei, wie sich der Euro mittelfristig gegenüber sämtlichen Währungen entwickelt hat, in denen Handel getrieben wird. Dieser Außenwert, der die Wechselkurse zu allen Devisen berücksichtigt, sei ebenfalls kräftig geklettert - innerhalb eines Jahres um knapp zehn Prozent, erklärt der Ökonom: "Das bremst die Konjunktur spürbar." Nach einer Faustregel werde die Aufwertung das Bruttoinlandsprodukt, also die Wirtschaftsleistung, um 0,5 Prozentpunkte langsamer wachsen lassen.

Bedenkt man, dass Deutschlands Wirtschaft im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent zugelegt hat, ist ein Minus von 0,5 Prozentpunkten allein wegen des Wechselkurses nicht wenig. Banken-Volkswirt Krämer glaubt aber nicht, dass wegen der Eurostärke die Exporte einbrechen. In der Tat legten die Ausfuhren zu Jahresanfang sogar unerwartet deutlich zu.

Ursache für den Boom ist die weiterhin gute Konjunktur in den Schwellenländern, die sich mit deutschen Waren eindecken. Der Gegenwind durch die teure Gemeinschaftswährung wird sich nach Meinung von Krämer vor allem bei den Gewinnen der hiesigen Unternehmen zeigen. Da die Firmen im Dollarraum ihre Preise nicht beliebig erhöhen können, werden sie einen Teil der Last schultern. Und niedrigere Profite ärgern nicht nur die Aktionäre, sondern bedeuten zugleich weniger Investitionen und Einstellungen.

Teurer Euro hat auch sein Gutes

Die Schwäche des Dollar und der japanischen Währung Yen trübt selbst in einer Boombranche wie dem Maschinenbau die Stimmung: "Wir spüren die Belastung schon deutlich, sie wird im Moment nur davon überdeckt, dass die Weltkonjunktur gut läuft", sagt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Noch seien die Auftragsbücher voll, aber das Polster werde irgendwann aufgebraucht sein. So hat die exportabhängige Branche mit fast einer Million Beschäftigten - der Industriezweig mit den meisten Jobs - 2007 die Ausfuhren weiter gesteigert, doch in die Vereinigten Staaten wurden fünf Prozent weniger Maschinen verkauft. Der starke Euro sei jedoch nicht nur in Amerika ein Problem, ergänzt Wiechers: Wettbewerber aus den USA und Japan könnten nun dank schwacher Heimatwährungen weltweit ihre Produkte günstiger anbieten.

Die deutschen Hersteller müssten deshalb genauer auf die Kosten schauen, sagt der Ökonom. Einige Firmen würden gezielt Investitionen in den Dollarraum verschieben, etwa dort Werke bauen. Dann stehen Erlösen in Dollar mehr Produktionskosten in der Devise gegenüber - die Firma koppelt sich teilweise von den Wechselkursschwankungen ab. Deswegen investieren jetzt auch Volkswagen und BMW in ihre US-Fabriken.

Mit dem starken Euro wird die deutschen Wirtschaft wohl noch einige Zeit leben müssen. Solange die Europäische Zentralbank die Zinsen nicht senkt, bleibt der Abstand zu den niedrigeren Zinsen der US-Notenbank Fed groß. Das macht Anlagen in Dollar unattraktiver und schwächt den Greenback. Allerdings hat der teure Euro auch sein Gutes: Er verbilligt Einfuhren, zum Beispiel von Öl, und verhindert damit, dass die Preise noch schneller steigen. Für VW-Chef Winterkorn wird dies nur ein schwacher Trost sein.

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