EU: Schulden-Debakel:Wall Street half Griechen beim Täuschen der EU

Dubiose Stabilitätskriterien an der Wall Street: Offenbar hat zum Beispiel die Bank Goldman Sachs dem Fast-Pleite-Staat Griechenland beim Beschönigen seines Defizits geholfen. Nur mittels des windigen Projekts Aelios konnten die strikten EU-Regeln umgangen werden.

Seit Tagen fragt sich die Welt, wie es wohl dem Fast-Pleitestaat Griechenland gelungen sein mag, sein massives Schuldenproblem über Jahre hinweg zu verschleiern. Die Antwort: Es gab willige Helfer in der Wall Street.

EU: Schulden-Debakel: Goldman-Sachs-Gebäude in New York: Die US-Finanzbranche soll Griechenland bei der Haushaltskosmetik geholfen haben.

Goldman-Sachs-Gebäude in New York: Die US-Finanzbranche soll Griechenland bei der Haushaltskosmetik geholfen haben.

(Foto: Foto: Reuters)

Die US-Finanzbranche hat Griechenland wohl stark geholfen. Aufzeichnungen und Gespräche hätten ergeben, dass die Banken aus Manhattan dem EU-Mitgliedsland am Mittelmeer ein Jahrzehnt lang bei der Umgehung der Stabilitätskriterien der Eurozone geholfen habe, berichtet die New York Times. So habe Athen durch ein Geschäft mit der US-Bank Goldman Sachs Schulden in Milliardenhöhe vor der EU geheimhalten können.

2001, kurz nach Griechenlands Zulassung zur Eurozone, etwa habe Goldman Sachs dem Land mehrere Millionen Dollar geliehen, ohne dass dies öffentlich geworden wäre, berichtet die Zeitung unter Berufung auf mit der Transaktion vertraute Kreise. Das Geschäft sei als Devisenkauf und nicht als Kredit dargestellt worden. So habe Goldman Sachs dazu beigetragen, dass Griechenland dem Anschein nach die Defizitvorgaben der Eurozone erfüllte.

Die Banker bewiesen bei den dubiosen Deals auch noch Sinn für Zynismus: Einige der Geschäfte sollen sie nach Figuren der griechischen Mythologie benannt haben, wie zum Beispiel nach Aeolos, dem Gott der Winde.

Der Trick funktionierte folgendermaßen: Nach einem Bericht des Spiegel nutzten die Banker einen sogenannten Cross-Currency-Swap. Mit derartigen Instrumenten sollten in anderen Währungen aufgenommene Staatsschulden von rund zehn Milliarden für eine gewisse Laufzeit in Euro getauscht werden und später wieder zurück. Griechenland habe allerdings nicht den zu dem Zeitpunkt geltenden Euro-Gegenwert erhalten, sondern dank eines günstigen Wechselkurses eine deutlich höhere Summe.

Goldman Sachs habe dem Land damit einen zusätzlichen Kredit verschafft, der in den Schuldenstatistiken nicht auftauchte.

Selbst als die Haushaltskrise in Griechenland sich ihrem Höhepunkt näherte, suchten US-Banken dem Bericht der New York Times zufolge nach Wegen, dem Land eine Offenbarung seines Schuldenproblems zu ersparen.

Anfang November sei eine Delegation von Goldman Sachs, angeführt von Bankchef Gary Cohn, nach Athen gereist, um der in Bedrängnis geratenen Regierung eine Lösung vorzuschlagen, berichtete das Blatt unter Berufung auf zwei über das Treffen informierte Menschen.

Das Konzept bot Griechenland demnach die Möglichkeit, die Fälligkeit der Schulden des griechischen Gesundheitssystems in eine ferne Zukunft zu verlegen. Auf dieses Angebot sei Athen jedoch nicht eingegangen, schrieb das Blatt.

Euro-Finanzminister beraten über Hilfen

Der Bericht in der New York Times kommt im Vorfeld von Beratungen der Euro-Finanzminister, die an diesem Montag über das Sicherungsnetz für das hoch verschuldete Mitgliedsland sprechen wollen. Zuvor hatten die EU-Staats- und Regierungschefs eine bisher beispiellose Erklärung verabschiedet, wonach Athen im Falle eine akuten Finanzkrise unter die Arme gegriffen werden soll.

Führende Wirtschaftswissenschaftler haben diese Zusage scharf kritisiert. "Dadurch gerät das ganze Gebäude in Schieflage", sagte der langjährige Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, der Welt am Sonntag. Griechenland müsse sich selbst helfen.

Er verwies unter anderem auf das großzügige griechische Rentensystem: "Es kann doch nicht angehen, dass man Hilfe von außen in Anspruch nimmt, um so etwas weiterbetreiben zu können." Einer Nothilfe zugunsten Griechenland steht Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entgegen. Der besagt, dass die europäischen Staaten auch in der Währungsunion nicht füreinander haften oder einstehen.

Mehrheit gegen Kredit für Griechenland

Ohne die Zusage, dass mit der Währungs- nicht auch eine Transferunion entsteht, hätte zumindest in Deutschland die öffentliche Meinung die Einführung des Euro niemals hingenommen, sagte der Würzburger Ökonom Norbert Berthold. "Artikel 125 verträgt keine Kompromisse", glaubt auch Exprte Issing. "Wenn man die Regel einmal verletzt, bricht ein Damm, und es gibt kein Halten mehr", sagte er mit Blick auf die angespannte Lage auch in Ländern wie Spanien oder Portugal.

Eine Mehrheit der Bundesbürger plädiert derweil für einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone, wenn dessen Verschuldung die Stabilität der Gemeinschaftswährung gefährden sollte. In einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag sprachen sich 53 Prozent dafür aus. 38 Prozent lehnen diesen Schritt ab. Noch deutlicher ist mit 67 Prozent die Mehrheit, die sich gegen Finanzhilfen aus Deutschland und anderen EU-Staaten ausspricht.

Wie von der Kommission vorgeschlagen, wollen die EU-Finanzminister das Defizitstrafverfahren gegen Athen verschärfen. Griechenlands Haushaltspolitik wird damit in bisher ungekannter Weise unter strenge Aufsicht gestellt; das Mittelmeerland muss bis 2012 seine Neuverschuldung unter die erlaubte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) drücken.

2009 hatte die Neuverschuldung in Griechenland das Rekordniveau von 12,7 Prozent des BIP erreicht. In diesem Jahr hat Athen das ehrgeizige Ziel, durch scharfe Einschnitte ins Sozialsystem, Lohnkürzungen und Steuererhöhungen das Defizit um vier Prozentpunkte zu senken.

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