Süddeutsche Zeitung

Euro-Rettungsschirm:Och, die 1,5 Billionen Euro

Irrwitz in Zahlen: Wirtschaftsexperten fordern, dass der Rettungsschirm der EU kurzerhand auf 1,5 Billionen Euro verdoppelt werden sollte. Finanzminister Schäuble ist entsetzt. Doch angeblich soll Portugal schon jetzt unter den Rettungschirm gedrängt werden.

Der Wirbel um den EU-Rettungsfonds erreicht eine neue Dimension: Sagten Experten wie Bundesbank-Chef Axel Weber zunächst nur, dass der Rettungsschirm zur Not noch ausgeweitet werden könnte, fordern jetzt andere, dass die Summe von bislang 750 Milliarden Euro auch verdoppelt werden könnte.

Damit solle sichergestellt werden, dass neben Irland und möglicherweise auch Portugal und Spanien weitere Länder den Rettungsschirm nutzen können. Zur Beruhigung der Märkte sollte die Aufstockung "so schnell wie möglich" gemacht werden, sagte der Finanzexperte Henning Vöpel vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut (HWWI) der Zeitung Bild. Vöpel fordert, dass der Rettungsschirm zunächst um 500 Milliarden Euro auf 1,25 Billionen Euro ausgedehnt werden solle.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, hält sogar eine Verdoppelung des Garantierahmens auf 1,5 Billionen Euro für "vorstellbar". Zimmermann warnte jedoch, das Schuldenproblem in der Eurozone lasse sich auf diese Art nicht dauerhaft lösen. "Um den Euro zu sichern und die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, müssen endlich Banken und Versicherungen an den Lasten beteiligt werden", sagte der DIW-Chef ebenfalls in Bild.

"Abseitige Äußerungen"

Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble teilt diese Ansicht nicht: "Ich halte von den Forderungen gar nichts", sagte Schäuble im Bayerischen Rundfunk. Der aktuelle Umfang des Rettungsschirms sei ausreichend: "Wir haben ja das Instrument, um Krisen in der Eurozone zu bewältigen, daran wird im Falle Irland ja auch intensiv gearbeitet."

Die Forderungen nach einer Erhöhung des Rettungsschirms erklärte der CDU-Politiker mit der aktuellen Nervosität. "Es wird derzeit unheimlich viel spekuliert, und da gewinnen auch ganz abseitige Äußerungen plötzlich eine Bedeutung und verunsichern die Märkte, und das schafft zusätzliche Unruhe." Er äußerte die Hoffnung, dass es im Falle Irlands bis Anfang kommender Woche die notwendigen Entscheidungen gebe, "damit wieder Ruhe in die Märkte einkehrt und damit diese völlig übertriebenen Spekulationen auch beendet werden".

Auch in der FDP formiert sich Widerstand gegen eine Vergrößerung des Rettungsschirms. Der finanzpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag und Vorsitzende des Finanzausschusses, Volker Wissing, sagte der Zeitung: "Jetzt muss es um die Einführung harter Sanktionsmechanismen für Schuldensünder gehen. Ausländische Schulden müssen ausländische Schulden bleiben. Wer von einer Transferunion träumt, wird den härtesten Widerstand der FDP erleben." Der Bundestagsabgeordnete und Europaexperte der Liberalen, Oliver Luksic, warnte, es dürfe "keine Vollkasko-Versicherung in unbegrenzter Höhe geben".

"Gut für Spanien"

Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass womöglich bald schon Portugal Schutz unter dem Schirm sucht. Angeblich drängten die Europäische Zentralbank (EZB) und eine Mehrheit der Euroländer, dass nach Irland auch Portugal einen Antrag auf EU-Hilfen stellen sollte.

Portugals Banken seien zwar nicht so hoch verschuldet wie die irischen Finanzinstitute, aber derzeit offenbar bei ihren Geschäften ebenfalls auf Geld der EZB angewiesen, berichtete die Financial Times Deutschland weiter. Dem Blatt zufolge wollen die Europäer durch ihren Druck auf die Regierung in Lissabon Spanien vor einer Rettungsaktion bewahren. "Wenn Portugal den Schirm nutzen würde, wäre das für Spanien gut, weil das Land in Portugal stark engagiert ist", zitierte die Zeitung aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums.

Zuvor hatte es allerdings auch immer geheißen, dass mit der Rettung Irlands gerade vermieden werden sollte, dass auch die Länder der Iberischen Halbinsel die EU um Hilfe bitten müssten.

Portugal wies später den Bericht in der FTD zurück. "Dieser Artikel ist vollkommen falsch, er ist ohne Grundlage", sagte ein Regierungssprecher.

Das Hilfspaket für Irland wird Euro-Zonen-Kreisen zufolge wohl am Sonntag festgezurrt. Von den insgesamt 85 Milliarden Euro seien 35 Milliarden Euro zur Rettung des Finanzsektors und 50 Milliarden Euro für die Sanierung des Haushalts vorgesehen, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person. Wer wie viel beisteuert sei noch nicht abschließend festgelegt worden. 20 Milliarden Euro könnten vom Internationalen Währungsfonds zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzminister der Euro-Zone würden das Paket wohl am Sonntag auf einer Telefonkonferenz freigeben.

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