Kommissionschef attackiert Regierungen:Barroso watscht Deutschland und Frankreich ab

Rundumschlag aus Brüssel: EU-Kommissionschef Barroso wirft Finanzmärkten und Ökonomen Panikmache vor - und den mächtigen europäischen Regierungen unterstellt er, wirksame Sanktionen gegen Schuldensünder bewusst zu verhindern. Nach Barrosos Ansicht haben diese auch eine Mitschuld an der griechischen Katastrophe.

Es ist ein Rundumschlag aus Brüssel: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat Finanzmärkte, Ökonomen und europäische Regierungen für ihr Verhalten in der Euro-Krise attackiert.

European Commission President Barroso holds a joint news conference with Finland's PM Katainen at the European Commission headquarters in Brussels

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso fordert mehr Disziplin von den europäischen Regierungen.

(Foto: REUTERS)

Barroso kritisiert in dem Interview mit der Bild-Zeitung die Regierungen der Euro-Länder. Sie hätten bei der Aufnahme Griechenlands in den Euroraum "massiven politischen Druck" auf die EU-Kommission ausgeübt und Sanktionen gegen Schuldenländer verhindert.

Die Attacken aus Brüssel kommen nicht von ungefähr. In den vergangenen Wochen hat sich das Verhältnis zwischen dem Kommissionchef einerseits sowie den mächtigen europäischen Staats- und Regierungschefs andererseits eingetrübt. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy versuchen offenbar, den belgischen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy als neues Gesicht der Euro-Zone zu installieren. Zudem gab es zum Beispiel in der Diskussion um die europäische Wirtschaftsregierung unterschiedliche Meinungen zwischen Barroso und Merkel/Sarkozy.

Entsprechend heftig sind nun die Anschuldigungen. So sagte Barroso beispielsweise, die Aufnahme Griechenlands in den Euroraum sei eine politische Entscheidung gewesen. Die EU-Kommission habe 1998 in einem Bericht ausdrücklich erklärt, "dass Griechenland die Kriterien für den Euro noch nicht erfüllt hatte", sagte der Barroso. "Aber es war der politische Wunsch, dass Griechenland aufgenommen wird. Es gab massiven politischen Druck der Mitgliedsländer für eine Aufnahme."

Den EU-Ländern warf Barroso zudem vor, wirksame Sanktionen gegen Schuldensünder-Länder "bisher immer wieder durch politische Verhandlungen verhindert" zu haben: "Da ging es nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. Damit muss es jetzt vorbei sein. Wir brauchen mehr Disziplin und Integration der Mitgliedsländer." Die Maastricht-Kriterien besagen, dass ein Staat im Jahr nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts an neuen Schulden machen darf. Die Schuldenquote insgesamt darf nicht bei mehr als 60 Prozent liegen. Gegen diese Regeln haben viele Euro-Länder verstoßen, darunter auch Deutschland, ohne mit nennenswerten Sanktionen belegt zu werden.

Anleger an den Finanzmärkten und Wirtschaftsexperten bezichtigte Barroso der Panikmache. Die Finanzmärkte seien "nicht unfehlbar", sagte er: "Früher haben die Experten und Finanzmärkte die Schuldenprobleme eher unterschätzt, heute übertreiben sie manchmal die Risiken und erzeugen Panik."

Barroso bestritt auch, dass reiche Euro-Staaten wie Deutschland ihre Hilfen für Griechenland nicht zurückbekommen würden: "Bis jetzt sind Kredite und Bürgschaften erteilt worden, keine direkten Transferzahlungen. Von einem Fass ohne Boden kann keine Rede sein."

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