EU-Kommissar De Gucht:"Mehr exportieren"

Das große Problem der Euroländer ist keineswegs ein schwacher Euro, sondern die dramatische Lage in Griechenland.

C. Gammelin und J. A. Heyer

EU-Handelskommissar Karel De Gucht hält den Euro für stabil. Dass der Wechselkurs im Vergleich zum Dollar in den vergangenen Wochen leicht gefallen sei, finde er "keineswegs besorgniserregend", sagte der EU-Kommissar der Süddeutschen Zeitung.

Euro, Foto: ddp

Nicht der schwache Euro ist das Problem - die dramatische Lage in Griechenland stellt die Gefahr dar. Deshalb ist das griechische Sparpaket "sehr substantiell".

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"Unter normalen Umständen wären wir alle mit diesem Kurs sehr glücklich." Denn der gegenwärtige Kurs mache die Exporte europäischer Unternehmen ins Ausland deutlich preiswerter. Viele Unternehmen profitierten davon. "Läge der Wechselkurs bei 1,50 Euro oder 1,60, würde das für den europäischen Handel überhaupt nichts nutzen", so der belgische Kommissar.

Das große Problem der Euroländer sei derzeit keineswegs ein schwacher Euro, sondern die dramatische Lage in Griechenland. De Gucht bezeichnete das am vergangenen Wochenende verabschiedete griechische Sparpaket als "sehr substantiell".

Die Kommission werde dessen Umsetzung streng überwachen. Alle drei Monate werde sie einen Bericht vorlegen, sodass Abweichungen von den Vorgaben schnell erkannt und beseitigt werden könnten.

Abwarten war richtig

De Gucht wies Vorwürfe zurück, wonach sich die Euroländer zu viel Zeit gelassen hätten, um ein finanzielles Rettungspaket für das Partnerland zu schnüren. "Nur so ist es uns gelungen, die griechische Regierung davon zu überzeugen, dass sie die harten Sparauflagen unterschreiben muss", sagte De Gucht.

Athen habe sich nun verpflichtet, in den kommenden Jahren 30 Milliarden Euro weniger auszugeben, das entspreche mehr als zehn Prozent der Wirtschaftskraft. "Vor drei Monaten hätten die Griechen diesem Ziel niemals zugestimmt", sagte der Kommissar. Zugleich warnte er vor weiteren Auflagen. Jetzt müsse darauf geachtet werden, "dass in Griechenland keine revolutionäre Stimmung entsteht, die alle Pläne wieder zunichtemacht".

Deutschland profitiert bis heute von der Arbeitsmarktreform

Der Handelskommissar verteidigte Deutschland gegen Kritik aus anderen EU-Ländern, allen voran Frankreich und Italien, wonach die Deutschen zu viel exportierten, aber zu wenig konsumierten. "Deutschland macht, was alle Länder in der Europäischen Union machen sollten: mehr exportieren", sagte De Gucht.

Im Jahre 2005 habe die damalige rot-grüne Bundesregierung "die richtigen Entscheidungen getroffen". Zwar sei sie danach aus dem Amt gejagt worden, von der Reform des Arbeitsmarktes und der Senkung der Lohnnebenkosten würde das Land allerdings bis heute profitieren.

Vergleiche mit China sind nicht angebracht

Kritik, wonach die deutsche Exportpolitik ähnlich aggressiv sei wie diejenige Chinas, wies er zurück. Beide Länder seien nicht zu vergleichen. China sei immer noch ein Niedriglohnland, die Regierung könne ihre Währung nach Belieben auf- oder abwerten. Deutschland sei dagegen in eine Gemeinschaft eingebunden, Löhne und Lebensbedingungen unterschieden sich von denen Chinas.

SZ-Graphik, Perspektiven für die Eurozone

Die Wirtschaftprognose der EU-Kommission ergibt, dass jeder zehnte arbeitsfähige Europäer arbeitslos bleibt und die Schulden weiter steigen.

(Foto: SZ-Graphik)

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn legte an diesem Mittwoch in Brüssel die neue Frühjahrsprognose vor. Danach wird das deutsche Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf fünf Prozent steigen und auch 2011 nur geringfügig sinken. Die deutsche Wirtschaft wird im gleichen Zeitraum voraussichtlich um 1,2 beziehungsweise um 1,6 Prozent zulegen - deutlich mehr als der europäische Durchschnitt.

"Griechenland ist ein Einzelfall"

Rehn warnte vor neuen Schuldenbergen. Ungeachtet aller Mahnungen zu mehr Budgetdisziplin häuften die Länder immer neue Schulden an. Die öffentlichen Defizite steigen in diesem Jahr voraussichtlich um durchschnittlich 0,3 Punkte auf 6,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Das sei "beunruhigend hoch", sagte der finnische Kommissar. Griechenlands Defizit soll im laufenden Jahr von zuvor 13,6 Prozent auf acht Prozent sinken. In anderen Mitgliedsländern mit Schuldenproblemen sinken die Defizite dagegen kaum. Spanien werden 9,8 Prozent prognostiziert nach 11,2 Prozent im vergangenen Jahr, für das von der Bankenkrise besonders getroffene Irland 11,7 Prozent nach 14,3 Prozent im Vorjahr.

Rehn wies Gerüchte zurück, wonach weitere Euroländer wie Spanien bald auf Finanzhilfen angewiesen sein könnten. "Nein, es ist nicht notwendig, finanzielle Unterstützung vorzuschlagen", sagte er. "Griechenland ist ein Einzelfall."

Aufschwung fällt sehr unterschiedlich aus

Insgesamt bemühte sich Rehn um Zuversicht. Die europäische Wirtschaft werde in diesem Jahr um ein Prozent wachsen, 2011 könnten es sogar 1,7 Prozent sein. Das ist deutlich stärker, als im vergangenen Jahr vermutet. "Der wirtschaftliche Aufschwung ist da", sagte Rehn.

Seit Jahresbeginn gewinne die weltweite Wirtschaftstätigkeit wieder an Fahrt. Vor allem das verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor hätten zugelegt. Allerdings falle der Aufschwung in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aus. Rehn warnte davor, angesichts der erfreulichen Zahlen zu glauben, dass die Krise nun vorbei sei.

Der Aufschwung sei fragil und zum Teil den milliardenschweren nationalen Konjunkturprogrammen zu verdanken. Angespannt bleibt die Situation auf dem europäischen Arbeitsmarkt. In diesem Jahr werde die Arbeitslosenquote auf den Rekordstand von 9,8 Prozent steigen. Damit falle sie zwar geringer aus als noch im Herbst angenommen, aber dennoch bleibt demnach jeder zehnte arbeitsfähige Europäer in den kommenden Monaten ohne Job.

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