EU-Hilfspaket für Irland: Börsenreaktion:Der Befreiungsschlag verpufft

Die Freude hielt nicht lange: Nachdem an der deutschen Börse und im Devisenhandel mit dem Euro die Erleichterung über den Hilfsantrag Irlands zunächst dominierte, bröckelten die Kurse im Tagesverlauf ab.

Deutschland steht als Teil der Euro-Staatengemeinschaft für Irlands Finanzmisere mit gerade, doch die Börsianer in Frankfurt jubelten zunächst. Das EU-Hilfspaket für Dublin machte den Anlegern am Aktienmarkt am Morgen wieder Mut. An der deutschen Börse stieg der Leitindex Dax in den ersten Handelsstunden um 0,7 Prozent, bröckelte dann aber bis zum Nachmittag auf 6839 Punkte (-0,1 Prozent) ab.

Deutsche Boerse

Ein Wertpapierhändler an der Frankfurter Börse telefoniert am Tag nach dem Hilfeantrag Irlands. Der deutsche Aktienmarkt startete zunächst recht freundlich, doch im Laufe des Tages hatte die grundsätzliche Einigung zwischen Dublin und der EU über ein Hilfspaket für Irland immer weniger Einfluss auf die Aktienkurse.

(Foto: dapd)

David Buik, Marktstratege bei BGC Partners in London, machte die bislang fehlenden Details für die Zurückhaltung verantwortlich. Der Markt warte auf "harte Fakten" und könne bislang nur spekulieren. Von Händlerseite hieß es, bei Rettungen sei das immer so - erst werde gefeiert und dann frage man sich: "Was feiern wir hier eigentlich?"

Irische Staatsanleihen stabilisieren sich

Auf Unternehmensseite gehörten die Papiere von ThyssenKrupp nach einem Bericht des Handelsblatts über einen möglichen Umbau zu den Favoriten. Sie gewannen 0,5 Prozent auf 28,54 Euro hinzu und gehörten nach dem Richtungswechsel des Marktes zu den wenigen Gewinnern.

Positive Analystenkommentare hievten die Papiere von Volkswagen (VW) und BMW an die Dax-Spitze. Die VW-Vorzüge rückten um knapp 2,3 Prozent auf 125,55 Euro vor, die BMW-Titel um ebenfalls 2,3 57,97 Euro.

Der Euro hatte wie die deutsche Börse zunächst mit Kursgewinnen auf die Beantragung der Irland-Hilfen reagiert, im weiteren Handelsverlauf gab die europäische Gemeinschaftswährung allerdings nach auf 1,3642 Dollar nach. Am späten Freitag in New York hatte der Euro bei 1,3683 Dollar notiert.

Die Risikoaufschläge für irische Staatsanleihen sanken nach dem irischen Hilfsantrag deutlich. Der Kurs der zehnjährigen Papiere kletterte am Montag um 1,235 Punkte zunächst auf 81,76 Zähler. Die Rendite fiel damit unter die Marke von 8,0 auf 7,7 Prozent, doch in der Folge zogen die Renditen wieder auf 8,2 Prozent an. In der vergangen Woche hatte die Zitterprämie für irische 10-Jahrespapiere noch bei 8,4 Prozent gelegen. Deutsche Staatsanleihen werfen im Vergleich dazu 2,7 Prozent im Jahr ab. Staatstitel aus Portugal, Spanien und Griechenland zeigten sich hingegen kaum bewegt.

Händler: "Marktreaktion vergleichsweise verhalten"

"Die Erleichterung ist durchaus spürbar", sagte ein Rentenhändler. "Allerdings kommt trotzdem noch nicht wieder so richtig Volumen in den Markt. Da scheint es einige Skeptiker zu geben."

Gemessen an den Versicherungen bei Zahlungsausfall schätzten die Investoren die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit Irlands geringer ein als noch in der vergangenen Woche. Die fünfjährige Versicherung eines zehn Millionen Euro schweren irischen Kredits gegen Zahlungsausfall mittels Credit Default Swaps (CDS) verbilligte sich nach Angaben des Datenanbieters Markit um 35 auf 470 Basispunkte.

Händler bezeichneten die Marktreaktion dennoch als vergleichsweise verhalten. Nach Ankündigung der Griechenlandhilfen im Mai waren die Spreads des Mittelmeeranrainers innerhalb eines Tages um mehr als 500 Basispunkte zurückgegangen. "Offensichtlich befürchten die Leute schlicht und einfach, dass sich die Aufmerksamkeit nun weiter verlagert nach Portugal und bald der nächste Wackelkandidat umkippen könnte", sagte ein Händler.

"Der zweite Dominostein ist gefallen", titelten die Analysten der Commerzbank in einem Marktkommentar. Denn Irland ist nach Griechenland der zweite Staat, der von der Staatengemeinschaft unterstützt werden muss.

Moody's hält Absenkung des Ratings für Irland für wahrscheinlich

Um allen negativen Gerüchten den Wind aus den Segeln zu nehmen, kündigte die irische Finanzmarktaufsicht an, dem angeschlagenen Bankensektor mehr Kapital zur Verfügung zu stellen als eigentlich dringend erforderlich. Damit sollten Sorgen vor möglichen künftigen Verlusten abgemildert werden, kündigte Chefaufseher Matthew Elderfield an.

Trotz dieser vertrauensbildenden Maßnahmen machte die Ratingagentur Moody's klar, dass sie die Kreditwürdigkeit des hoch verschuldeten Landes voraussichtlich deutlich herabsetzen werde. Eine Senkung der Bewertung um mehrere Stufen sei "fortan wahrscheinlich", hieß es in einer Studie der Agentur, die am Montag im Internet veröffentlicht wurde.

Moody's hatte im Oktober mitgeteilt, dass Irlands Kreditwürdigkeit unter Beobachtung gestellt worden sei. Derzeit hat Dublin bei den langfristigen Schulden noch die drittbeste Bewertung bei Moody's (Aa2). Bei einer Herabstufung würden Zinsen, die Irland für neue Kredite am freien Kapitalmarkt zahlen muss, weiter steigen. Durch den Antrag auf Hilfen ist Dublin allerdings vorerst voraussichtlich nicht auf neue Marktkredite angewiesen.

Ermahnungen für Anstrengungen

Unterdessen hielten die Diskussionen darüber an, wie die Irland-Hilfen zu bewerten sind. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker nahm sich das Land mit mahnenden Worten zur Brust. Es besehe keine Alternative zu einer Haushaltskonsolidierung in Irland. Wenn die Iren nicht - wie geplant - in den kommenden vier Jahren 15 Milliarden Euro ihres Haushaltes einsparten, werde es "nicht möglich sein, Irland, das sich in einer Notlage befindet, jetzt mit einem europäischen Begleitprogramm zu helfen", sagte Juncker im Deutschlandradio Kultur. Die Iren seien aber bereit, diese beträchtliche Anstrengung zu leisten, betonte Luxemburgs Premier.

Irische Vollgarantie für private Spareinlagen - Britische Kapitalflucht nach Irland

Nur durch staatliche Hilfe konnte Irland den Zusammenbruch seines Bankensystems verhindern - nun müssen die EU-Staaten dem Land unter die Arme greifen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) lobte in der ARD die vorausblickenden Maßnahmen der EU: "Unterm Strich kann man klar sagen, es trifft uns nicht unvorbereitet - anders als im Frühjahr mit Griechenland zum ersten Mal so etwas passiert ist. Es war richtig, dass wir den Schutzschirm gespannt haben."

Der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland werde durch die Irland-Krise nicht gefährdet, sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der FDP-Politiker sagte der Bild-Zeitung: "Sollten Hilfen für Irland fließen, werden diese den Aufschwung in Deutschland nicht gefährden."

"Der Rettungsfonds kann nur Zeit kaufen"

Liquidität durch den EU-Rettungsschirm sei aber nur das Eine. "Daneben muss Irland konsequent Anstrengungen unternehmen, damit seine Wirtschaft wettbewerbsfähiger wird", sagte Brüderle und fügte hinzu, er habe keinen Zweifel, dass Irland das gelingen werde.

Der CDU-Wirtschaftsexperte und stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, forderte von Irland indirekt Steuererhöhungen zur Bewältigung seiner Krise.

Fuchs sagte der Bild-Zeitung: "Irland hat durch seine niedrige Körperschaftssteuer etliche Firmen angelockt. Es kann aber nicht sein, dass Irland Hilfe aus europäischen Finanztöpfen bekommt, aber seine Bürger und Firmen viel niedriger besteuert als andere europäische Länder wie etwa Deutschland."

Der Chef-Volkswirt der Allianz, Michael Heise, verlangte von den Euro-Ländern weitere Reformanstrengungen um die Finanzmärkte nachhaltig zu beruhigen. Heise sagte der Zeitung: "Der Rettungsfonds der Euro-Länder kann nur Zeit kaufen. Am Ende liegt die Verantwortung bei den Ländern selbst. Sie müssen notwendige Reformen erfolgreich umsetzen. Nur das wird die Märkte langfristig beruhigen."

Roubini: "Es wird keinen Retter vom Mars geben"

Sehr kritisch beurteilte der Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini die Hilfen für Irland: "Wir haben uns entschieden, die privaten Verluste des Bankensystems zu sozialisieren. Als Konsequenz ergibt sich ein riesiger Anstieg der Staatsverschuldung - von sieben auf 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, bald werden es 120 Prozent sein", sagte Roubini dem amerikanischen Fernsehsender CNBC.

Nach Auffassung des amerikanischen Ökonomen werden durch die Bürgschaften für Irland die Probleme nur vertagt. "Das ist, wie wenn man die Straße entlang geht, und eine Dose vor sich her kickt", sagte Roubini, der als einer der ersten Experten die Finanzkrise vorhergesehen hatte.

Durch die Hilfen für Irland verbürgten sich supra-nationale Einheiten für staatliche Schulden. Dadurch würden die Probleme nur vergrößert und konzentriert: "Es wird niemanden geben, der vom Mars oder vom Mond kommt, um den IWF oder die Euro-Zone zu retten."

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