EU-Gipfel in Brüssel:Details erst zum Dessert

Wie sicher ist der Euro wirklich? Das Konzept der neuen Chefstrategen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ist immens umstritten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum EU-Gipfel.

Cerstin Gammelin, Brüssel

An diesem Freitag wird in Brüssel mittags ein europäisches Menü serviert. Ein belgischer Chefkoch bewirtet 27 europäische Staats- und Regierungschefs - und ein deutsch-französisches Duo tritt auch auf. Zwischen Vorspeise und Dessert stellen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy erstmals Details ihres Planes vor, der die Europäische Union krisenfest machen soll.

Es ist ein riesiges Paket, ein "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" (Merkel). Enthalten sind Änderungen am jetzigen Rettungsschirm für notleidende Euro-Länder, das Konzept für einen ständigen Rettungsschirm von 2013 an, Ideen für die Umschuldung von Staaten, die Reform des Stabilitätspaktes und eine bessere wirtschaftspolitische Koordinierung.

Stimmen die Kollegen zu, soll Ratspräsident Herman Van Rompuy daraus ein europäisches Papier machen. Es könnte bis Ende März besprochen und beschlossen und bis Sommer umgesetzt werden. Dann nähme die europäische Wirtschaftsregierung 17 plus - die Euro-Länder zuzüglich aller interessierten EU-Partner - ihre Arbeit auf. Neun Fragen stehen im Mittelpunkt.

Welche wirtschaftspolitischen Kompetenzen werden via Wirtschaftsregierung an die EU übertragen?

Es werden keine nationalen Kompetenzen nach Brüssel abgegeben. Sozial-, Lohn-, Arbeitsmarkt-, Steuer- und Investitionspolitik bleiben in nationaler Regie. Der deutsch-französische Plan sieht vor, dass die Regierungen untereinander Absprachen treffen. Sie sollen sich an einen Tisch setzen und das Versprechen eingehen, das Renteneintrittsalter anzugleichen, die Gehälter in bestimmten Grenzen zu halten, die automatische Erhöhung der Löhne um die Inflationsrate abzuschaffen, die Mehrwertsteuer oder die Steuer für Unternehmen europaweit anzupassen. Unklar ist noch, wie solche zwischenstaatlich ausgehandelten Versprechen, für die es keine vertragliche Grundlage gibt, bei Nichterfüllung bestraft werden können.

Wird die EU-Kommission entmachtet oder gewinnt sie an Stärke?

Die Absprachen werden nur von Regierungschefs getroffen. Die EU-Kommission gewinnt keine politische Macht hinzu. Die Behörde soll später beauftragt werden, zu überwachen und zu berichten, ob die Versprechen eingehalten werden.

Gehen künftig in Europa alle Arbeitnehmer mit 67 in Rente?

Es ist kein einheitliches Rentenalter für alle geplant. Der Kanzlerin Merkel geht es um eine gesunde Mischung von Sozialstandards. Sie will einige europäische Regierungen durch sanften Druck überzeugen, überfällige Reformen anzuschieben und wettbewerbsfähiger zu werden. In einigen Ländern gehen die Menschen mit 55 in Rente, anderswo mit 67. Solche Unterschiede soll es nicht geben.

27? 17? Oder noch weniger?

Ist es sicher, dass alle EU-Mitglieder dem zustimmen werden?

Nein. Unter den Ländern, die nicht mit dem Euro zahlen, ist Großbritannien dagegen. Länder wie Polen, die den Euro einführen wollen, möchten sich dagegen jetzt schon mit den Euro-Ländern absprechen. Deshalb soll die Wirtschaftsregierung der 17 Euro-Länder offen sein.

Startet das Projekt notfalls auch nur mit einigen Ländern?

Normalerweise müssen alle 17 Euro-Länder zustimmen, weil es darum geht, die Währungsunion als Ganzes zu stabilisieren. Theoretisch ist es auch möglich, dass eine kleinere Gruppe mit der wirtschaftspolitischen Koordinierung beginnt.

Wird die Wirtschaftsregierung zur weiteren EU-Behörde ausgebaut?

Nein, das ist nicht geplant. Die Regierungschefs der Euro-Länder werden für ihre Treffen und Absprachen die vorhandenen EU-Institutionen nutzen, vor allem den Europäischen Rat.

Geht es künftig in der EU nur noch nach dem Willen Deutschlands und Frankreichs?

Keinesfalls. Deutschland galt bekanntlich noch vor ein paar Jahren als "kranker Mann Europas". Es geht darum, dass sich die Euro-Länder grundsätzlich an den stärksten Partnern orientieren - egal, wer das ist.

Werden damit alle Probleme mit dem Euro gelöst?

Falls das Paket mit allen Elementen verabschiedet wird, sollte der Euro deutlich sicherer werden. Denn dann verpflichten sich die Länder, Reformen durchzuziehen und wettbewerbsfähiger zu werden. Gleichzeitig wird ein Hilfsmechanismus für notleidende Partner geschaffen. Er greift unter strikten Voraussetzungen. Damit dürfte die Lust der Spekulanten, mit dem Kauf oder Verkauf von Staatsanleihen auf Pleiten von Euro-Ländern zu wetten, deutlich sinken.

Wie soll der ständige Rettungsschirm aussehen?

Sowohl die Ausstattung und die Aufgaben sind noch heiß umstritten. Klar ist, dass die Länder eine Garantie geben wollen, um im außerordentlichen Notfall jeden Partner zu retten.

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