Ethanol-Sprit E 10:Kapitulation vor den Kunden

Erst hatten Autofahrer den Biokraftstoff E10 regelrecht boykottiert. Später ließen sich manche von dem Preisvorteil locken. Doch selbst der ist nun schon fast verschwunden. Dafür kehrt nun die bevorzugte Sorte vieler Kunden wieder zurück.

Michael Bauchmüller

Die Kapitulation vor dem Kunden prangt auf einem riesenhaften, aufgeblasenen Nylon-Würfel. In Aral-blau hockt er auf den Dächern vieler deutscher Tankstellen, die Botschaft ist unmissverständlich: "Ab sofort! Super 95 ist zurück."

Bio-Super-Benzin E10

Blick auf einen Zapfhahn mit dem Bio-Kraftstoff E 10 an einer Tankstelle in Nürnberg.

(Foto: dpa)

Schon im April hatte der Marktführer die Reißleine gezogen, ebenso Konkurrent Shell. Mühsam waren die Kunden eben erst vom Normalbenzin entwöhnt worden. Jetzt sollten sie wenigstens wieder den alten Superkraftstoff tanken können: 95 Oktan, fünf Prozent Ethanol.

Bis dahin hatten sie nur die Wahl gehabt zwischen der Variante mit zehn Prozent Ethanol, kurz E 10, und dem teureren Super Plus. "Selbstverständlich sollen die Kunden die Produkte finden, die sie nachfragen", ließ Shell seinerzeit wissen. Und billiger als Premium-Kraftstoffe wie Super Plus oder V-power ist Super 95 allemal. Und da genau liegt das Problem.

Wenn der E-10-Sprit überhaupt einen Vorteil für Autofahrer gehabt hat, ist der nun so gut wie verschwunden. Denn bei der Einführung des neuen Kraftstoffs vor einem halben Jahr konnten Kunden immerhin noch zwischen fünf und acht Cent einsparen, gemessen am teuren Alternativ-Super mit 98 Oktan.

Mittlerweile aber ist die Differenz zwischen E 10 und herkömmlichem Super 95 auf drei Cent geschrumpft, an manchen Tankstellen kosten beide Sorten sogar gleich viel. Der Haken: Mit dem herkömmlichen Super 95, versetzt mit fünf Prozent Ethanol, fährt ein Auto weiter als mit dem Zehn-Prozent-Anteil im E-10-Gemisch.

Um 1,5 Prozent, so ergaben Vergleichstests mit einem Opel Agila im ADAC-Prüfstand, ist E 10 weniger ergiebig als herkömmlicher Sprit - des geringeren Brennwertes von Ethanol wegen. 1,5 Prozent weniger Leistung für 1,9 Prozent weniger Geld: Der Preisvorteil von E 10 ist so gut wie dahin.

"Es bleibt eigentlich nur der ökologische Gedanke"

"Es bleibt damit eigentlich nur der ökologische Gedanke, dass man etwas für die Umwelt tut", räumt auch Andrea Gärtner ein, Kraftstoffexpertin am ADAC-Technikzentrum in Landsberg. "Vorausgesetzt, das Ethanol stammt aus nachhaltiger Produktion." Genau dies hatten Umweltverbände und auch Kirchen in Zweifel gezogen. So könne die Nachfrage nach Ethanol auch Nahrungsmittel verteuern, warnten sie, und das womöglich auf Kosten der Natur. Selbst der Klimanutzen der neuen Sorte gilt als bestenfalls bescheiden.

Ob sich E 10 so jemals durchsetzen wird können, weiß keiner. Immerhin hat sich die Angst unter Autofahrern gelegt, der Sprit könne womöglich dem Motor schaden. An jenen Tankstellen, die E 10 anbieten, greift mittlerweile jeder Dritte zu der neuen Spritsorte. Allerdings ist bisher nur gut die Hälfte der deutschen Tankstellen mit dem Ethanol-Sprit ausgestattet, vornehmlich im Osten und Süden der Republik.

Aral will noch in diesem Jahr die zweite Hälfte seiner knapp 2500 Tankstellen umstellen. "Wir gehen davon aus, dass E 10 langfristig zur meistgetankten Ottokraftstoffsorte wird", sagt Aral-Chef Stefan Brok. Die Kunden würden den Sprit "zunehmend akzeptieren". Konkurrent Shell dagegen wartet ab. "Wir beobachten erst einmal, wie sich der Markt entwickelt", sagt ein Konzernsprecher.

Ihre Auflagen, so viel ist klar, wird die Branche allein mit E 10 in diesem Jahr nicht erfüllen können. Einen Energieanteil von 6,25 Prozent müssen Mineralölfirmen aus erneuerbaren Quellen decken, das fordert das Gesetz. Sonst müssen sie Strafen zahlen. Alternativen freilich gibt es schon: Die Unternehmen könnten Agrosprit-Zertifikate kaufen - etwa von Firmen, die reinen Biodiesel für Lkws vertreiben. Oder sie könnten mehr Treibstoffe der "zweiten Generation" beimischen, gewonnen aus Müll und pflanzlichen Abfällen.

E 10 dagegen kann ohne Preisvorteil wohl nur noch eine PR-Kampagne retten. Mit riesigen Würfeln vielleicht, auf dem Tankstellendach.

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