Ermittlungen im Fall Sarasin:Einer sitzt

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Der mutmaßliche Erpresser der Schweizer Privatbank Sarasin sitzt in Untersuchungshaft - kooperiert er mit den Ermittlern, könnte er noch viele Verdächtige in Bedrängnis bringen. Die Kölner Staatsanwaltschaft glaubt, dass die Bank den deutschen Fiskus systematisch ausnehmen wollte.

Von Klaus Ott, München

Razzien in München, Frankfurt, in Luxemburg, in vielen anderen Ländern bis nach Übersee und zuletzt sogar in der Schweiz. Beschlagnahmte Unterlagen, die Hunderte Ordner füllen. Strafanzeigen, Vernehmungen und sogar schon erste Gerichtsurteile, die auf kriminelle Geschäfte hindeuten. Seit gut zwei Jahren sind Staatsanwälte, Steuerfahnder und Kriminalbeamte hinter zahlreichen Bankern, Fondsbetreibern und Händlern her, die den deutschen Fiskus mit dubiosen Aktiendeals um etliche Milliarden Euro betrogen haben sollen. Oder zumindest versucht haben sollen, den Staat auszunehmen.

Jetzt sitzt der erste Verdächtige hinter Gitter. Es ist ein deutscher Geschäftsmann, der die Deals offenbar genau durchschaut hat. Und der dann im Frühjahr 2011 einen großen Fehler gemacht haben soll: Die Schweizer Bank Sarasin, die heute unter J. Safra Sarasin firmiert, mit diesem Wissen zu erpressen, statt das Finanzministerium in Berlin zu informieren. Letzteres war damals der Bank in einer Erpresser-Mail angedroht worden. Daraufhin floss, über zwei Umwege, eine Million Euro.

Die Kölner Staatsanwaltschaft hat den mutmaßlichen Erpresser im Oktober in München festnehmen lassen, nunmehr sitzt er in Untersuchungshaft. Sollte der Geschäftsmann erzählen, was er über die fragwürdigen Aktiendeals alles erfahren haben will, dann könnte das für einige Herren sehr ungemütlich werden. Auch für Eric Sarasin, den bisherigen Vizechef des in Basel ansässigen Geldinstituts, der Ende vergangener Woche wegen der Ermittlungen zurückgetreten ist.

Rückzahlungsansprüche für niemals gezahlte Steuern

Erric Sarasin und mindestens ein weiterer früherer Manager der sechstgrößten Bank in der Schweiz sollen sich zusammen mit vielen weiteren Beschuldigten zu einer "Bande" von mehr als 30 Leuten zusammengeschlossen haben, um mit einem gemeinsam gefassten Tatplan den deutschen Fiskus auszunehmen. Das geht aus dem Durchsuchungsbeschluss für die kürzlich erfolgte Razzia bei Sarasin, bei Luxemburger Fonds namens Sheridan, bei US-Pensionsfonds und anderen Firmen hervor.

Tatplan, Bande - das sind schwere Vorwürfe, die Eric Sarasin entschieden zurückweist. Sein Rückzug ist kein Schuldeingeständnis. Der bisherige Vizechef wolle vermeiden, dass das Verfahren dem Ruf der Bank schade, teilte das Geldinstitut mit. Und er wolle sich "unbelastet von anderen Verpflichtungen seiner eigenen Verteidigung widmen". Die Kölner Staatsanwaltschaft glaubt, die vermeintliche Bande habe es beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende einzig und allein darauf abgesehen, beim Fiskus Rückzahlungsansprüche für niemals gezahlte Kapitelertragssteuern geltend zu machen.

462 Millionen Euro habe das bringen sollen. 462 155 980,23 Euro, um ganz genau zu sein. Der überwiegende Teil sei zwar vom Bundeszentralamt für Steuern noch nicht ausbezahlt worden, notierten die Strafverfolger. Sie halten aber alleine schon die in Bonn eingereichten Anträge für strafbar, als versuchte Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Bis zu zehn Jahre Haft sieht das Gesetz vor.

Und die Ermittler vermuten noch mehr. Von der Bank Sarasin angeworbene Kapitalanleger, die mindestens 250 Millionen Euro in die Luxemburger Sheridan-Fonds und andere Projekte investiert hätten, seien betrogen worden. Den Geldgebern sei verschwiegen worden, dass die in Aussicht gestellten Profite aus unberechtigten Steuererstattungen stammen sollten. Und nicht nur das. Mehrere Beschuldigte, zum Beispiel Händler, hätten bei den Aktiendeals hohe Provisionen kassiert. Auf diese Weise seien die von den Anlegern eingesetzten Millionen nahezu aufgebraucht worden. Für die Rückzahlung des Kapitals sei dann oft kein Geld mehr da gewesen, weil der Fiskus nicht mitgespielt, sondern die Steuererstattungen verweigert habe.

Drogerie-König Erwin Müller fordert seine Millionen zurück

Einer der nach Auffassung der Kölner Staatsanwaltschaft geschädigten Anleger wird in dem Verfahren als Zeuge geführt. Das ist Erwin Müller, ein 82-jähriger Patriarch aus Ulm, der ein Drogerie-Imperium aufgebaut hat. Müller hat ebenso wie Carsten Maschmeyer und andere reiche Leute über Sarasin in solche Fonds investiert und fordert nun seine Millionen zurück.

Müller hat die Ermittler mit umfangreichem Material versorgt, das wohl Aufschluss gibt über das mutmaßliche Netzwerk von Sarasin & Co. Einem Netzwerk, das bis übers Meer reichen soll. Bis hin zu Fonds auf Malta und in Irland. Bis hin zu angeblichen Pensionsfonds in den USA, die beim Bonner Bundeszentralamt fleißig Erstattungsanträge für nie gezahlte Steuern gestellt hätten. Mal über 54 Millionen Euro, mal über 43 Millionen Euro, und so weiter. In den USA waren die Pensionsfonds wegen der angeblich entrichteten Abgaben in Deutschland nach Erkenntnissen der Kölner Strafverfolger von der Steuer ausgenommen.

Es liege nahe, notierten die Ermittler, dass die US-Behörden in Kenntnis der wahren Verhältnisse diesen Fonds keine Steuerbefreiung gewährt hätten. Auch der US-Fiskus soll also getäuscht worden sein.

J. Safra Sarasin hat wiederholt erklärt, man habe den deutschen Fiskus nicht betrogen. Die fraglichen Investmentfonds seien von Dritten konzipiert und betrieben worden, nicht von der Bank. Man habe zu keinem Zeitpunkt selbst solche Cum/Ex-Produkte aufgesetzt oder betrieben. Die Bank sei auch nicht erpresst worden und habe auch nichts gezahlt. Zudem seien die Vorwürfe auf Vorgänge aus einer Zeit zurückzuführen, als man noch einen anderen Eigentümer gehabt habe. Noch etwas beteuert die Bank aus Basel: Man kooperiere "uneingeschränkt in den Ermittlungen".

© SZ vom 04.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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