Ergo-Chef Oletzky kämpft um Firmen-Image:"Es ist kompliziert"

Sex-Skandal, Falschberatung, Unregelmäßigkeiten bei Provisionen: Die Liste der Skandale bei Ergo ist lang - und verheerend für das Image des Versicherers. Unternehmenschef Oletzky wehrt sich: die Vorfälle beruhten nicht auf systematischem Fehlverhalten. Gegen das Marketing-Problem will Oletzky mit einem neuen Markennamen ankämpfen - zumindest ein bisschen.

Alina Fichter

Gleich zu Beginn muss Torsten Oletzky zugeben, dass es jetzt leider nicht einfach werden würde, dem eigenen Werbslogan gerecht zu werden. "Versichern heißt verstehen" lautet der. Aber Ergo-Chef Oletzky hat zur Pressekonferenz gerufen, um der Öffentlichkeit den vorerst letzten Skandal seines Unternehmens zu erklären. Thema: Unregelmäßigkeiten bei der betrieblichen Altersversorgung. Durchführungswege. Kollektiverträge. "Es ist kompliziert", sagt Oletzky.

ERGO Versicherungsgruppe - Bilanz PK

Ergo-Chef Oletzky weist den Vorwurf einer neuen Kunden-Abzocke zurück. Es handelt sich um keinen systematischen Fehler.

(Foto: dpa)

Alles verstanden?

Zumindest eine gute Nachricht kann der Konzernchef diesmal verkünden: Ein systematisches Fehlverhalten habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers, die 40.152 Altersvorsorgeverträge überprüft hatte, nicht festgestellt. Zuvor war Ergo-Vertretern vorgeworfen worden, Mitarbeitern von Unternehmen teure Einzelverträge verkauft zu haben statt günstigere Kollektivpolicen; so hätten sie höhere Provisionen eingestrichen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte deshalb Strafanzeige wegen Betrugs erstattet.

Nein, heißt es jetzt bei der Ergo, keine systematischen Fehler diesmal. Auch nicht bei der Frage, ob - so hatte ein weiterer Vorwurf gelautet -, tatsächlich Provisionen an Personalleiter und Geschäftsführer mancher Firmen geflossen seien, die dann zu für die Belegschaft ungünstigen Verträgen geführt hätten. Nur drei Fälle, ja, das gibt man zu, die müssten jetzt strafrechtlich überprüft werden. Torsten Oletzky kann also, so scheint es, nach dem Skandal-Stakkato erst einmal auf- oder wenigstens zwischenatmen.

Im Mai war bekannt geworden, dass Mitarbeiter der Hamburg Mannheimer (HMI), heute Ergo, mit einer Sexreise in die Gellert-Therme Budapests belohnt worden waren. Gleich darauf drangen Tausende Fälle von Falschberatung bei Riester-Verträgen und Unfallpolicen an die Öffentlichkeit, Kunden waren Millionen entgangen. Und zuletzt eben Probleme mit Kollektivverträgen - aber, das beeilt sich Oletzky zu betonen: keine systematischen. Ist der Ruf der Ergo jetzt also gerettet, ein bisschen wenigstens?

Mitnichten. "Die Auswirkungen der Ereignisse auf die Marke sind katastrophal", sagt Werbeprofi Frank Dopheide. Der Grund dafür sei, dass die Taufe der Munich-Re-Tochter auf den Namen Ergo, die eine Eingliederung der zugekauften Marken Hamburg Mannheimer und Victoria erleichtern sollte, noch nicht einmal ein Jahr her gewesen war, als die Skandalfolge sie zu erschüttern begann. Zwar hat sich der Versicherer dieses sogenannte Rebranding, bei dem vor allem der erwähnten Werbeslogan "Versichern heißt verstehen" helfen sollte, bisher 70 Millionen Euro kosten lassen. "Dennoch stand der Name Ergo bis Mai für nichts, er hatte sich in den Köpfen der Menschen nicht etabliert", sagt Dopheide.

Oletzky will es versuchen

Der erste bewusste Kontakt mit der Marke war dann für viele: Medienberichte über eine Sexreise und Kundenabzocke. "Eine Tragödie für Ergo, weil das der Werbekampagne genau entgegenläuft", so Dopheide. Statt das Versprechen einzulösen, klarer, ehrlicher und verständlicher als Konkurrenten aufzutreten, seien alle Klischees über Versicherungsvertreter bestätigt worden. 900 Kunden kündigten in der Folge ihre Verträge mit dem Hinweis, bei einem solchen Unternehmen nicht versichert sein zu wollen.

Würde es der Ergo denn helfen, sich erneut umzutaufen? "Gut möglich", sagt Dopheide. Und tatsächlich, Oletzky will es versuchen - allerdings erst einmal nur mit der Hamburg Mannheimer: Die soll bald anders heißen, wie, wisse man noch nicht. Zudem soll sie künftig stärker von der Ergo-Zentrale kontrollieren werden. Die drei HMI-Chefs, Urgeneräle genannt, werden daher allesamt entlassen. Einer von ihnen, aber das hat laut Oletzky bei dieser überraschenden Entscheidung überhaupt keine Rolle gespielt, hatte sich auch in Budapest vergnügt.

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