Regeln für den Nachlass:Wie man die Kinder vom Erbe fernhält

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In Deutschland ist es nicht einfach, ungeliebte Kinder beim Nachlass leer ausgehen zu lassen. Ein Pflichtteil steht ihnen immer zu. (Foto: dpa)
  • Dass Eltern ein Kind vom Nachlass ausschließen, ist nach deutschem Recht eigentlich kaum möglich. Fast immer besteht zumindest das Recht auf einen Pflichtteil.
  • Allerdings lässt sich das Erbe für den ungeliebten Nachwuchs mindern - und womöglich vielleicht doch auf null senken.

Von Berrit Gräber, München

"Du wirst enterbt" - dieser Satz fällt bei Streitigkeiten häufig im Zorn. Der verstorbene österreichische Schauspieler Karlheinz Böhm hat offenbar still und heimlich getan, womit viele erst einmal nur drohen: Er hat fünf seiner sieben Kinder schlicht enterbt. Sie werden durch juristische Schachzüge vom Millionenvermögen ihres berühmten Vaters wohl kaum etwas abkriegen. Auch hierzulande gibt es für Nachkommen immer wieder böse Überraschungen, sagt Erbrechtsanwalt Paul Grötsch, Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht in München. Sind Vater und Mutter von ihren Kindern enttäuscht, gibt es tiefe Gräben in der Familie, Zerwürfnisse, Entfremdung, Funkstille, wird spätestens beim Aufsetzen des Testaments abgerechnet - und gern enterbt.

Kinder bekommen fast immer etwas

In Deutschland ist es allerdings gar nicht so einfach, ungeliebte Kinder beim Nachlass leer ausgehen zu lassen. Ein Pflichtteil steht ihnen immer zu. Paradoxes Erbrecht: Wer etwa den Sohn per Testament enterben will, kann das problemlos und jederzeit so festschreiben, wie Grötsch erklärt. Die gesetzliche Erbfolge ist damit aufgehoben. Trotzdem wird der Sohn Geld bekommen. An seinem Anspruch auf ein Minimum vom Erbe lässt sich in der Regel nicht rütteln. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und muss in Geld ausbezahlt werden.

Ein Beispiel: Hinterlässt ein verstorbener Witwer zwei Kinder, dann liegt der gesetzliche Erbteil der Sprösslinge bei jeweils 50 Prozent. Wird die Tochter im letzten Willen des Vaters als Alleinerbin eingesetzt und ihr Bruder enterbt, darf dieser trotzdem den Pflichtteil von 25 Prozent verlangen, also ein Viertel des Gesamtvermögens abzüglich der Kosten für die Abwicklung der Bestattung. Bei einem Vermögen von 200 000 Euro hätte der Sohn also Anspruch auf die Auszahlung von stolzen 50 000 Euro - trotz Enterbung. Von der übrigen Erbmasse wie Antiquitäten, Bildern, Erinnerungsstücken oder Familienschmuck darf er aber nichts einfordern.

Anspruch auf Pflichtteil kann zur großen Last werden

Wer eines seiner Kinder im Testament enterbt, andere dafür vorzieht und vor allem Sachwerte und Immobilien vererbt, sollte immer die Folgen bedenken, rät Grötsch. Denn: Für die eingesetzten Erben kann der Pflichtteilsanspruch zur großen Last werden, weil der Betrag in Geld fließen muss, wie auch Michael Rudolf betont, Vorstand der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV). Hatte der Witwer etwa den Großteil seiner Ersparnisse ins Eigenheim investiert, dann müsste die Tochter als Alleinerbin notfalls das Haus verkaufen, um ihren Bruder auszahlen zu können.

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Aber: Werden Enterbte nicht selbst aktiv, geht ihr Pflichtteil flöten. Sie müssen an den oder die Erben herantreten und ein Verzeichnis über den gesamten Nachlass einfordern. Um im Beispiel zu bleiben: Der enterbte Bruder hat ab Kenntnis der Enterbung drei Jahre lang Zeit, seinen Anspruch auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum vom Erbe seines Vaters geltend zu machen. So wird gerechnet: Starb der Vater im August 2015 und hat der Sohn bei der Testamentseröffnung im September von seiner Enterbung erfahren, dann verjährt der Pflichtteilsanspruch am 31. 12. 2018. Neben Kindern können auch Ehepartner, eingetragene Lebenspartner sowie Eltern kinderloser Verstorbener auf ihr Pflichtteil pochen.

Auch "Berliner Testament" ermöglicht Forderungen

ass Kinder nicht gezielt außen vor bleiben dürfen, sollten Eltern auch beim Verfassen des beliebten Berliner Testaments bedenken, warnt Fachmann Grötsch. Mit dieser Konstruktion setzen sich Ehepartner gern gegenseitig als Erben ein. Die Kinder erben erst nach dem Tod beider. Was dabei häufig vergessen wird: Kinder haben schon beim ersten Todesfall Anspruch auf ein Pflichtteil, bei gesetzlichem Güterstand der Eltern also ein Viertel des Vermögens. Auch das kann zur Riesenbelastung werden. Etwa wenn die Witwe das selbstbewohnte Haus verkaufen und ausziehen muss, um die Nachkommen auszahlen zu können. Nur wenn diese freiwillig verzichten, wird kein Pflichtteil fällig.

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Den Pflichtteil zu streichen, ist in Deutschland nur in wenigen Ausnahmefällen möglich, erklärt Erbrechtsspezialist Rudolf. Zum Beispiel dann, wenn ein Sprössling den Vater oder die Mutter vorsätzlich töten wollte, andere schlimme Verbrechen begangen hat, rechtskräftig zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde oder seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber Vater und Mutter böswillig verletzt hat. Dass solche Kinder etwas erhalten, gilt als unzumutbar.

In allen anderen Fällen heißt es: Optionen und juristische Schachzüge nutzen, um den Pflichtteil zu umschiffen oder wenigstens klein zu halten, erklärt Grötsch. Machen Eltern ein Berliner Testament und wollen sie vermeiden, dass Nachkommen schon beim ersten Erbfall ihren Geldanspruch anmelden, können sie eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel in den letzten Willen einbauen. Diese besagt: Macht ein Kind beim Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil geltend, wird es beim zweiten Erbfall enterbt. Es bekommt dann ebenfalls nur noch das gesetzliche Minimum. Mehr nicht. Alternative: mit den Kindern zum Notar gehen und den Verzicht aufs Pflichtteil festzurren.

Rache durch Verschenken

Möglich ist auch, den Pflichtteil durch eine Schenkung noch zu Lebzeiten stark zu minimieren. Gibt ein Vater also mindestens zehn Jahre vor seinem Tod 100 000 Euro an das Kind, das ihn beerben soll, zählt der Betrag nicht mehr zur Erbmasse dazu. Der Pflichtteil für Enterbte würde dann kleiner. Stirbt der Vater vor Ablauf der Zehnjahresfrist, wird der Betrag zwar zum Gesamtvermögen dazugerechnet. Er schmilzt jedoch für jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall verstrichen ist, um ein Zehntel ab.

Ist es für eine Schenkung zu spät, werden Eltern oft trickreich. Sie legen ihr Geld beispielsweise im Ausland an, um es ungeliebten Kindern zu entziehen. Oder sie heben das Geld sukzessive vom Konto ab und lassen es "versickern", was in Einzelfällen auch immer wieder passiert, um enterbten Kindern auch noch den Pflichtteil zunichtezumachen. So ging beispielsweise ein Witwer mit zwei Kindern vor, der im hohen Altern noch eine Frau kennenlernte, wie Fachanwalt Rudolf berichtet. Der Witwer hob in den zwei Jahren vor seinem Tod scheibchenweise insgesamt 1,5 Millionen Euro in bar von seinen Konten ab. Für seine Nachkommen blieb nichts mehr übrig. "Ist keine Erbmasse mehr da, ist selbst der Pflichtteil faktisch bei null angekommen", sagt der DVEV-Vorstand.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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