Erbschaft:Wer hat Anrecht auf einen Pflichtteil?

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Für jeden ein Stück von Kuchen: Nahen Angehörigen steht ein Pflichtteil vom Erbe zu.

(Foto: imago/Westend61)

"Du bist enterbt!" - das sagt sich leicht im Zorn und ist in der Wirklichkeit schwer umzusetzen. Wer einen Anspruch aufs Erbe hat und welche Möglichkeiten es für Erblasser gibt, den Pflichtteil auszuhebeln.

Von Eva Dignös

Seit 20 Jahren schon hat Hilde keinen Kontakt mehr zu ihrem jüngsten Sohn Heiner. Deshalb soll er auch nichts erben, beschließt sie und will ein entsprechendes Testament aufsetzen.

Niemand muss sich an die gesetzliche Erbfolge halten. Eigentlich erbberechtigte Verwandte lassen sich per Testament aus dem Kreis der Erben ausschließen, indem man dies ausdrücklich hineinschreibt oder sie einfach gar nicht erwähnt. "In vielen Familien ist das ein Thema, wenn sich Kinder und Eltern entfremdet haben oder nach einer Scheidung kein Kontakt mehr zu den Kindern aus der früheren Ehe besteht", berichtet Anton Steiner vom Deutschen Forum für Erbrecht. Ganz leer gehen sie allerdings trotzdem meist nicht aus. Denn nahen Angehörigen steht ein Pflichtteil zu (BGB § 2303).

Einen Anspruch darauf haben zum einen die sogenannten Abkömmlinge. Das sind die leiblichen oder adoptierten Kinder oder - sofern diese nicht mehr leben - die jeweils nachfolgende Generation, also Enkel oder Urenkel. Ein Anrecht auf einen Pflichtteil sieht das Gesetz außerdem für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner sowie bei kinderlosen Paaren auch für die Eltern vor. Geschwister dagegen können keinen Pflichtteil geltend machen.

Hilde kommt ins Rechnen: Wie groß fällt der Pflichtteil für Heiner aus?

Der Pflichtteil macht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils aus. Wenn ein Verstorbener drei Kinder hatte, das Erbe also eigentlich gedrittelt werden müsste, hat das enterbte Kind Anspruch auf ein Sechstel des Nachlasses.

Hilde will auf jeden Fall verhindern, dass Heiner Miterbe ihres Hauses wird und ihre beiden anderen Kindern Henning und Hanna mit ihm über die künftige Nutzung in Streit geraten.

Der Pflichtteil wird immer in Geld ausbezahlt, ein Pflichtteilsberechtigter wird also zum Beispiel kein Miteigentümer an einem Haus oder Grundstück. Seinen Anspruch macht er gegenüber den Erben geltend, sie müssen also das Geld aufbringen, entweder durch den Verkauf eines Teils des Erbes oder über einen Kredit. "Pflichtteilsansprüche muss man innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt anmelden, an dem man von der Enterbung erfahren hat, ansonsten verjähren sie", sagt Anwalt Steiner. Die Erben haben auch kaum Möglichkeiten, diese Zahlung aufzuschieben, bei "unbilliger Härte" kann aber eine Stundung beantragt werden.

Das könnte schwierig werden, überlegt Hilde. Womöglich müssen ihre Kinder Hanna und Henning das Haus verkaufen, um ihrem Bruder den Pflichtteil auszahlen zu können. Wenn sie ihn nun stattdessen doch im Testament berücksichtigt, ihm aber nur das Sparbuch mit den 1000 Euro vererbt?

Fällt das Erbe geringer aus als der Pflichtteil, muss die Differenz ausgeglichen werden. Auch hier besteht also wieder der Anspruch auf Zahlung der Summe.

Und wenn ich meinen beiden anderen Kindern das Haus jetzt schon schenke, überlegt Hilde. Dann fällt es doch nicht in den Nachlass und der Pflichtteil für Heiner reduziert sich, oder?

Eine Schenkung reduziert das zu vererbende Vermögen nur, wenn sie lange vor dem Tod des Erblassers geschieht. Liegt sie weniger als ein Jahr zurück, wird ihr Wert bei der Berechnung des Pflichtteils voll berücksichtigt. Pro Jahr, das nach der Schenkung vergangen ist, können zehn Prozent abgezogen werden, nach zehn Jahren spielt sie für den Wert des Nachlasses keine Rolle mehr - mit zwei Ausnahmen: Für Schenkungen, bei denen ein Nießbrauch - also das Nutzungsrecht - eingeräumt wird, und für Schenkungen zwischen Ehegatten gelte diese Frist nicht, erläutert Anton Steiner.

Aber Heiner hat doch von sich aus den Kontakt abgebrochen und in den letzten 20 Jahren kein einziges Mal angerufen. Wäre das nicht Grund genug, ihm den Pflichtteil zu entziehen, fragt sich Hilde.

Es gibt kaum Möglichkeiten, den Pflichtteil zu entziehen. Dafür muss sich der Pflichtteilsberechtigte schon einer schweren Straftat gegen den Erblasser schuldig gemacht haben, "wenn beispielsweise das Kind versucht hat, seine Eltern umzubringen", erläutert Anton Steiner. In der Praxis sei der Pflichtteilsentzug extrem selten.

Aber es gibt die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung: "Beide Seiten können einen Pflichtteilsverzicht vereinbaren. Beim Notar wird dann ein Vertrag geschlossen, in dem der Pflichtteilsberechtigte auf seine Ansprüche verzichtet", sagt Steiner. Dafür erhält er dann im Gegenzug meist eine Abfindung. "Es kann ja durchaus ein Vorteil sein, gleich Geld zu bekommen und nicht erst nach dem Tod des Erblassers", sagt der Erbrechtsexperte.

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