Energie der Zukunft:Zwischen Kühlschränken und warmen Pullovern

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Ein Bonus für neue Haushaltsgeräte und dicke Kleidung: Politiker überbieten sich mit Vorschlägen, wie die Bürger mit den hohen Energiekosten umgehen sollen.

Nina Bovensiepen

Von Energiespar-Prämien für Kühlschränke bis zu Sozialtarifen für Niedrigverdiener: Kaum ein Tag vergeht derzeit ohne neue Vorschläge von Politikern, wie Bürger und Firmen mit den steigenden Energiekosten umgehen sollen. Was gibt es für Ideen? Von wem kommen sie? Und was taugen sie? Ein Überblick:

(Foto: Foto: ddp)

Wer hat alles Vorschläge gemacht?

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) erklärte kürzlich, die Deutschen sollten im Winter die Heizung abdrehen und Pullover anziehen - und erntete dafür viel Empörung. Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) machte sich für einen Stromspartarif stark, bei dem jeder Kunde eine bestimmte Zahl an Kilowattstunden zu einem günstigen Basistarif bekommen soll. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schlug Sozialtarife für Niedrigverdiener vor.

Das sind drei von vielen Einzelvorschlägen in der teils recht populistisch geführten Debatte. Darüber hinaus gibt es drei detailliertere, mehr oder weniger ausgearbeitete Konzepte. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat am Mittwoch die Vorschläge seiner Projektgruppe Energiepolitisches Programm (Pepp) vorgestellt.

Experten aus dem Ministerium, von der Deutschen Energie-Agentur und vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben sie erarbeitet. Von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) stammt das Papier "Ökologische Industriepolitik", das ebenfalls viele Vorschläge bündelt. Außerdem arbeitet eine SPD-Arbeitsgruppe Energiemarkt an einem Konzept, das nicht nur Gabriels Haltung, sondern die der Partei wiedergeben soll. Es soll Ende September erscheinen, einige Ideen daraus sind bereits bekannt.

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Was sind die wichtigsten Inhalte der Konzepte der Pepp-Gruppe, von Gabriel und der SPD?

Mit dem Pepp-Konzept sollen Haushalte ihre jährlichen Stromkosten um mehr als 300 Euro senken können. Die populärste Idee aus dem 32-seitigen Papier ist ein Energiespar-Bonus von 150 Euro für Haushaltsgeräte. Das Durchschnittsalter von Kühlschränken in Deutschland liegt bei 14 Jahren. Bei mehr als zehn Jahre alten Geräten lohnt sich laut Experten auch ohne Bonus der Kauf eines energiesparenden Geräts.

Die Prämie soll die Modernisierung in Gang bringen. Weiter schlägt die Gruppe eine bessere Aufklärung der Verbraucher vor. So soll es etwa Stromsparkurse geben, Spritspartrainings und neue Anlaufstellen für die Bürger. Haushaltsgeräte sollen ihre Stromkosten ausweisen und Verbraucher sollen besser über günstige Strom- und Gasanbieter aufgeklärt werden. Zudem plädiert die Gruppe für die Fortführung der wärmedämmenden Gebäudesanierung. In dem ins Politische gehenden Teil des Papiers werden längere Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke gefordert. Die Pepp-Gruppe setzt sich für eine zügige Umsetzung der Vorschläge ein.

Eher langfristigen Charakter hat Gabriels kürzlich vorgelegtes 38-seitiges Papier über eine "ökologische Industriepolitik". Danach sollen sich das gesamte deutsche Steuersystem und die Industriepolitik künftig stärker an ökologischen Zielen ausrichten. Der Minister schlägt vor, für umweltfreundliche Produkte nur noch die ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent zu erheben. Umweltschädliche Subventionen müssten abgeschafft werden. Gabriel kritisiert daher die Steuerbegünstigungen von Flugbenzin und Dienstwagen. Die Umsetzung der Ideen würden einen Umbau des Steuer- und Subventionssystems erfordern.

Gabriel ist auch Mitglied in der SPD-Energie-Arbeitsgruppe, die Ende des Monats Vorschläge präsentieren will. Bekannt ist bereits, dass die Gruppe die vom Bundestag beschlossene Erhöhung des Wohngeldes um drei Monate auf den 1. Oktober vorziehen will. Das Wohngeld enthält künftig eine Heizkostenpauschale, wodurch Niedrigverdiener und Rentner entlastet würden. Die SPD-Experten wollen zudem das Programm zur CO2-Gebäudesanierung um 270 Millionen Euro aufstocken. Zudem sollen Großsiedlungen energetisch saniert werden. Die Gruppe der Sozialdemokraten, die Fraktionsvize Ulrich Kelber leitet, will ebenfalls den Kauf energiesparender Haushaltsgeräte fördern. Die Genossen lehnen Glos' Energiespar-Bonus aber ab, sie präferieren eine Förderung über sogenannte Mikrokredite. Dabei könnten etwa die Stadtwerke Verbrauchern eine Art Rabatt beim Kauf von Haushaltsgeräten gewähren. Das Geld würde sich der Energielieferant über die Stromersparnis zurückholen. Erst wenn der Mikrokredit getilgt wäre, würde dann für den Kunden die Stromrechnung sinken.

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Wie beurteilen Experten die Ideen?

Deutschland bekommt die steigenden Energiekosten nicht mit Spar- oder Sozialtarifen in den Griff - in dieser Beurteilung sind sich nahezu alle Experten einig. "Es ist der falsche Weg, den Verbrauch zu subventionieren", sagt Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Stattdessen müssten die Anreize erhöht werden, mit Energie sparsam umzugehen. Krawinkel wertet es als positiv, dass die Debatte darüber in allen Parteien entbrannt ist.

Es sei insbesondere ein großer Fortschritt, dass sich das Wirtschaftsministerium inzwischen an dieser Diskussion beteilige. Insgesamt machten die Vorschläge der Pepp-Gruppe "einen vernünftigen Eindruck", sagt der Verbraucherschützer. So sieht es auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). "Wirtschaftsminister Glos setzt bei seiner Strategie für sichere und bezahlbare Energie auf die richtigen Punkte: Wettbewerb, Verbraucheraufklärung und Energieeffizienz", meint DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.

Finanzexperten warnen allerdings, dass die Kühlschrank-Prämie von Glos zu Missbrauch einladen könnte - etwa, indem die Hersteller dann einfach die Preise der Geräte erhöhen. Laut Krawinkel sollte man dieses Risiko nicht überbewerten. Ähnliche Konzepte hätten in den Niederlanden, Italien und Großbritannien den Anteil der energieeffizienten Geräte in Haushalten kräftig erhöht. "Anreize müssen einfach sein, sonst funktionieren sie nicht", sagt der Verbraucherschützer. Ihm erscheinen daher die Mikrokredite der SPD als zu kompliziert.

Gabriels Vorschläge seien teilweise interessant, aber kurzfristig kaum umsetzbar. So müsse eine Umstellung des Steuersystems europaweit abgestimmt werden. "Das Fass würde ich nicht aufmachen", meint Krawinkel. Der DIHK warnt davor, eine Differenzierung der Steuersätze nach politischen Lenkungszielen könne zu "Ungerechtigkeiten, Abgrenzungsproblemen, Verwerfungen und Mitnahmeeffekten" führen. Der Verband hält von Gabriels Konzept wenig.

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Wie realistisch ist es, dass einzelne Vorschläge umgesetzt werden?

Parteiübergreifend besteht Einigkeit, dass der sparsame Energieverbrauch gefördert werden soll. Auch inhaltlich gibt es Übereinstimmungen - etwa darüber, dass die wärmedämmende Gebäudesanierung weiter forciert werden soll. Der Grundkonflikt über die Atomkraft ist aber ungelöst, auch viele Details könnten für Streit sorgen. Erst recht, wenn für das Thema Energiesparen mit Glos und Gabriel zwei Minister federführend sind, die häufiger miteinander streiten, als dass sie nach gemeinsamen Lösungen suchen.

© SZ vom 4.9.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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