EMI-Eigner verklagt Citygroup:Bulldogge gegen Wurm

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Spektakulärer Prozess in New York: Ein Londoner Investor fühlt sich von einem Top-Banker über den Tisch gezogen. Die ehemalige Freundschaft der beiden mündet in einem erbitterten Kampf.

Andreas Oldag

Der Fall hat das Aktenzeichen 09-CV-10459 im Bundesgericht von New York City. Was sich hinter der nüchternen Angabe verbirgt, ist ein spektakulärer Wirtschaftsprozess, in dem es um Milliardensummen geht. Und es wirft ein Schlaglicht auf die Spekulationsblase vor Ausbruch der Finanzkrise, aber auch auf die Gier und Skrupellosigkeit der Beteiligten. Der Eigner des britischen Musikkonzerns EMI, Guy Hands, hat die US-Großbank Citigroup und ihren Londoner Top-Investmentbanker David Wormsley wegen arglistiger Täuschung verklagt. Hands fordert nicht weniger als sieben Milliarden Pfund (8,2 Milliarden Euro) Entschädigung.

Guy Hands, hier mit seiner Frau Julia, hat mit seiner Beteiligungsgesellschaft Terra Firma den Musikkonzern EMI gekauft. Die Citygroup soll jedoch den Kaufpreis indie Höhe getrieben haben. (Foto: REUTERS)

Hintergrund ist der Kauf des britischen Musikkonzerns EMI im Jahre 2007 durch Hands' Beteiligungsgesellschaft Terra Firma für 4,2 Milliarden Pfund. Nach Hands' Darstellung soll die von ihm mit der Abwicklung des Geschäfts beauftragte Citigroup den Kaufpreis trickreich in die Höhe getrieben haben. So hätte Wormsley fälschlicherweise den Eindruck vermittelt, dass auch die Kapitalbeteiligungsgesellschaft Cerberus an EMI interessiert gewesen war. Aus Sicht von Hands ein abgekartetes Spiel, um ihn zu einem noch höheren Angebot für EMI zu treiben. Citigroup bestreitet die Vorwürfe.

EMI ist zum Präzedenzfall dafür geworden, was bei einer schuldenfinanzierten Übernahme durch Investoren schief laufen kann. Seit sich Terra Firma zur besten Zeit des Private-Equity-Booms bei EMI einkaufte, lastet auf dem Konzern, der Stars wie Robbie Williams und Lily Allen unter Vertrag hat, ein riesiger Schuldenberg. Zudem kämpft die Musikbranche gegen illegale Internet-Downloads. EMI hat einen Sanierungsplan gestartet und bislang etwa 2000 Stellen gestrichen, um gegenüber Konkurrenten wie Universal Music Group und Warner Music Group aufzuholen.

Es ist nicht ohne Brisanz, dass Hands und Wormsley jahrelang dicke Kumpels waren. Man könnte auch sagen: Da hatten sich zwei ehrgeizige Gentlemen gesucht und gefunden. Hands, der bullig wirkende Investor, der seine Karriere einst als Aktienhändler bei Goldman Sachs und Nomura in London begann, stieg zu einem der mächtigsten Investoren der City auf. Von dem 51-Jährigen, der mit dem konservativen britischen Außenminister William Hague befreundet ist, heißt es, er habe Unternehmen wie Briefmarken gesammelt.

Mit von der Partie war in vielen Fällen Wormsley, genannt "Worm", der Wurm, der Hands bei seinen Akquisitionen mit einem Volumen von insgesamt etwa 34 Milliarden Pfund half. Der "Wurm" avancierte offenbar zum Berater und Kreditbeschaffer des Selfmade-Tycoons. Der 50-jährige Citigroup-Manager gilt in London als einer der am besten vernetzten Banker, also ein Mann, der heikle Geschäfte dank seiner vielfältigen Beziehungen unter Dach und Fach bringt. Auch privat verstanden sich "Bulldogge" und "Wurm" offenbar bestens und besuchten zusammen mit den Ehefrauen die Oper.

Nun steht für die Kontrahenten einiges auf dem Spiel: Verliert Hands den Prozess, könnte er gezwungen sein, EMI an die Gläubigerbank Citigroup zu verlieren. Ohnehin beläuft sich der EMI-Unternehmenswert, wie in dem Gerichtsverfahren herauskam, nur noch auf etwa 1,8 Milliarden Pfund, also deutlich weniger als die Verbindlichkeiten. Bei einer Bankübernahme dürfte der EMI-Konzern, der neben dem Tonträgergeschäft auch einen Musikverlag hat, vor einer Zerschlagung stehen.

David Wormsley, genannt "Wurm", Investmentbanker der Citygroup. (Foto: REUTERS)

Die Citigroup muss sich dagegen möglicherweise einen Interessenkonflikt vorwerfen lassen, indem das Institut einerseits als Investmentberater für Terra Firma und andererseits als Kreditgeber agierte. Ein Problem, das auch immer stärker die Aufsichtsbehörden beschäftigt, da diese Doppelrolle als eine treibende Kraft für die Bankenexzesse der vergangenen Jahre gilt.

Nun wird im New Yorker Gerichtssaal mit harten Bandagen gekämpft. "Ich kannte ihn gut und vertraute ihm", berichtete Hands in einer Anhörung über seinen Ex-Vertrauten Wormsley. Die Strategie des Terra-Chefs wurde damit klar: Er will sich als Opfer einer großen Finte darstellen. Um diese These zu stützen, präsentierten Hands' Rechtsanwälte der Jury eine E-Mail, in der sich Wormsley und ein Citigroup-Kollege über den EMI-Käufer lustig machten.

Doch war der Terra-Firma-Chef tatsächlich so naiv? Hat er sich wirklich über den Tisch ziehen lassen? Wormsleys Anwälte behaupten, Hands habe das Unternehmen unbedingt haben wollen. Der Citigroup-Banker, der jetzt in New York erstmals vernommen wurde, bekräftigte darüber hinaus, dass er keineswegs ein doppeltes Spiel getrieben habe. Und auch an eine spezielle Bonuszahlung seiner Bank für den EMI-Deal könne er sich nicht erinnern.

So steht Aussage gegen Aussage. Das Gericht will jetzt vor allem auch die unmittelbaren Ereignisse, die zum Abschluss der Milliardenübernahme führten, noch genauer unter die Lupe nehmen. Offenbar spielten sich die Endverhandlungen an einem einzigen Wochenende im Mai 2007 in einem Flugzeug-Hangar auf der Kanalinsel Guernsey ab, wo Hands seinen steuersparenden Wohnsitz hat.

Alles sollte offenbar am Ende möglichst schnell gehen. Vielleicht zu schnell, so dass der EMI-Käufer die Risiken verdrängte. Immerhin sollen die Anwälte der gegnerischen Parteien angeblich bereits über einen Vergleich verhandeln. In dem Fall doch noch eine Neuauflage einer fabelhaften Londoner- City-Freundschaft.

© SZ vom 28.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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