Viele Deutsche berühren am Morgen erst einmal ihr Smartphone: Wecker ausstellen, Nachrichten checken. Dann folgen oft die Kaffeemaschine, der Kühlschrank, die Spülmaschine, die elektrische Zahnbürste, vielleicht das iPad oder ein Notebook. 50 Elektrogeräte finden sich in einem deutschen Durchschnittshaushalt, schätzt der Branchenverband Bitkom. Und sie werden immer schneller ausgetauscht: Der wenige Jahre alte Fernseher wird mit einem HD-Gerät ersetzt; Handyverträge bieten jährlich ein neues Smartphone; der Laptop läuft nach wenigen Jahren zu langsam. Deutschland produziert jährlich etwa eine Million Tonnen Elektroschrott - also kaputte elektrische und elektronische Geräte mit all ihren Kleinteilen und Giften, schätzt der Bundesverband Sekundärstoffe und Entsorgung (BVSE).
Doch wo der Nutzen der Geräte für die einen endet, beginnt er für andere. Das sind einerseits die Recycling-Unternehmen, die den Geräten wertvolle Stoffe wie Stahl, Kupfer und Aluminium entnehmen und giftige Stoffe wie Quecksilber, Blei und Cadmium entsorgen. Das sind andererseits Händler, die Schrott illegal ins Ausland schaffen und dort weiterverkaufen. Schätzungsweise fallen weltweit jährlich 40 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Zwei Drittel kommen nach Einschätzung von Greenpeace nie in legalen Recyclinganlangen an - trotz Übereinkommen, Richtlinien und Verboten. Welchen Weg der Großteil des Schrotts nimmt und unter welch haarsträubenden Bedingungen er in Ghana oder Nigeria zerlegt wird, zeigt die Dokumentation "Giftige Geschäfte" auf Arte an diesem Dienstag.
In Deutschland sieht die Lage zumindest in der Theorie gut aus: Es gibt Gesetze, Datenerhebungen, Klassifizierungen, klare Verantwortungen: Der legale Weg, geregelt im Elektro-Gesetz (ElektroG), beginnt beim Verkauf eines Gerätes. Die Hersteller melden der Stiftung Elektro-Altgeräte-Register (EAR), der deutschen Koordinierungsstelle für Elektroschrott, wie viele neue Geräte sie in Umlauf bringen. Der Masse entsprechend müssen die Hersteller dann auch die Kosten der Entsorgung übernehmen. Vorgeschrieben ist, dass diese getrennt gesammelt wird.
(Obenstehende Grafik funktioniert nicht auf mobilen Geräten)
2012 kamen in Deutschland etwa 1,8 Millionen Tonnen neue Geräte in Umlauf - in den Wertstoffhöfen landeten etwa 600 000 Tonnen Elektroschrott, zeigt die aktuellste Statistik des EAR. Ein Großteil davon stammt aus Privathaushalten. Auf einen Bewohner kommen also etwa acht Kilogramm Schrott. Norwegen sammelt sogar fast 30 Kilogramm, in manchen südeuropäischen Staaten hingegen kommen auf einen Einwohner weniger als vier Kilo.
Die EU versucht mit der neu überarbeiteten Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE-RL, 2012/19/EU; hier als PDF), die Staaten mit einer über die Jahre steigenden Quote zum Sammeln zu bewegen: Von 2016 an sollen 45 Prozent des Durchschnittsgewichts der Elektrogeräte gesammelt werden, die in den drei Vorjahren neu verkauft wurden. Für Deutschland ergäbe sich laut Zahlen des EAR für die Jahre von 2010 bis 2012 ein Durchschnitt von etwa 1 750 000 Tonnen neu eingeführten Geräten, 45 Prozent wären etwa 780 000 Tonnen, die gesammelt werden müssten - bisher schafft Deutschland das noch nicht ganz.
Wichtig im ganzen Ablauf: der Verbraucher. Er kann bestimmte Mengen von Altgeräten kostenlos bei den Sammelstellen oder über die Sperrmüllabholung der lokalen Entsorgungsträger abgeben, wie auch die Grafik zeigt. Dort holen den Schrott dann die Hersteller, beziehungsweise externe Dienstleister ab und geben ihn an Recyclingbetriebe weiter. Manche Hersteller haben zudem eigene Sammelstellen eingerichtet oder nehmen Altgeräte direkt beim Verkauf eines neuen Gerätes an - dann entfällt der Weg über die Wertstoffhöfe. Unter welchen Bedingungen und mit welcher Technik Altgeräte anschließend in Recycling-Unternehmen zerlegt werden dürfen, ist in Deutschland ebenfalls geregelt.
Freilich bedeutet das nicht, dass hierzulande Vorgaben auch immer eingehalten werden. Das zeigt der Fall der Firma Envio aus Dortmund, deren Geschäftsführung 2011 angeklagt wurde: Alte Transformatoren wurden so zerlegt, dass die giftige Chemikalie PCB in Luft und Boden gelangte. Mitarbeiter sollen ohne ausreichende Schutzkleidung gearbeitet haben, einige erkrankten schwer.