Eilantrag abgewiesen:Karlsruhe billigt Griechenland-Hilfe

Das Verfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen die Hilfe für Griechenland abgewiesen. Die Euro-Staaten beschlossen indes ein Notfallsystem für klamme Mitglieder.

Grünes Licht für die Griechenland-Hilfe: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen die deutschen Finanzhilfen für das von der Pleite bedrohte Land abgelehnt. Indes beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone bei ihrem Sondergipfel zu Griechenland am Freitag einen Rettungsmechanismus zur Abwehr von Schuldenkrisen in den Mitgliedsländern.

Bundesverfassungsgericht, dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen die deutschen Finanzhilfen für das von der Pleite bedrohte Land abgelehnt.

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Noch vor Öffnung der Finanzmärkte wollen die EU-Finanzminister am Sonntagabend vereinbaren, dass die Kommission künftig in Krisenfällen am Kapitalmarkt Kredite für strauchelnde Euro-Länder aufnehmen kann.

Die Teilnehmer des Sondergipfels waren sich einig, dass der Euro durch eine ernste Attacke von Spekulanten bedroht wird. Trotz des gerade beschlossenen Milliarden-Kreditpakets für das hoch verschuldete Griechenland gebe es ein hohes Maß an Spekulation, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Euro-Zone müsse sich mit einem Gemeinschaftsinstrument dagegen wehren.

Merkel beugt sich dem Druck

Zwei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, die viele Beobachter für das Zögern Deutschlands bei der Rettungsaktion für Griechenland verantwortlich machten, musste Merkel sich damit erneut dem Druck der Krise beugen. Noch vor kurzem galt ein EU-Instrument zur Finanzhilfe für Schuldensünder in der Bundesregierung als Tabu.

Die Euro-Länder segneten die beispiellosen Kredithilfen für Griechenland ab, die das Mittelmeerland vor der Pleite bewahren sollen. Griechenland erhält über drei Jahre Beistandskredite von insgesamt 110 Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds übernimmt davon 30 Milliarden, die Euro-Länder 80 Milliarden Euro.

Auf Deutschland als größtes Mitgliedsland der Währungsunion entfallen 22,4 Milliarden Euro. Der Bundestag und der Bundesrat hatten das dafür notwendige Gesetz in dieser Woche im Eilverfahren beschlossen. Griechenland musste sich im Gegenzug zu einem drastischen Sparprogramm verpflichten.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Samstag einen Eilantrag von fünf Euro-Skeptikern gegen die deutschen Finanzhilfen ab. Bei einem Stopp der deutschen Beteiligung an der Hilfe hätten der Allgemeinheit schwere Nachteile gedroht, falls sich die Unterstützung für Griechenland im Nachhinein als verfassungsgemäß erwiesen habe, begründete das Gericht die Entscheidung.

Schwere Folgen

Bei einem gerichtlichen Stopp der Finanzhilfe hätte Deutschland seine Mithilfe an den Notmaßnahmen zum Erhalt der griechischen Zahlungsfähigkeit gerade dann abbrechen müssen, wenn sie gefordert sei. Dadurch wäre die Verwirklichung des Rettungspakets insgesamt infrage gestellt gewesen, was nach Einschätzung der Bundesregierung schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile für die Allgemeinheit gehabt hätte. Dieser Auffassung zufolge wäre dann die Stabilität der gesamten Währungsunion gefährdet.

Weniger schwer wiegen demgegenüber nach Einschätzung der Richter die Nachteile, wenn die Hilfe zunächst zugelassen wird und sich im Nachhinein als unzulässig erweisen sollte. Die Kläger hätten keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht, dass ihre Grundrechte gerade infolge der Kreditgewährung an Griechenland schwer und unumkehrbar beeinträchtigt werden könnten.

Merkel verteidigte die Hilfen am Samstag in Bielefeld zum Abschluss des NRW-Wahlkampfes. "Eine stabile Währung ist das A und O von Wohlstand und Sicherheit", sagte sie. Griechenland werde unterstützt, "weil es auch Deutschland dient. Dazu sind wir verpflichtet."

Finanzmärkte weiter in Aufruhr

Die Finanzmärkte beruhigten sich trotz der Milliardenspritze für Griechenland am Freitag nicht, was zu hektischen Telefonkonferenzen der G7-Finanzminister sowie der Europäischen Zentralbank mit den Banken führte. Merkel hatte noch am Mittag mit US-Präsident Barack Obama über die Lage in Europa beraten und sich seiner Unterstützung versichert.

Unter den Euro-Ländern und an den Finanzmärkten wächst die Furcht, dass auch andere schwächelnde Partner-Länder wie Portugal und Spanien durch rapide steigende Zinsen auf ihre Staatsanleihen in den Schuldenstrudel geraten könnten. Weltweit brachen die Kurse an den Aktienmärkten ein, der Euro verstärkte seinen Abwärtstrend. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärte EU-Diplomaten zufolge den Euro-Chefs, dass die Währungsunion vor einem systemischen Problem stehe.

Die Euro-Staaten zogen jetzt die letzte Reißleine, die der EU-Vertrag im Fall von schweren Krisen vorsieht. Der Mechanismus beruhe auf Artikel 122 des Vertrages, erklärte ein EU-Diplomat. Dieser erlaubt gegenseitigen finanziellen Beistand, wenn ein Land in Schwierigkeiten steckt, die sich seiner Kontrolle entziehen. Die Kommission werde im Notfall Geld am Kapitalmarkt für Länder aufnehmen können - mit einer expliziten Garantie der Mitgliedstaaten und einer impliziten Garantie der EZB.

"Die Euro-Zone macht die schwerste Krise seit ihrer Gründung durch", sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. "Europa ist bereit, den Euro zu verteidigen." Auf Fragen nach einem Dissens mit Merkel antwortete Sarkozy ausweichend, beschwor jedoch, die deutsch-französische Achse in der EU sei völlig intakt. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker beschrieb die Lage dramatisch: "Die gesamte Euro-Zone wird bedroht, wir müssen bis Sonntagabend tätig werden."

Sowohl Sarkozy als auch Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi haben deshalb am Samstag eine Reise nach Russland abgesagt, um die Konsultationen mit führenden europäischen Politikern wegen der Eurokrise fortzusetzen. Das verlautete aus Regierungskreisen in Rom. Beide Politiker sollten am Sonntag in Moskau an den Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag des Sieges über Nazideutschland teilnehmen. An den Moskau-Reiseplänen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ebenfalls zu der Siegesfeier nach Russland fahren wollte, habe sich nichts geändert, hieß es in Berlin.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, regte indes eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild für die Euro-Zone an. Das sei ein Gedanke, den er für überlegenswert halte, sagte Voßkuhle dem Hamburger Abendblatt. Mit Blick auf bestehende Stabilitätskriterien sagte Voßkuhle: "Ihre effektive Kontrolle ist das Problem." Die Schuldenbremse im Grundgesetz schreibt vor, dass der Bund seine Neuverschuldung von 2011 bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückführen muss.

In Griechenland will die Regierung nach der Zusage der Milliardenhilfen in der kommenden Woche neue Sparmaßnahmen ankündigen - geplant sind wohl Einschnitte bei Renten und Pensionen und eine Sanierung der Krankenkassen. Die Gewerkschaften kündigten an, mit neuen Streiks mobil zu machen. Nach den schweren Straßenschlachten in der vergangenen Woche ist die Polizei in Athen verstärkt im Einsatz.

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