Süddeutsche Zeitung

Eigenleistung am Bau:Haus fertig, Ehe im Eimer

Wer handwerklich geschickt ist und einige Arbeiten selbst erledigt, kann ein paar tausend Euro sparen. Aber viele überschätzen sich.

Von Berrit Gräber

Mauern, malern, tapezieren, Bäder fliesen: Bauherrn mit handwerklichem Geschick trauen sich meist jede Menge zu, wenn es darum geht, an den eigenen vier Wänden mitzuwerkeln. Was der Häuslebauer selbst erledigt, muss er nicht bezahlen. Da lässt sich ordentlich Geld sparen, denn Handwerker sind teuer. Außerdem akzeptieren viele Banken die Eigenleistung am Bau auch als Eigenkapital-Ersatz.

Doch die Rechnung engagierter Do-it-yourself-Fans geht allzu oft nicht auf. "Die Leute überschätzen ihre Leistungsfähigkeit, viele Planungen sind von vornherein unrealistisch", warnt Jörg Sahr, Baufinanzierungsexperte von Stiftung Warentest in Berlin. Schlimmstenfalls kommt das Bauvorhaben viel teurer als gedacht und endet im persönlichen Fiasko.

"Wer selbst baut, braucht sehr viel Zeit und Know-how", mahnt Bernhard Riedl, Architekt und Berater vom Verband Privater Bauherren (VPB) in München, zur Vorsicht. Je mehr der Bauherr vom Fach versteht, desto mehr kann er zwar mithilfe seiner Hände Arbeit einsparen. "Mehr als fünf bis zehn Prozent Ersparnis sind in der Realität aber nicht drin", betont Sahr. Wer von über 30 000 oder gar 40 000 Euro Ersparnis ausgehe, habe überzogene Erwartungen. Drei Viertel der Bauherrn, die bei ihrer Immobilie selbst mit anpacken, sparen durch ihren Einsatz meist nicht viel mehr als 15 000 Euro, fand der Bauherren-Schutzbund heraus.

Der VPB hat einmal ausgerechnet, was die Plackerei in Eigenregie tatsächlich bringen kann - und welcher immense Zeitaufwand auf den Bauherrn wartet. Wer sich im Großraum München für 254 000 Euro ein 140 Quadratmeter großes Eigenheim bauen lässt, kann mit Eigenleistungen demnach bis zu 19 000 Euro sparen. Bei einem vergleichbaren Bauvorhaben in der Region Leipzig/Dessau für knapp 218 000 Euro sind demnach bis zu 16 000 Euro Minderausgaben drin. Dafür müssen die Bauherrn aber auch gut 480 Stunden auf der Baustelle schuften. Das entspricht mehr als zwölf Wochen Vollzeitarbeit, so die Rechnung. Für Menschen, die nur am Wochenende oder im Urlaub Zeit haben, ist das kaum zu schaffen. "Laien fehlt am Bau die Routine der Profis, sie brauchen das Doppelte bis Dreifache an Zeit für die jeweiligen Aufgaben", gibt Verbraucherschützer Sahr zu bedenken.

Einiges lässt sich nach Feierabend, im Urlaub oder mit Wochenendarbeit aber doch bewerkstelligen - wenn der Häuslebauer nicht innerhalb bestimmter Zeitfenster fertig werden muss. Wer den Garten selbst anlegt, kann das laut VPB in etwa 30 bis 45 Arbeitsstunden schaffen, je nach Größe. Dafür winkt ein Sparpotenzial von 1400 bis 2200 Euro. Malern und Tapezieren dauert je nach Haus 125 Stunden und kann bis zu 5000 Euro Mehrausgaben verhindern. Wer Fußböden selbst verlegt, muss bis zu 90 Stunden investieren. Die Belohnung: Gesparte 3500 Euro an Handwerkerlöhnen. Die Fliesen selbst anbringen verschlingt rund 50 Stunden und erspart Kosten von etwa 4200 Euro. Traut sich jemand an den Dachausbau in Eigenregie ran, muss er laut VPB-Rechnung noch einmal gut 100 Stunden Zeit aufbringen. Ersparnis je nach Wohnort: zwischen 3200 und 4000 Euro.

Handwerklich begabte Bauherrn tendieren häufig dazu, in den Verhandlungen mit der Bank so viel Eigenleistung wie möglich anzusetzen, um den Kreditbedarf zu drücken. Je mehr Muskelkraft anerkannt wird, desto weniger Eigenkapital wird benötigt. Wer mitanpacken will, sollte die eigene Muskelarbeit aber nicht "schönrechnen", warnt der Bauherrn-Schutzbund.

Viele Banken erkennen Eigenleistung beim Hausbau als Teil des Eigenkapitals an. Im Baugesetzbuch ist festgehalten, wie der Geldwert der Eigenleistung ermittelt wird: "Der Wert der Selbsthilfe ist mit dem Betrag als Eigenleistung anzuerkennen, der gegenüber den üblichen Kosten der Unternehmerleistung erspart wird" (§ 36 Absatz 3 II WoBauGe). Sprich: Die eigene Leistung ist bei der Kalkulation mit der eines Handwerkers vergleichbar. Verlangt der Fliesenleger also 3000 Euro Lohn, sollte der Bauherr diese Summe auch für sich selbst veranschlagen. Der Faktor Arbeitszeit spielt dabei erst einmal keine Rolle. Der VPB rät dazu, auch die anfallenden Kosten für Fahrten, Materialeinkauf und Leihgebühren für Werkzeug und Geräte gegenzurechnen. Denn die können sich schnell summieren.

Laien sollten weniger am Rohbau, sondern eher beim Innenausbau mitanpacken

Eine unrealistische Planung kann große Finanzierungslücken ins Konzept reißen. Vor allem dann, wenn sich der Bauherr mit einem eng gestrickten Zeitplan übernimmt, den restlichen Bauablauf verzögert und auf halbem Weg dann doch Handwerker beauftragen muss, weil er sonst aus der gekündigten Mietwohnung raus muss und auf der Straße steht. Nachfinanzieren ist teuer, wenn es überhaupt noch geht.

Will der Bauherr selbst Hand anlegen, informiert er am besten frühzeitig den Architekten, Bauunternehmer oder Bauträger und vereinbart schriftlich, welche Arbeiten er wann selbst erledigen wird.

Die Punkte sollten Teil des Vertrags sein, rät der VPB. Aber bitte mit Augenmaß planen: Nicht jede Arbeit ist für durchschnittlich begabte Bauherren geeignet. Laien sollten weniger am Rohbau, sondern eher beim Innenausbau mitanpacken. Anspruchsvolle Aufgaben wie die Installation der Elektrik, Heizungs- und Sanitärtechnik oder das Abdichten des Kellers sollten Fachleuten überlassen bleiben.

Denn: Für Arbeiten, die er selbst ausführt, steht allein der Bauherr in der Haftung. Damit nicht genug. Hat der Häuslebauer zum Beispiel beim Verlegen von Fliesen den Schallschutz nicht beachtet, kann unter Umständen der Nachbar Schadenersatz verlangen. Um selbst kein Haftungsrisiko einzugehen, besteht die Baufirma in aller Regel vor Beginn der Eigenleistungen auf eine Zwischenabnahme. Der Bauherr soll dem Unternehmer bestätigen, dass dieser bislang korrekt gearbeitet hat.

Damit nichts Wichtiges übersehen wird, ist es für Bauherrn sinnvoll, rechtzeitig einen unabhängigen Sachverständigen mit der Kontrolle der Arbeiten zu beauftragen. Die Fachleute checken nicht nur regelmäßig die Arbeit der Handwerker, sondern auch die Leistungen Marke Eigenbau. Die Investition lohne sich allemal, betont Sahr.

Wichtig zu wissen: Alle, die sich beim Hausbau von Bekannten, Nachbarn und Familienangehörigen unter die Arme greifen lassen, müssen sich und die Helfer absichern, etwa über eine private Unfallversicherung oder über eine freiwillige Versicherung bei der Berufsgenossenschaft. Letztere ist beim Einsatz von Freunden, Bekannten und Verwandten sogar gesetzlich vorgeschrieben, gleichgültig, ob die Helfer nun für ihre Arbeit bezahlt werden oder nicht.

Jeder, der unbedingt Eigenleistung einbringen will, müsse sich schon im Vorfeld darüber klar werden, ob sich der Aufwand tatsächlich lohnt, betont Architekt Riedl. Wer sich allzu viel Arbeit auflädt, kommt zeitlich und finanziell schnell ins Schleudern. Vor allem berufstätige Eltern mit kleinen Kindern, die für jeden Baustelleneinsatz den Babysitter brauchen, stoßen damit rasch an ihre Grenzen. Schlimmstenfalls heißt es dann am Ende: Haus fertig, Konto überzogen, Ehe kaputt.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2016
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